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Technologische Entwicklung im Cleantech-Bereich: Wo steht die Schweiz?

Technologische Entwicklung im Cleantech-Bereich: Wo steht die Schweiz?

Im folgenden Beitrag wird die technologische Entwicklung im Cleantech-Bereich in den letzten 30 Jahren auf der Basis von Patentstatistiken sowie die Positionierung der Schweiz bezüglich Spezialisierung in diesem Bereich gegenüber den wichtigsten Konkurrenzländern dargestellt. Zudem werden wichtige Bestimmungsfaktoren der Cleantech-Spezialisierung untersucht.
Der vorliegende Artikel ist eine Fortführung der im Auftrag von Economiesuisse durchgeführten KOF-Studie (Arvanitis et al. 2011) mit erweiterter Datenbasis (neue, breitere OECD-Definition des Cleantech-Bereichs; Patentdaten für die Periode 1980–2008). Die Resultate zeigen, dass sich die Schweiz bisher nur beschränkt am weltweit starken Wachstum des Cleantech-Bereichs beteiligt hat.



Zur Abgrenzung des Cleantech-Sektors im Industriebereich wird nach einer eingehenden Überprüfung von existierenden Alternativen die aktuellste OECD-Klassifikation der Cleantech-Patente (OECD 2012) verwendet. Der Untersuchung standen die Patentdaten auf Länder- sowie auf Branchenebene zur Verfügung. Die Zuordnung der Patentaktivitäten auf Branchen erfolgt gemäss einem anerkannten Konkordanz-Schema. Insgesamt werden 14 Länder betrachtet: die wichtigsten EU-Länder (viele von ihnen auch direkte Konkurrenten der Schweiz),
Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Irland, Österreich, Dänemark, Schweden und Finnland. die beiden grossen Industrieländer USA und Japan sowie China als wichtigster Vertreter der Emerging Economies. Der Untersuchungszeitraum ist die Periode 1980–2008.

Technologische Entwicklung des Cleantech-Sektors weltweit


In Grafik 1 wird die Entwicklung der Anzahl Cleantech-Patente sowie des Anteils der Patente im Cleantech-Bereich an allen Patenten weltweit im Verlauf unseres Betrachtungszeitraums dargestellt. Ausgehend von einem niedrigen Niveau stieg die Anzahl Cleantech-Patente bis Ende der 1980er-Jahre nur leicht an. In den 1990er-Jahren ist zwar die Patentzahl merklich stärker gewachsen als in den 1980er-Jahren; der Anteil an allen Patenten blieb aber in etwa konstant bzw. schwankte zwischen 5% und 6%. Erst in der Periode nach 2000 nahmen sowohl die absolute Zahl als auch der Anteil von Cleantech-Patenten markant zu. 2008 wurden weltweit 12 496 Patente im Cleantech-Bereich angemeldet. Dies entsprach 8,4% aller Patente.

