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Grundlinien des Aktionsprogramms für vereinfachte Regulierungen

Staaten stehen mit den von ihnen gesetzten Rahmenbedingungen im Standortwettbewerb um zunehmend mobile Produktionsfaktoren. Zu den wichtigen Standortfaktoren, welche den «guten Rahmen» eines Wirtschaftsstandortes auszeichnen, gehören die staatlichen Regulierungen sowie die administrativen Prozesse. Während staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen die wirtschaftlichen Aktivitäten direkt bestimmen, wirken die administrativen Prozesse der öffentlichen Verwaltung eher mittelbar, indem sie bei den Unternehmen Ressourcen binden. Das Programm «Vereinfachte Regulierungen für die Wirtschaft» des Bundesrates setzt an zwei Hebeln an: Einerseits sollen bestehende Regulierungen verbessert und andererseits neue unnötige administrative Belastungen vermieden werden.

Die administrative Entlastung gehört zu den Standbeinen einer Wachstumspolitik. Der Bundesrat hat sie denn auch im 17-Punkte-Programm des Wachstumspakets1 unter dem Titel «Optimierung der Staatstätigkeit» als Massnahme 11 eingebaut. Darin wurde das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) verpflichtet, eine entsprechende Botschaft vorzulegen. Ziel des Berichtes «Vereinfachte Regulierungen für die Wirtschaft» ist es, die Schweiz bezüglich der administrativen Belastung international zu positionieren und auf dieser Basis Massnahmen in verschiedenen Bereichen vorzubereiten. Diese werden dann in eine Sammelbotschaft einfliessen, die der Bundesrat Ende 2006 zuhanden des Parlamentes verabschieden sollte.

Worum geht es?


Regulierungen sind für die Unternehmen ein Kostenfaktor. Der Staat muss – gerade mit Blick auf den Standortwettbewerb – ein vitales Interesse haben, diese Kosten für die Unternehmen zu minimieren. Es ist verständlich, dass die Unternehmen jede Stunde, die sie für administrative Belange einsetzen, als eine Stunde zu viel erachten. Andererseits kann und will eine moderne arbeitsteilige Gesellschaft nicht ohne eine Reihe von Regulierungen auskommen. Und derartige Regulierungen sind oft mit direkten Belastungen für die Unternehmen verbunden. Unternehmen haben die Tendenz, sich allgemein über die Regulierung zu beklagen. Diese Klagen betreffen verschiedene staatliche Eingriffe, welche die Unternehmen behindern. Dabei geht es sowohl um einzuhaltende staatliche Normen als auch um Kontrollen, Komplikationen von administrativen Verfahren oder zusätzliche Investitionen. Wettbewerbspolitik, Handelspolitik und Steuerniveau sind ebenfalls Gegenstand von Beschwerden. Manchmal betreffen die Klagen sogar völlig private Beziehungen, wie etwa die Dokumentationsanforderungen der Banken für die Gewährung eines Kredites. Nicht allen Forderungen der Unternehmen kann streng nachgekommen werden. Sehr ernst zu nehmen sind jedoch diejenigen, die mit der Regulierung und der administrativen Entlastung zu tun haben, denn die kumulierten Kosten in diesem Bereich belaufen sich auf mehrere Milliarden Franken pro Jahr für Schweizer Unternehmen. Die Reduktion der Kosten ist ein ständiges Ziel der Unternehmen; dasselbe sollte auch für den administrativen Aufwand gelten, welchen der Staat den Unternehmen auferlegt. Der Versuch, die administrativen Kosten zu senken, ist ein Prinzip guter Verwaltung. Regulierung und administrative Kosten sind eng miteinander verbunden. Üblicherweise verursachen Regulierungen drei Arten von Kosten für die Unternehmen: – Administrative Kosten (Verfahren und Kontrollen, Erhebung oder Verarbeitung von Daten, Formalitäten wie das Ausfüllen von Formularen sowie Beschaffung von Informationen über die Regulierung); also der bürokratische »Papierkram», den man im Englischen als «red tape» bezeichnet. – Kosten für die Einhaltung der Regulierung (Änderung der Herstellungsprozesse, zusätzliche Investitionen usw.) – Kosten im Zusammenhang mit der Einschränkung des Handlungsspielraums der Unternehmen (verpasste Gelegenheiten und aufgrund der Regulierung unzugängliche Märkte). Als Beispiele kann die Hygiene in einem Restaurant oder die Sicherheit am Arbeitsplatz betrachtet werden. Die administrativen Kosten umfassen die Kontrollen durch die Behörden, die Dokumentationspflicht der getroffenen Massnahmen, die Gebühren einer allfälligen staatlichen Bewilligung und die Informationsbeschaffung. Die Kosten für die Einhaltung der Regulierung sind diejenigen, die für konkrete Hygieneoder Sicherheitsmassnahmen anfallen (z.B. Reinigungen, Schutzhelme oder -schuhe). Der unternehmerische Handlungsspielraum schliesslich wird zum Beispiel dadurch eingeschränkt, dass das Untergeschoss eines Gebäudes für gewisse Tätigkeiten nicht gebraucht werden darf oder dass der Unternehmer einen Teil seiner Zeit und seiner Energie für die Einhaltung der Regulierung aufwenden muss, den er sonst für die Entwicklung seines Unternehmens hätte nutzen können. Administrative Entlastung bedeutet zwar vor allem, die administrativen Kosten zu senken – doch die Grenze zwischen den administrativen Kosten und den Kosten für die Einhaltung der Regulierung ist nicht immer deutlich auszumachen. Unter den Massnahmen zur administrativen Entlastung kann auch die Vereinfachung der Regulierungen aufgeführt werden. Die Vereinfachung wirkt der zunehmenden Komplexität entgegen, die von den Unternehmen – vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – immer mehr als ein Problem wahrgenommen wird. Regulierungen, die einfacher zu verstehen und anzuwenden sind, senken die Informationskosten für die Unternehmen. Dies hat nur Vorteile, denn je komplexer die Regulierungen sind, desto eher werden sie bürokratisch, unterschiedlich (besonders in einem föderalistischen System) oder gar überhaupt nicht angewendet. Eine positive Folge der Vereinfachung ist also, dass die Einhaltung des Gesetzes zunimmt.

