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Korrekturbedürftige entwicklungspolitische Entscheide des Bundesrates

Der Bundesrat hat die beiden Botschaften über die Entwicklungszusammenarbeit verabschiedet. In diesem Zusammenhang von einer «Neuausrichtung» zu sprechen, ist ziemlich übertrieben. Es gibt keine institutionelle Vereinfachung. Weiterhin sind zwei Verwaltungseinheiten - die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) - zuständig. Um die bürokratischen Reibungsverluste zu reduzieren, die sich daraus ergeben, wird die Arbeit der beiden nun geografisch «entflochten». Das Koordinationsproblem bleibt jedoch bestehen. Finanziell schlägt der Bundesrat - entgegen seinen Verlautbarungen an den Uno-Generalversammlungen - Stillstand vor, während andere Geberstaaten ihre Entwicklungsbudgets beträchtlich steigerten.

Korrekturbedürftige entwicklungspolitische Entscheide des Bundesrates

 

Die Konzentration der Schwerpunktländer entspricht dem Wunsch des Parlaments. Wegen der «Entflechtung» präsentiert sie sich allerdings widersprüchlich. Die Schweiz zieht sich aus acht Schwerpunktländern zurück und steigt in zwei neue ein. Waren bisher Deza und Seco in acht Ländern gemeinsam tätig (ein Beitrag zur Konzentration), sind sie es neu nur noch in zwei (ein Beitrag zur Verzettelung). Falls es um die Konzentration der Mittel ginge, müssten weniger die Zahl der Schwerpunktländer als vielmehr die Vielzahl kleiner Engagements in anderen Ländern hinterfragt werden.

Fatale Verknüpfung von Eigeninteressen und EZA


Im Streit um die Neuausrichtung wurden vermehrt Ideen geäussert, die EZA für Zwecke einzuspannen, die mit Entwicklung nichts zu tun haben. Das Seco wählte als neue Schwerpunktländer solche, mit denen die Schweiz bilaterale Freihandelsabkommen hat oder anstrebt. Schon haben Regierungen – so Ägypten – als Gegenleistung für den Freihandelsvertrag Entwicklungshilfe eingefordert. Das ist eine suboptimale Voraussetzung für die Gestaltung einer wirksamen EZA. Aber auch im Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gibt es Ideen, die Deza und ihr Budget in die Verfolgung der eigenen aussenpolitischen Ziele einzuspannen. In beiden Fällen wird sichtbar, dass der Bund für seine Aussenpolitik und -wirtschaft kein operatives Budget hat und deshalb dazu neigt, sich dafür aus dem Entwicklungsbudget zu bedienen.  Diese Tendenz ist fatal. Aus der internationalen Diskussion über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe schälte sich ein Punkt klar heraus: Wenn die Geberländer ihre Hilfe auf die Erfordernisse der Empfängerländer ausrichten, entfaltet sie Wirkung. Wenn sie hingegen mit den Entwicklungsbudgets die Verfolgung eigener Interessen finanzieren, hat die Hilfe keine Entwicklungswirkung.  Diesbezüglich stand die Schweiz im internationalen Vergleich bisher gut da, weshalb ihre Hilfe auch Anerkennung fand. Die neuen Begehrlichkeiten drohen jedoch dieses Kapital zu verspielen. Die Grundsätze der schweizerischen EZA müssen deshalb neu bekräftigt werden: Erstens muss sie sich an den Bedürfnissen der Partnerländer orientieren und darf nicht für aussenpolitische Interessen instrumentalisiert werden. Zweitens müssen die beiden zuständigen Verwaltungsabteilungen die ihrer Aufgabe entsprechende Handlungsfreiheit bewahren. Es darf nicht sein, dass der Seco-Entwicklungsdienst nebenbei noch wirtschaftliche Interessen der Schweiz vertritt, wie es vorübergehend im Gespräch war. Dafür gibt es andere kompetente Stellen im Seco. Und es darf auch nicht sein, dass das EDA die Aufgaben der Deza auf andere Abteilungen und die Botschaften verlagert. Nur mit dieser Eigenständigkeit kann übrigens garantiert werden, dass in der Bundesverwaltung weiterhin eine Auseinandersetzung über die Kohärenz der Nord-Süd-Politik stattfindet.

Schweizer Sparkurs international problematisch


Schliesslich ist es wichtig, den finanziellen Stillstand zu überwinden und das Entwicklungsbudget zu erhöhen. Während fast alle OECD-Länder – so auch die USA – substanzielle Erhöhungen vornahmen und die EU-Mitglieder ihre Hilfe bis 2015 auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens steigern werden, hat die Schweiz ihres lediglich durch statistische Umgruppierungen erhöht. Die Schweiz dürfte Mühe haben, ihre Sparsamkeit international verständlich zu machen. Niemand nimmt es ihr ab, dass sie zu arm sei, ihren Beitrag an die Erfüllung der Millennium-Entwicklungsziele zu leisten. Die Stagnation des Entwicklungsbudgets hat übrigens unbeabsichtigte Folgen. Weil die anderen Länder ihre Budgets steigern, steigt auch die Finanzierung multilateraler Institutionen wie der Weltbank. Die Schweiz zieht mit, weil sie ihre Sitze im Direktorium der Bretton-Woods-Institutionen behalten will. Damit erhöht sich der Anteil für die multilaterale Hilfe stetig, während derjenige für die bilaterale sinkt, obwohl diese quer durch alle Parteien grosse Unterstützung geniesst. Es ist deshalb zu hoffen, dass das Parlament in der kommenden Beratung der Entwicklungszusammenarbeit den Sparentscheid des Bundesrates korrigiert.

Zitiervorschlag: Peter Niggli (2008). Korrekturbedürftige entwicklungspolitische Entscheide des Bundesrates. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.