Technologische Länderprofile im Cleantech-Bereich insgesamt


Grafik 2 zeigt die durchschnittlichen Anteile der berücksichtigten Länder an den Cleantech-Patenten weltweit. Wie aus der Grafik zu entnehmen ist, verteilen sich die Patente im Cleantech-Bereich grösstenteils auf die grossen Länder, welche auch in anderen Patentbereichen dominieren. Namentlich sind dies die USA, Deutschland und Japan. Über den gesamten Zeitraum kann eine gewisse Verschiebung zwischen den einzelnen Ländern festgestellt werden. Japan hat als einziges der drei grossen Länder seinen Weltanteil im Cleantech-Bereich über die Zeit ausbauen können. Deutschland konnte seinen Weltanteil in etwa halten. Für die USA ist hingegen eine Abnahme zu verzeichnen. Gleiches gilt – wie für die meisten anderen Länder – auch für die Schweiz. Der Schweizer Anteil an Cleantech-Patenten ist von durchschnittlich 3,2% in der ersten der drei untersuchten Perioden (1980–1989) auf durchschnittlich 1,9% in der letzten Periode (2000–2008) gesunken. Der geringe Anteil der Schweiz ist aufgrund der Grösse des Landes nicht erstaunlich. Vergleichbare Länder wie Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden verzeichnen ähnliche Anteile und auch eine ähnliche Entwicklung. Bezüglich der Entwicklung des Weltanteils der Cleantech-Patente fallen die Niederlande auf, die ihren Weltanteil über die Zeit stetig ausbauen konnten. Ein Anstieg ist auch für China zu verzeichnen, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Anteil. China als «Newcomer» in diesem Bereich vergrösserte seinen Anteil von durchschnittlich 0,1% auf 2,0%.Ein zweiter Indikator zur Charakterisierung der Länderprofile ist der internationale Spezialisierungsgrad. Für die Messung des internationalen Spezialisierungsgrads eines Landes wird der Quotient des Anteils Cleantech-Patente des Landes zum weltweiten Anteil der Cleantech-Patente verwendet (Revealed Technological Advantage, RTA). Werte höher als 1 weisen auf eine überdurchschnittliche Spezialisierung, Werte niedriger als 1 auf eine unterdurchschnittliche Spezialisierung hin. Die Entwicklung dieses Masses für die einzelnen Länder ist in Grafik 3 abgebildet; gezeigt werden die durchschnittlichen Spezialisierungsmasse für die drei Perioden. Eine überdurchschnittliche Spezialisierung im Cleantech-Bereich verzeichnen Deutschland, Dänemark, Österreich, Japan (seit 1990) und China (bis 2000). Unterdurchschnittlich spezialisiert über alle drei Perioden sind Irland, Italien, Grossbritannien und die USA. Auch die Schweiz weist eine unterdurchschnittliche Spezialisierung auf, und dies in allen Perioden. Der relativ hohe Weltanteil an Cleantech-Patenten ist deshalb primär auf eine generell hohe Innovationsintensität in der Schweiz zurückzuführen und nicht auf eine Spezialisierung im Cleantech-Bereich. Auffällig ist, dass der Spezialisierungsgrad der Schweiz im Cleantech-Bereich insbesondere in der letzten Periode 2000–2008 markant abgenommen hat. In dieser Periode gehört die Schweiz – zusammen mit Finnland, Irland und in geringerem Ausmass Schweden – zu den Ländern mit der geringsten Spezialisierung im Cleantech-Bereich. China stellt wegen des sehr niedrigen Ausgangsniveaus einen Sonderfall dar.

Technologische Profile in den Teilbereichen des Cleantech-Sektors


Gemäss der OECD-Spezifikation sind die Cleantech-Patente (Environmental Patents) in sieben Technologiefelder eingeteilt: A) Umweltmanagement: Technologien zur Reduktion der Umweltverschmutzung, wie z.B. Luftfilter, Materialrecycling oder Wasserreinigungstechnologien;B) Energiegenerierung aus erneuerbaren und nicht-fossilen Quellen: z.B. Windenergie, Solarenergie;C) Verbrennungstechnologien mit Einsparungspotenzial: z.B. Nutzung von Abwärme bei Abfallverbrennung, effizientere Verbrennungstechnologien;D) Reduktion von Problemen mit Treibhausgasen: z.B. CO2-Lagerung, Abscheidung von Treibhausgasen;E) indirekte Emissionsreduktion: z.B. Energiespeicherung, Brennstoffzellen;F) Technologien im Transportbereich: z.B. effizienzsteigerndes Fahrzeugdesign, hybride Antriebssysteme;G) Energieeffizienz in Gebäuden und Beleuchtung: z.B. LED, Isolierung, Heizsysteme. Grafik 4 zeigt, wie die Patente im Cleantech-Bereich auf die einzelnen Teilbereiche aufgeteilt sind. Am meisten patentiert wurde im Bereich Umweltmanagement. Bereits in den 1980er-Jahren – und somit deutlich vor den anderen Technologien – wurden in diesem Bereich zahlreiche Patente angemeldet. Dies zeigt, dass in der Vergangenheit hauptsächlich die Lösung von Problemen im Umweltbereich im Zentrum stand und nicht unbedingt das präventive Vorgehen zur Vermeidung von Problemen. Ab Mitte der 1990er-Jahre haben die Bereiche indirekte Emissionsreduktion und Technologien im Transportbereich an Bedeutung gewonnen. Die Anzahl Patente in den Bereichen Energiegenerierung und Energieeffizienz in Gebäuden und Beleuchtung ist hauptsächlich nach 1997 – also in den Jahren nach Unterzeichnung des Kyoto-Abkommens – angestiegen. Bei der Energiegenerierung ist insbesondere in den letzten Jahren ein markanter Anstieg bei den Patentierungsaktivitäten festzustellen. In den beiden anderen Technologiefeldern Verbrennungstechnologien mit Einsparungspotenzial und Reduktion von Problemen mit Treibhausgasen wurde im gesamten Zeitraum vergleichsweise nur wenig patentiert.In Grafik 5 sind die Weltanteile der Schweiz in den einzelnen Technologiefeldern dargestellt. Als Vergleich dient der Weltanteil der Schweiz im Cleantech-Bereich. Die Grafik zeigt, dass in der Schweiz in den Bereichen Umweltmanagement, Energiegenerierung und Energieeffizienz in Gebäuden und Beleuchtung etwas häufiger patentiert wurde als in den anderen Bereichen. Auffällig ist, dass die Schweiz über die Zeit in den meisten Technologiebereichen an Weltanteilen eingebüsst hat. Einzig in den Bereichen Verbrennungstechnologien und Reduktion von Problemen mit Treibhausgasen konnte die Schweiz den Weltanteil etwas ausbauen. Beides sind aber Bereiche, in welchen weltweit relativ wenig patentiert wird.

