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Wie wirksam sind Massnahmen der Schweizer Innovationsförderung?

In den letzten zwanzig Jahren hat der Bund zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Innovationsleistungen von Unternehmen und Hochschulen zu fördern. Die Massnahmen der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) wurden im Kontext der «evidenzbasierten Politik» durch eine Vielzahl von Evaluationen untersucht. Eine Auswertung der vorliegenden Studien aus dem Zeitraum von 1997 bis 2011 zeigt, dass die Massnahmen positive Effekte zu erzielen vermochten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass.

Foto: KTI / Tom Kawara


Unter dem Stichwort der evidenzbasierten Politik wird heute in vielen Ländern der Anspruch verfolgt, die Politik an empirisch fundierten Erkenntnissen auszurichten.
Vgl. Cartwright, Hardie (2012). Der Hintergrund dieser Politik ist die Einsicht, dass die immer komplexeren politischen Problemstellungen unabhängige und begründete Expertise erfordern. Im Gegensatz zu Bewertungen auf der Basis von ideologischen Orientierungen oder materiellen Interessen soll die Politik auf empirischen Erkenntnissen beruhen. Evaluationsstudien stellen dazu eine wichtige Quelle dar.
Vgl. Widmer, De Rocchi (2012), S. 149.Massnahmen der Innovationspolitik waren im Sinne der Rechenschaftspflicht (Accountability) immer wieder Gegenstand von Evaluationsstudien durch unterschiedliche Mandatsträger. Welche Wirkungen von innovationspolitischen Massnahmen lassen sich durch diese Studien erhärten? Diese Frage wird am Beispiel der Fördermassnahmen der KTI und ihrem Umfeld anhand von 18 erfassten Evaluationsstudien untersucht.

Es geht um den Zusatznutzen einer Massnahme


Wirkungsanalysen schätzen die Auswirkungen einer staatlichen Aktivität, hier innovationspolitischen Interventionen, ab und bewerten diese.
Vgl. Berwert, Zehnder (2006), S. 13; Rhomberg et al. (2006), S. 12. Um solche Wirkungen zu messen, wurde zu Beginn der 1980er-Jahre das Konzept der Additionalität entwickelt, das heute in der Evaluationspraxis den State of the Art darstellt.
Vgl. van der Veen et al. (2012). Dabei steht der Nutzen einer öffentlichen Förderung im Zentrum: Inwieweit gelingt es, mit einer Fördermassnahme einen Zusatznutzen für die betroffenen Akteure in der Wirtschaft und an den Hochschulen zu erzeugen, der ohne die Intervention nicht vorhanden wäre? Dabei wird zwischen drei verschiedenen Arten von Additionalität unterschieden: Input, Verhalten und Output (siehe Kasten 1

Verschiedene Arten der Additionalität


Die Input-Additionalität untersucht, inwiefern die staatlichen Massnahmen zusätzliche Aufwendungen für innovative Aktivitäten aufseiten der beteiligten Akteure bewirken. Die Frage lautet, welche Mehrinvestitionen die staatliche F&E-Förderung bei den betroffenen Organisationen auslöst. Im Rahmen von Innovationen betrifft dies insbesondere die finanziellen Aufwendungen für F&E-Tätigkeiten und das eingesetzte Humankapital. Falls diese Mehrinvestitionen nahe bei null liegen, spricht man von einem Mitnahmeeffekt, da die Akteure Geld erhalten für Tätigkeiten, die sie ohnehin durchgeführt hätten.

Die staatlichen Fördermassnahmen können aber auch breitere Effekte haben, indem sie das allgemeine Innovationsverhalten der betreffenden Akteure beeinflussen. Die Behavioural-Additionality bzw. Additionalität des Verhaltens umfasst Bewusstseins-, Einstellungs- und Verhaltensänderungen aufseiten der betroffenen Organisationen, die durch die Fördermassnahmen entstanden sind. Beispiele sind etwa der Aufbau von neuen Fähigkeiten und Kenntnissen, die Entwicklung von Netzwerken und die Verbesserung der internen Organisation. Die Additionalität des Verhaltens ist nur schwerlich quantitativ messbar und diffuser als die Input-Additionalität.