Wo stehen wir im internationalen Vergleich?


Wenn wir beurteilen wollen, wie die Schweiz in Bezug auf administrative Belastung international positioniert ist, können wir nicht isoliert auf die Einschätzung national tätiger Unternehmen abstellen, sondern wir müssen uns mit ähnlichen Ländern vergleichen. Ähnlich deshalb, weil diese Länder in der Regel die direkten Konkurrenten bei der Ansiedlung wertschöpfungsintensiver Firmen sind. Bei den allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen und bezüglich des generellen Niveaus administrativer Belastungen muss die Schweiz den internationalen Vergleich keineswegs scheuen – auch nicht den Vergleich mit den wettbewerbsstärksten Industrieländern. Drei vom International Institute for Management Development (IMD) erhobene Indikatoren geben einen ersten Überblick über die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen und über bürokratische Belastungen für Unternehmen (siehe Tabelle 1). International Institute for Management Development, World Competitiveness Yearbook 2004, Lausanne, 2004. Die ersten beiden Indikatoren – Legal framework und Bureaucracy – erheben Regulierungswirkungen und zeigen, dass im Verhältnis zu anderen Ländern die staatliche Bürokratie als weniger hinderlich empfunden wird. Die Schweiz erreicht bei diesen Indikatoren den dritten bzw. den zweiten Rang. Der dritte Indikator – Business legislation – fasst 22 Indikatoren zu unterschiedlichen Aspekten staatlicher Regulierung von Unternehmen zusammen. Dieser Indikator umfasst sowohl den Aspekt der Regulierung an sich wie auch denjenigen der Regulierungswirkungen. Die einzelnen zugrunde liegenden Indikatoren befassen sich mit Bereichen wie dem Grad der Öffnung der Wirtschaft, der Intensität des Wettbewerbs sowie der Regulierung des Arbeits- und des Kapitalmarktes. Die Schweiz liegt hier eher im Mittelfeld der untersuchten Länder, wofür vor allem die beiden erstgenannten Bereiche verantwortlich sind. Die vier aus der Executive Opinion Survey des World Economic Forum (WEF) hervorgehenden Indikatoren der Tabelle 2 geben Auskunft über die Wirkungen von Regulierung aus der Sicht von wirtschaftlichen Führungskräften.3 Aus einer Outcome-Perspektive werden hier insbesondere die Belastungen für Unternehmen eingeschätzt, welche sich aus Interaktionen mit staatlichen Stellen ergeben. Bei der Effizienz des rechtlichen Rahmens im Hinblick auf Streitschlichtung und Klagemöglichkeiten gegenüber staatlichem Handeln (Indikator Efficiency of legal framework) befindet sich die Schweiz im Mittelfeld der zwölf untersuchten Länder. Ihre Position liegt hinter den drei skandinavischen Ländern, Grossbritannien und Deutschland, aber vor den übrigen sechs Ländern. Besser – nämlich auf dem vierten Rang – steht die Schweiz im Bezug auf die Zeitressourcen, die Unternehmenskader für Interaktionen mit Regierungsbeamten einsetzen (Indikator Extent of bureaucratic red tape). Aufschlussreich sind schliesslich der dritte und der vierte Indikator (Burden of central government regulation bzw. Burden of local government regulation). Bei den administrativen Belastungen durch die zentralstaatliche Ebene steht einzig