Bestimmungsfaktoren der Cleantech-Spezialisierung


In diesem Abschnitt werden die Faktoren untersucht, welche das Ausmass der Cleantech-Spezialisierung beeinflussen. Zu diesem Zweck wurde ein ökonometrisches Modell auf Branchenstufe geschätzt. Die dazu benötigten Daten stammen – bis auf die Patentangaben, die speziell für diese Studie zusammentragen wurden – aus der OECD-Datenbank Stan. Die Untersuchung beschränkt sich auf den Zeitraum 2000-2008. Zudem wird für die Abgrenzung des Cleantech-Sektors eine frühere Abgrenzung der OECD verwendet. Für die Periode 2000–2008 standen Daten zu 13 Ländern (also alle in dieser Studie berücksichtigten Länder mit Ausnahme von China) und 22 Branchen zur Verfügung. Auf der Basis dieser Daten wurde ein Branchenpanel für 13 Länder und 9 Jahre gebildet.In einem ersten Schritt wurde der Versuch unternommen, die fundamentalen Determinanten (also ohne Politikfaktoren) der Cleantech-Spezialisierung zu untersuchen. Als erklärende Variablen haben wir Proxies für folgende Grössen verwendet: Kapitalintensität, Innovationsintensität, Offenheit der Branche, Branchengrösse und Energieintensität. Die ökonometrische Untersuchung ergab, dass das Niveau des Spezialisierungsgrads durch die Kapitalintensität, die Offenheit der Branche und die Energieintensität eines Landes bestimmt wird. Bis auf den letzten Faktor sind dies Faktoren, die Schweizer Industriebranchen in hohem Mass erfüllen; sie scheinen aber nicht wirksam zu sein. In einem zweiten Schritt wurde auf Länderstufe untersucht, ob ein Zusammenhang besteht zwischen Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, welche im Rahmen des Kyoto-Abkommens eingegangen worden sind, und dem Cleantech-Profil eines Landes, welches durch den Cleantech-Spezialisierungsgrad gemessen wird. Hierbei wurden zwei unterschiedliche Masse verwendet: − einerseits das Reduktionsziel im Rahmen des Kyoto-Abkommens; − anderseits die effektive Lage bezüglich Emissionsreduktion, gemessen durch die Veränderungsrate der Emissionen in einem bestimmten Jahr. Die ökonometrische Untersuchung unter Berücksichtigung der beiden beschriebenen Masse ergab einen negativen Einfluss der Veränderung in den CO2-äquivalenten Treibhausgasemissionen auf die Veränderung der Spezialisierung. Zudem ist die Cleantech-Spezialisierung umso höher, je ambitionierter das Kyoto-Reduktionsziel ist. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese, wonach eine bessere Erfüllung der Kyoto-Ziele – d.h. eine abnehmende Differenz zwischen der effektiven und der geplanten Reduktion – zu einer höheren Spezialisierung führt. Der politische Wille bzw. entsprechende Massnahmen zur Reduktion solcher Emissionen erhöhen also die Spezialisierung auf Cleantech.

