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Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft in der Schweiz aus Sicht der Unternehmen

Im Auftrag des ETH-Rates untersuchte die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich im Rahmen einer repräsentativen Umfrage die Wissens- und Technologietransferaktivitäten (WTT) zwischen der Wirtschaft und dem Hochschulsektor. Im Ergebnis zeigt sich, dass WTT positiv auf die Innovationsleistung und die Arbeitsproduktivität der Schweizer Firmen wirkt. 28% der Schweizer Firmen betreiben WTT. Informelle Kontakte und/oder Ausbildungsaktivitäten sind die wichtigsten Formen des Wissenstransfers. Als Hauptmotiv für WTT nannten die Firmen den Zugang zu spezifischen Fähigkeiten als Ergänzung von unternehmensinternem Know-how. Die Firmen sehen in den betriebsinternen Faktoren das Haupthemmnis für WTT in der Schweiz.

Im Rahmen der sich entwickelnden Wissensgesellschaft steigt die Bedeutung externer Wissensquellen für die Entwicklung neuer Produkte und Prozesse. Ständiger Zugang zu neuerem Wissen und Technologien aus verschiedensten Quellen ist bereits zu einem wesentlichen Wettbewerbsparameter für viele Schweizer Firmen geworden. Dabei stehen den Schweizer Firmen neben Kunden, Lieferanten oder Konkurrenten auch die Schweizer Hochschulen als Innovationsquellen zur Verfügung. Diese zeichnen sich durch eine international vergleichbar hohe Forschungsleistung aus.  Wie stark werden Hochschulen als Innovationsquelle genutzt? Welches sind die wesentlichen Motive für WTT (siehe Kasten 1 Mit Wissens- und Technologietransfer (WTT) bezeichnen wir den Wissensaustausch zwischen wissenschaftlichen Institutionen und Unternehmen. Dies umfasst alle Aktivitäten, die darauf abzielen, Wissen zu übertragen, das – je nach Richtung des Austausches – für die Tätigkeit der beteiligten Firma bzw. Hochschule nützlich sein kann.) und welches die wesentlichen Hemmnisse? Welche Strategien werden verfolgt? Und: Welchen Einfluss hat WTT auf die betriebliche Innovationsleistung und die Produktivität von Schweizer Firmen? Zur Beantwortung dieser Fragen führte die KOF im Jahre 2005 eine repräsentative Umfrage auf Basis des KOF-Unternehmenspanels durch. Befragt wurden 5693 Firmen, von denen 2582 geantwortet haben (45,4%). Die Repräsentativität der Ergebnisse wurde unter anderem durch eine «Non-Response»-Umfrage gewährleistet. Vgl. Arvanitis S., Kubli U., Sydow N., Wörter M. (2005) Knowledge and Technology Transfer (KTT) Activities Between Universities and Firms in Switzerland: The Main Facts, KOF Working Paper Nr. 115.

Wie stark ist WTT in der Schweiz verbreitet?


28% der Schweizer Firmen betreiben WTT mit dem Schweizer Hochschulsektor. Von diesen tauschen 9% auch mit ausländischen Hochschulen Wissen aus (siehe Grafik 1). Am häufigsten stehen Firmen der Hightech-Branchen (37%) und grosse Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten mit in- und ausländischen Hochschulen in Kontakt (47%). Häufig finden sich auch Firmen aus dem Bereich der wissensbasierten Dienstleistungen unter den WTT-aktiven Firmen (34%). Der Anteil von WTT-aktiven Firmen liegt in der Industrie (31%) und im Dienstleistungssektor Der Dienstleistungssektor umfasste bei dieser Umfrage die Bereiche Grosshandel, Verkehr, Banken/Versicherungen, Informatikdienste/F&E, Dienstleistungen für Unternehmen und die Telekommunikation. (32%) nahezu gleich hoch, während im Bausektor deutlich weniger Unternehmen WTT-aktiv sind (14%).

Was sind die wichtigsten Kontaktformen?