Österreich noch besser da als die Schweiz. Genauere Zahlen zum Zeitaufwand für administrative Aufgaben aufgrund staatlicher Regulierung wurden durch eine Studie von Müller (1998)4 erhoben, in der die Schweiz mit den Nachbarländern Deutschland und Österreich verglichen wurde. Der Vergleich fiel sehr vorteilhaft für die Schweiz aus, da administrative Aufgaben in den Unternehmen hierzulande weniger als die Hälfte der Zeit in Anspruch nahmen als in Deutschland und Österreich. Trotz der im Allgemeinen guten Situation gibt es in gewissen, spezifischeren Bereichen Verbesserungspotenzial. Dies betrifft einmal die Unternehmungsgründungen, bei denen die Schweiz bei einigen Indikatoren der OECD5 eher eine Position im unteren Mittelfeld einnimmt, wenn man mit den gleichen Ländern vergleicht. Auch bei der Umsetzung von E-Government sieht die Situation der Schweiz weniger günstig aus. Beim Prozentsatz der vollständigen onlinefähigen Dienste für Bürger und Unternehmen figuriert sie gemäss einigen Indikatoren der europäischen Kommission6 eher in den hinteren Rängen. Bei Vergleichen zum Umsetzungsgrad von Online-Dienstleistungen für Unternehmen (in Bereichen wie Körperschaftssteuer, Umsatzsteuer, Gewerbeanmeldung, Übermittlung von Daten an Statistikämter, Zollerklärungen, Umweltkonzessionen, Öffentliche Beschaffung) bewegt sich die Schweiz gemäss der gleichen Studie ebenfalls in den hinteren Rängen, bestenfalls manchmal im Mittelfeld. Eine weit gefächerte Palette von Indikatoren international anerkannter und beachteter Quellen zeigt also zusammengefasst, dass die Schweiz selbst im Vergleich mit einer Auswahl wirtschaftlich besonders wettbewerbsfähiger OECD-Länder im Allgemeinen eine gute Position einnimmt. Dies ist insbesondere für allgemeine Indikatoren zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zu administrativen Belastungen der Fall. Innerhalb dieser Spitzengruppe etwas weniger gut steht die Schweiz in einigen spezifischen Unterbereichen da, so etwa bei Erleichterungen für Unternehmensgründungen oder im Bereich E-Government. Letztere sind denn auch Bereiche, welche in Bezug auf künftige Massnahmen besondere Aufmerksamkeit erhalten. Den Vorteil, den die Schweiz in diesem Bereich hat, gilt es zu pflegen und auszubauen. Unser Ziel muss sein, dass die Schweiz in dieser Hinsicht der beste Standort weltweit ist. Um dieses ehrgeizige Ziel anzustreben, sind eine ganze Reihe von zusätzlichen Massnahmen vorgesehen, die im folgenden Abschnitt kurz dargestellt werden.7

Was sind die wichtigsten Reformbereiche?


Im Bericht werden insgesamt weit über 100 zusätzliche Massnahmen vorgeschlagen. Die wichtigsten Verbesserungen lassen sich in die folgenden drei Kategorien zusammenfassen:

E-Simplification


Der Bericht informiert über die Entwicklung von Projekten im Bereich der Transaktionen zwischen der Regierung und den Unternehmen («G2B») und zeigt, in welche Richtung die zukünftigen Arbeiten gehen (KMU-Websites, digitale Signatur, elektro-nische Übertragung der Lohndaten, SHAB, Simap usw.). Die Informationsstufe wird überschritten; die Entwicklung geht in Richtung elektronische Kommunikation und Transaktionen.