Abschliessende Bemerkungen


Der Technologiebereich Cleantech ist in den letzten Jahren weltweit stark gewachsen. Die Schweiz beteiligte sich aber nur schwach an diesem Wachstum. Die Spezialisierung im Cleantech-Bereich ist in der Schweiz im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Die Bereiche Umweltmanagement, Energiegenerierung und Energieeffizienz in Gebäuden und Beleuchtung schneiden dabei noch etwas besser ab als andere Bereiche des Cleantech-Sektors.Die Ergebnisse der ökonometrischen Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich ändernde Rahmenbedingungen – sei es, weil neue Kyoto-Ziele im Rahmen eines neuen verbindlichen internationalen Abkommens beschlossen werden, sei es, weil sich bei gegebenen Zielen die Abweichungen von diesen Ziele verändern – die Cleantech-Spezialisierung eines Landes beeinflussen. Generell ist eine positive Korrelation zwischen Umweltverpflichtungen und Cleantech-Spezialisierung eines Landes zu erwarten. Wie sich das Potenzial von Cleantech in der Schweiz in Zukunft entwickeln wird, ist noch unklar und würde ein vertieftes Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen erfordern. Vieles hängt auch von der weiteren Entwicklung des neu entstehenden Cleantech-Weltmarktes ab. Wirken sich Innovationen im Cleantech-Bereich auf die Performance (Gewinne, Produktivität) der Unternehmen positiv aus, so kann man davon ausgehen, dass der Unternehmenssektor von sich aus die Innovationsintensität im Cleantech-Bereich erhöhen wird. Ist dies aber nicht der Fall, so sind womöglich Markteingriffe nötig, um die Innovationsintensität zu erhöhen, sofern dies von der Politik als opportun angesehen wird. Eine weitere Frage ist, wie sich das Know-how im Cleantech-Bereich verbreitet. Ist für Innovation im Cleantech-Bereich vor allem generelles Innovationswissen relevant, so dürfte die Schweizer Wirtschaft kein Problem haben, zu einem späteren Zeitpunkt die Präsenz im Cleantech-Bereich zu erhöhen. Weiterführende Studien der KOF, welche Produktivitätseffekte von Innovationen im Cleantech-Bereich sowie die Diffusion von Know-how in diesem Bereich untersuchen, könnten zumindest einige der zur Zeit noch offenen Fragen klären und eine genauere Beurteilung des Potenzials für Cleantech in der Schweiz ermöglichen.

Grafik 1: «Entwicklung der Cleantech-Patente weltweit»

Grafik 2: «Durchschnittliche Anteile der Cleantech-Patente der Länder an den Cleantech-Patenten insgesamt»

Grafik 3: «Durchschnittliche internationale Spezialisierung (RTA-Werte)»

Grafik 4: «Entwicklung der Anzahl Cleantech-Patente nach Teilbereichen des Cleantech-Sektors»

Grafik 5: «Weltanteil der Cleantech-Patente der Schweiz nach Teilbereichen des Cleantech-Sektors»

Kasten 1: Literatur

Literatur


− Arvanitis, S., T. Bolli, M. Ley, C. Soltmann, T. Stucki und M. Wörter (2011): Potenziale für Cleantech im Industrie- und Dienstleistungsbereich in der Schweiz – Studie im Auftrag der Economiesuisse, KOF Studie Nr. 27, http://www.kof.ethz.ch, Publikationen, KOF-Studien.− OECD (2012): http://www.oecd.org/dataoecd/4/14/47917636.pdf.

Zitiervorschlag: Thomas Bolli (2012). Technologische Entwicklung im Cleantech-Bereich: Wo steht die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.