Wir befragten die WTT-aktiven Firmen nach der Bedeutung von 19 verschiedenen Formen des Wissenstransfers. Die 19 Formen wurden in 5 Kategorien zusammengefasst: informelle Kontakte (z.B. Telefonkontakte, Besuch von Konferenzen, Lesen/Zitieren von Publikationen), technische Infrastruktur (z.B. gemeinsame Labors), Ausbildungstätigkeiten (z.B. Kontakt der Absolventen zur Hochschule, Vergabe von Dissertationen, gemeinsame Lehrveranstaltungen, Weiterbildungskurse), Forschungstätigkeit (gemeinsame Projekte) und Beratung (Gutachten, Beratungsleistungen).  Mehr als 50% der WTT-aktiven Firmen betrachten informelle Kontakte und/oder Ausbildungsaktivitäten als eine wichtige Form des Wissenstransfers. 18% der Firmen betonen die Wichtigkeit von konkreten Forschungsbeziehungen mit den Hochschulen. Bei 15% stehen Beratungsleistungen und bei 12% die Nutzung der hochschuleigenen technischen Infrastruktur im Mittelpunkt ihrer Transferaktivitäten (siehe Grafik 2).

Warum betreiben Unternehmen Wissenstransfer mit Hochschulen?


WTT-aktive Firmen sehen die wesentlichsten Motive für ihre WTT-Aktivitäten im Zugang zu spezifischen Fähigkeiten als Ergänzung von unternehmensinternem Know-how (46,3%), in den Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitarbeitende (29,5%) und in der Tatsache, dass bestimmte F&E-Projekte nur in Kooperation mit Hochschulen möglich (25,6%) sind (siehe Grafik 3). Aus der Firmenperspektive sind vor allem der Zugang zum Humankapital der Hochschulen sowie finanzielle Motive wesentliche Gründe für WTT. Die Unterschiede in den Motiven zwischen Industrie- und Dienstleistungsfirmen sind marginal. In beiden Kategorien ist der Zugang zu spezifischen Fähigkeiten das Hauptmotiv. Während finanzielle Motive für Industriefirmen etwas bedeutender sind als für Dienstleistungsfirmen, betonen Letztere Humankapitalkategorien häufiger als Industriefirmen.

Was verhindert Wissenstransfer oder hemmt dessen Intensivierung?


Viele der befragten Firmen stellen Unzulänglichkeiten im eigenen Bereich als Haupthemmnis für WTT fest (siehe Grafik 4). Vgl. Fragebogen auf www.kof.ethz für eine detailliertere Auflistung der Hemmniskategorien. Dazu zählt beispielsweise die Vorstellung, dass die Forschungsfragen der Firmen für wissenschaftliche Institutionen uninteressant seien oder dass der Firma das Interesse an wissenschaftlichen Projekten fehle. Kosten, Risiken und Unsicherheit über den wirtschaftlichen Erfolg eines Kooperationsprojektes mit den Hochschulen ist die nächstbedeutendste Hemmniskategorie. Vor allem der Mangel an finanziellen Ressourcen für WTT ist eine wesentliche Unterkategorie dieser Hemmnisgruppe. Firmen sehen sich des Öfteren auch durch Unzulänglichkeiten auf Seiten der wissenschaftlichen Institutionen von WTT-Aktivitäten abgehalten. Dabei beklagen sie vor allem, dass die F&E-Orientierung der Hochschulen nicht den Interessen der Firma entspreche oder dass es oftmals schwierig sei, die F&E-Kooperationsergebnisse zu vermarkten.  Vergleicht man die Angaben der WTT-aktiven mit denjenigen der WTT-inaktiven Firmen, so zeigt sich, dass WTT-Erfahrungen mit den Hochschulen das Hemmnisprofil deutlich beeinflussen. Firmen mit WTT-Aktivitäten bemängeln häufiger Kosten, Risiken und Unsicherheitsaspekte, organisatorische/institutionelle Hemmnisse und den Mangel an Informationen. Ebenso bemerkenswert ist, dass WTT-aktive Firmen weniger oft Mängel in der Firma selber oder Mängel auf Seiten der Wissenschaften als wesentliches Hemmnis angeben als Firmen ohne WTT-Erfahrung.

Welcher Hochschultypus wird als WTT-Partner bevorzugt?


Grafik 5 zeigt die Häufigkeit der WTT-Kontakte nach Hochschultypen in der Schweiz. Fachhochschulen und der ETH-Bereich wurden nahezu gleich oft als WTT-Partner genannt, etwas seltener der Universitätssektor (Mehrfachnennungen waren möglich). Die Verteilung nach Firmengrösse ergibt relativ geringe Unterschiede zwischen dem ETH-Bereich und dem Fachhochschulsektor sowie einen etwas deutlicheren Abstand zu den Universitäten, wobei der Abstand bei den mittelgrossen Firmen am geringsten ist.