Reduktion der Bewilligungen um 20%


Am 2. Februar 2005 beschloss der Bundesrat zu prüfen, welche Bewilligungen aus einer Liste von ungefähr 500 bestehenden bundesrechtlichen Bewilligungen aufgehoben werden könnten, mit dem Ziel, mindestens 20% davon abzuschaffen. Das seco hat die Vorschläge der Ämter via Departemente gesammelt. Auf der Grundlage der heutigen Vorschläge kommt man auf eine Reduktion von 12%. Die Überprüfung wird in den nächsten Monaten fortgesetzt werden, um das Ziel von 20% zu erreichen.

Vertiefte Kosten-Nutzen-Analyse neuer Regulierungen


Hier geht es um eine Verstärkung der vom Bundesrat in den letzten Jahren eingeführten drei Instrumente zur Verhinderung von neuen administrativen Belastungen: Regulierungsfolgenabschätzung, KMU-Verträglichkeitstest und Forum KMU. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) hat am 20. Mai 2005 einen Bericht veröffentlicht, in dem Empfehlungen zur Verbesserung dieser drei Instrumente abgegeben werden. Der hier vorgestellte Bericht enthält die Ant-wort des Bundesrates an die GPK-N und beschreibt, wie die drei Instrumente verbessert werden. Das EVD schlägt vor, dass jedes Jahr 5-10 Gesetzesentwürfe einer gründlichen Prüfung ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen unterzogen werden. Die Liste der Themen würde vom Bundesrat verabschiedet. Die Kommunikation zu diesen Instrumenten würde verstärkt, auch zu Handen des Parlaments. Der Bericht enthält zudem eine ganze Reihe von administrativen Vereinfachungen in anderen Bereichen, insbesondere solche im Verantwortungsbereich des EVD.

Was bringen die Reformen den Unternehmen?


Die in den letzten Jahren durchgeführten Arbeiten haben gezeigt, dass die administrativen Belastungen der Unternehmen viele verschiedene Dimensionen aufweisen, die jedoch fünf Prozessen zugeordnet werden können: Unternehmensgründung, Lohnadministration, Bewilligungen, Rechnungsabschluss und Steuererklärung, Schuldbetreibung und Konkurs. Verbesserungen werden für jeden dieser fünf Prozesse erfolgen: – Unternehmensgründung: Schon heute ermöglicht die Website www.kmuadmin.ch , ein Unternehmen online zu gründen, und sie ist im Begriff, ihre Funktionalitäten weiter auszubauen. Die laufende Revision des GmbH-Rechts wird ebenfalls zu Vereinfachungen führen. – Lohnadministration: Die elektronische Übermittlung der Lohndaten zwischen den Unternehmen und der Verwaltung entwickelt sich weiter. Der neue Lohnausweis stellt dabei einen wichtigen Meilenstein dar. – Bewilligungen: Der Aktionsplan enthält mindestens 40 Massnahmen aus dem Bereich der Bewilligungen. – Rechnungsabschluss und Steuererklärung: 17 Praxisänderungen zur Vereinfachung der MWST sind 2005 bereits in Kraft getreten, und die Arbeiten zur Vereinfachung des Systems durch eine Gesetzesänderung laufen. Die Revision wird zurzeit im Parlament erörtert, und die Vereinfachung ist eines der Themen der Reform. Auch bei der Unternehmenssteuerreform II sind Vereinfachungen vorgesehen. – Schuldbetreibung und Konkurs: Die Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts wird Vereinfachungen in diesem Bereich bringen.

Wie geht es weiter?


Auf der Basis des nun vorliegenden Berichtes wird bis Ende 2006 eine Sammelbotschaft zur administrativen Entlastung erarbeitet. Diese Botschaft wird die notwendigen Anpassungen in Gesetzen und Verordnungen enthalten, die es zur Umsetzung der über 100 Massnahmen braucht, welche im Rahmen des Aktionsplans identifiziert worden sind. Die Bemühung um den Abbau administrativer Belastungen ist eine Daueraufgabe, die auf Stufe des Bundes von sämtlichen Eidgenössischen Departementen und Bundesämtern mitgetragen werden muss. Die administrative Entlastung der Unternehmen ist eine harte Knochenarbeit, der sich auch Kantone und Gemeinden nicht entziehen können.

Zitiervorschlag: Aymo Brunetti, Eric Scheidegger, (2006). Grundlinien des Aktionsprogramms für vereinfachte Regulierungen. Die Volkswirtschaft, 01. Februar.