Wie unterscheiden sich die WTT-Strategien?


Nicht zuletzt zur Erhöhung der Fördereffizienz von WTT ist es notwendig, festzustellen, welche Strategien WTT-aktive Firmen verfolgen, um Zugang zum Hochschulwis-sen zu erlangen und die Resultate dieser Beziehungen möglichst wirkungsvoll in neue Marktprodukte umzusetzen. Eine spezielle Auswertung der gesammelten Daten zeigte, dass die Transferaktivitäten von Schweizer Firmen im Allgemeinen in drei verschiedene Strategietypen eingeteilt werden können. Die Strategietypen wurden auf Basis der Angaben der Firmen hinsichtlich bedeutender Transferformen entwickelt: – Zum Strategie-Typ A zählen Firmen, die vorwiegend nationale Hochschulen kontaktieren, relativ wenig Transferaktivitäten aufweisen, insgesamt sehr losen Kontakt zu den Hochschulen pflegen und keine der verschiedenen Transferformen (z.B. informelle Kontakte, Nutzung technischer Infrastruktur, Aus-/Weiterbildungsangebote) als relativ sehr bedeutend einschätzen.  – Zum Strategie-Typ B zählen Firmen, die überdurchschnittlich oft «weichere» Kontaktformen als wesentlich für deren Transferaktivitäten bewerten. Sie akquirieren Hochschulwissen in Form von Konferenzbesuchen sowie informellen und telefonischen Kontakten mit dem wissenschaftlichen Hochschulpersonal. Sie beschäftigen Hochschulabsolventen, die nach wie vor Kontakte zu ihrer Hochschule unterhalten. Firmenangestellte beteiligen sich an gemeinsamen Lehrveranstaltungen mit Hochschulangehörigen, oder die Beratungsleistungen der Hochschulen werden in Anspruch genommen. – Zum Strategie-Typ C zählen Firmen, die überdurchschnittlich oft sehr intensive Transferformen unterhalten. Sie sehen in den Hochschulen einen verlässlichen Forschungspartner, kooperieren auf Basis gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungsprojekte, unterhalten längerfristige Kooperationsverträge und nutzen die technische Infrastruktur der Hochschulen.   Die dargestellten Strategie-Typen unterscheiden sich jedoch nicht nur in der Intensität des Transferkontaktes, sondern auch hinsichtlich der Hemmnisse, die einer weiteren Intensivierung der Transferkontakte entgegenstehen. Beispielsweise zeigen vertiefende Analysen, dass fehlende finanzielle Mittel vorwiegend bei Firmen des Strategie-Typs C einer weiteren Intensivierung der Transferkontakte entgegenstehen. Hingegen sind für Firmen der Strategie-Typen A und B unterschiedliche Forschungsorientierungen bzw. -interessen zwischen den Transferpartnern oder das Fehlen von Vermarktungsmöglichkeiten wissenschaftlicher Forschungsergebnisse wesentliche Hemmniskategorien. Politische Massnahmen zur Förderung des Wissenstransfers zwischen Firmen und Hochschulen sollten diese Hemmnisprofile berücksichtigen. Ein Grossteil der WTT-aktiven Firmen ist zum Strategiecluster A zu zählen (333 Firmen), gefolgt von den Strategieclustern B (234 Firmen) und C (102 Firmen). Für weitere Details zu diesem Thema (wie z.B. die Bestimmungsgründe der Strategiewahl) vgl. Arvanitis S., Wörter M. (2006): Firms‘ Strategies for Knowledge and Technology Transfer with Public Research Organisations and Their Impact on Firms‘ Performance, KOF Working Paper Nr. 148.

Zu welchen Ergebnissen führt WTT innerhalb der Firmen?


Nach eigenen Angaben der Firmen führt WTT als häufigste Wirkung in 31,6% der Fälle zur Adoption neuer Technologien. In 22,6% der Fälle gelingt die Entwicklung neuer Technologien, und in 19,7% verbesserte sich die Humankapitalausstattung der Firma nachhaltig. Ebenso bemerken die WTT-aktiven Firmen in 12,8% der Fälle eine Veränderung der Forschungsorientierung. Einen Einfluss auf die F&E-Kosten vermerkten nur 10,7% der Befragten. Eine potenzielle Substitution von privater durch öffentliche F&E-Anstrengung ist grundsätzlich nicht feststellbar; nur 0,7% der befragten Firmen stellten eine Reduktion der internen F&E-Kapazitäten als Folge von WTT fest.  Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen vertiefende ökonometrische Untersuchungen. Vgl. Arvanitis S., Sydow N., Wörter M. (2005): Is There Any Impact of University-Industry Knowledge Transfer on the Performance of Private Enterprises? – An Empirical Analysis Based on Swiss Firm Data, KOF Working Paper Nr. 119. Auf Basis einer Innovationsgleichung, die – neben den Variablen für Wissenstransfer – eine Reihe von Kontrollgrössen für das Innovationsverhalten und den Innovationserfolg einer Firma beinhaltet, konnte festgestellt werden, dass WTT-Aktivitäten die Innovationsleistung signifikant erhöhen. Das gilt für zwei verschiedene Innovationsmasse, nämlich die F&E-Intensität und den Anteil innovativer Produkte am Umsatz der Firma. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass WTT-Aktivitäten auch die Arbeitsproduktivität der Firma erhöhen. Das geschieht einerseits auf direktem Weg als unmittelbares Resultat von WTT und anderseits auf indirektem Weg über die Erhöhung der F&E-Intensität, die wiederum positiv auf die Arbeitsproduktivität wirkt.  Diese allgemeineren Impact-Resultate konnten in zweifacher Hinsicht präzisiert werden: – Zum einen stellte sich heraus, dass nicht alle Transfer-Formen (informelle Kon-takte und generelle Informationen, Aus-/Weiterbildung, Forschung, Beratung und technische Infrastruktur) gleichermassen positiv auf die Innovationsperformance einer Firma wirken. Besonders günstig wirkten sich Transferaktivitäten aus, die sich unmittelbar auf die Verbesserung des Humankapitals bezogen oder konkrete F&E-Kooperationen mit Hochschulinstitutionen umfassten.  – Zum anderen zeigte sich, dass nicht jede Strategie gleichermassen geeignet zu sein scheint, das Wissen von Hochschulen aufzunehmen, erfolgreich in Innovationsprojekte zu integrieren und dadurch die Innovationsleistung der Firmen zu erhöhen. Dabei erwies sich vor allem die Strategie C (intensivste Variante des WTT) erfolgreicher als die Strategien A oder B.

Grafik 1 «Häufigkeiten von WTT-Aktivitäten»

Grafik 2 «Wichtigste WTT-Aktivitäten»

Grafik 3 «Beweggründe der Firmen für WTT»

Grafik 4 «WTT-Hemmnisse»

Grafik 5 «WTT-Aktivitäten mit Institutionen nach Unternehmensgrösse»

Kasten 1: Wissens- und Technologietransfer (WTT) Mit Wissens- und Technologietransfer (WTT) bezeichnen wir den Wissensaustausch zwischen wissenschaftlichen Institutionen und Unternehmen. Dies umfasst alle Aktivitäten, die darauf abzielen, Wissen zu übertragen, das – je nach Richtung des Austausches – für die Tätigkeit der beteiligten Firma bzw. Hochschule nützlich sein kann.

Kasten 2: Determinanten des WTT Eine ökonometrische Untersuchung der wesentlichen Determinanten des Wissenstransfers zeigte, dass vor allem grössere Firmen, Firmen mit guter Humankapitalausstattung sowie Firmen mit internen F&E-Aktivitäten eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, WTT zu betreiben, als sehr kleine Firmen oder Firmen, denen die Humanressourcen fehlen, um das Wissen der Hochschulen für eigene Entwicklungen und Produkte zu absorbieren. Defizite auf Seiten der Firmen und auf Seiten der wissenschaftlichen Institutionen zeigen im ökonometrischen Modell den grössten negativen Einfluss auf die Entscheidung einer Firma, WTT zu betreiben. Für Firmen mit WTT-Aktivitäten sind auch andere Hemmniskategorien von Bedeutung. Der Mangel an Informationen, finanzielle Aspekte und organisatorische/institutionelle Faktoren stehen hier einer weiteren Intensivierung der WTT-Kontakte entgegen.

Zitiervorschlag: Spyros Arvanitis, Martin Wörter, (2007). Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft in der Schweiz aus Sicht der Unternehmen. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.