Die Output-Additionalität umfasst die Leistungen der betroffenen Organisationen, die aufgrund der staatlichen Förderung entstanden sind. Bei Firmen stehen die kommerziellen Auswirkungen der Intervention im Zentrum, also die neuen Produkte, Prozesse und Dienstleistungen, während es bei den Hochschulen etwa um Publikationen oder Patente gehen kann, welche dank der öffentlichen Förderung generiert wurden. Neben den Outputs erfasst diese Art der Additionalität auch Outcomes und Impacts, also die mittelfristigen Wirkungen der Intervention bei den Adressaten und die langfristigen sozioökonomischen Veränderungen, die aufgrund der innovationspolitischen Massnahme eintreten.

Quelle: Good (2006).).Das Kernproblem bei einem Nachweis von Additionalität bzw. bei der Messung von Wirkungen politischer Interventionen – nicht nur in der Innovationsförderung – ist die Erfassung der Differenz zwischen der Entwicklung, wie sie ohne Förderung stattgefunden hätte, und der effektiven Entwicklung mit Förderung.
Vgl. Georghiou et al. (2002), S. 85 f. Da verschiedene Ursachen für ein und dieselbe Veränderung in der effektiven Entwicklung in Frage kommen, kann diese nicht eindeutig einer bestimmten Intervention zugeordnet werden. Neben der Massnahme, deren Wirkung die Evaluation zu bestimmen versucht, existiert eine Vielzahl von weiteren Einflussfaktoren, die den Verlauf der Zielgrösse – und damit den Ausgang der Intervention – beeinflussen. Dieses Problem ist im Innovationsbereich aufgrund der hohen Komplexität des Innovationsprozesses besonders akut.
Vgl. Good (2006), S. 24 ff.

Innovationsförderung ist weitgehend konsistent und effizient


Die KTI ist die wichtigste Organisation des Bundes zur Unterstützung von angewandter F&E, von Jungunternehmen sowie des Wissens- und Technologietransfers. Sie fördert die Entwicklung von neuem, technikrelevantem Wissen und unterstützt deren Umsetzung und Verbreitung. Eine Vielzahl von Evaluationsstudien haben die Wirkungen diverser Massnahmen in den letzten beiden Jahrzehnten untersucht. Deren Befunde sind im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) in zwei Studien ausgewertet worden.
Vgl. Barjak (2013); Hotz-Hart, Rohner (2013).Aufgrund einer systematischen computerunterstützten Textanalyse der Evaluationsstudien kommt Barjak (2013) zum Schluss, dass die Innovationsförderung konsistent ist und weitgehend effizient umgesetzt wird. Die Evaluationen beurteilen die Eignung der innovationspolitischen Fördermassnahmen zur Lösung der vorab identifizierten Probleme und die Kohärenz zu anderen Massnahmen und Institutionen überwiegend als gut. Die meisten Schwierigkeiten werden bei den Ausführungsbestimmungen gesehen, die Förderziele und den vorgesehenen Zeitrahmen der Förderung nicht immer in Einklang brachten. Auch für die Implementation wurden nahezu durchwegs gute Noten verteilt, wobei grössere Fördermassnahmen tendenziell etwas besser als kleine abgeschnitten haben. Einzig der Kommunikation und Koordination zwischen den im Rahmen der Förderung involvierten Institutionen wurde bei einigen Massnahmen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.Barjak (2013) stellt weiter fest, dass die Innovationsförderung gemäss dem Urteil der Evaluationen in den meisten Fällen ihre technologischen Ziele erreicht hat. Abstriche gibt es bei den davon abgeleiteten wirtschaftlichen Zielen: Markteinführung von Innovationen, Kommerzialisierung von Projektergebnissen, Stärkung einer Branche durch neue Produkte und Gründungen konnte nicht immer wie vorab formuliert realisiert werden.

Hoher Zusatznutzen beim Verhalten


Hotz-Hart und Rohner (2013) haben die verschiedenen Fördermassnahmen der KTI in vier Gruppen eingeteilt: Wissens- und Technologietransfer, Aktionsprogramme, Projektförderung und Unternehmertum (siehe Kasten 2

Die vier idealtypischen Fördermassnahmen der KTI


Auf der Grundlage des Ziels der jeweiligen Fördermassnahme lassen sich vier Interventionstypen der KTI unterscheiden:

  • Wissens- und Technologietransfer (WTT): Durch professionell geführte WTT-Konsortien wurde das Ziel verfolgt, die Zusammenarbeit der Unternehmen mit den Hochschulen zu verstärken und auszubauen.
  • Aktionsprogramme: In den 1990er-Jahren hat die KTI, oft zusammen mit Kantonen und Partnern aus der Industrie, sogenannte Aktionsprogramme entworfen und durchgeführt. Die Ziele dieser Interventionen bestanden darin, wissenschaftliche und technische Kompetenzen in strategisch wichtigen Themen bei Fachhochschulen und ETH aufzubauen und die Anwendungskompetenzen der Privatwirtschaft in den neuen Technologien zu stärken.
  • KTI-Projektförderung: Das wichtigste Instrument der KTI stellen Verbundprojekte zwischen Hochschulen und Unternehmen dar. Dabei fliessen die KTI-Gelder ausschliesslich an die öffentliche Forschungsstätte, wo sie hauptsächlich die Personalkosten für wissenschaftliche Mitarbeitende abdecken. Vom beteiligten Wirtschaftspartner wird ein Engagement von mindestens 50% der Projektkosten vorausgesetzt.
  • Unternehmertum: Die Realisierung und Verbreitung von Innovationen am Markt über die Gründung von Unternehmen ist mit besonderen Risiken und Unsicherheiten verbunden. Die Förderung der Initiative «CTI Start-up» konzentriert sich auf eine intensive Betreuung und Beratung von Jungunternehmen in der Frühphase der Unternehmensentwicklung. Um die Informationsasymmetrie zwischen Jungunternehmern und potenziellen Investoren abzubauen, wird Jungunternehmen, die im Urteil von Experten eine bestimmte Qualität erreichen, zudem ein Qualitätslabel verliehen. Dieses soll potenziellen Investoren als Signal dienen und die Risiken für sie besser beurteilbar machen. Ebenfalls in diesem Aktionsfeld anzusiedeln ist die Initiative «Venturelab», die das Ziel verfolgt, Studierende für Unternehmertum und Gründung zu sensibilisieren und entsprechend weiterzubilden.


). Zu Auswertungszwecken wurden auf der Mikro-Ebene vier Wirkungsdimensionen unterschieden: Wissenschaft und Technologie (z.B. verbesserte wissenschaftlich-technologische Fähigkeiten), Organisation (z.B. neue Kontakte und Abläufe), Markt (z.B. Innovationen) und Arbeit (z.B. Mitarbeiterzuwachs).Die Analyse der Additionalität zeigt bei allen vier Gruppen von Massnahmen Gemeinsamkeiten bezüglich des Zusatznutzens beim Verhalten (siehe Tabelle 1). Dies gilt besonders für den Aufbau von Wissen und Kompetenzen, wenn auch in unterschiedlichen Bereichen. Im Rahmen der Aktionsprogramme und der Projektförderung gelang der Aufbau von wissenschaftlichem und technischem Wissen sowie Fähigkeiten bei Hochschulen und Wirtschaftspartnern. Beim Unternehmertum wurde ein Kompetenzgewinn bezüglich Strategie und Organisation erzielt. Die Wirkung der WTT-Initiative, welche den Bekanntheitsgrad von Wissen und Technologien in der Privatwirtschaft erhöhen will, ist eher bescheiden. Abgesehen von der Förderung des Unternehmertums bewirken alle Interventionen eine Stärkung der Kontakte zwischen Hochschulen und Industrie. Sowohl die WTT-Initiative als auch die Aktionsprogramme und die Projektförderung führen zu intensiveren und stabileren Beziehungen zwischen diesen Partnern.Die Wirkungen der Initiative zum Wissens- und Technologietransfer sind im Vergleich zu den übrigen Interventionstypen relativ beschränkt. Neben den bereits erwähnten Wirkungen werden aufseiten von Input und Output keine weiteren Effekte festgestellt. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass der zeitliche Abstand zwischen der jeweiligen Massnahme und deren Evaluation zu kurz war.

Mehr Studiengänge und bessere Qualität der Lehre


Im Unterschied dazu konnte sich der Interventionstyp Aktionsprogramme besonders durch den Aufbau von Studiengängen und Qualitätsverbesserungen der Lehre auszeichnen. Hintergrund bildete das politische Ziel, die wissenschaftlichen und technischen Kompetenzen der Hochschulen (v.a. Fachhochschulen und ETH) aufzubauen und die Anwendungskompetenzen der Privatwirtschaft bei neuen Technologien zu stärken. Die berücksichtigten Evaluationsstudien dokumentieren eindrücklich, dass dieses Ziel durch die Entwicklung von neuen Bildungsangeboten und die Verbesserung von bestehenden Kursen erreicht wurde. Es ist jedoch auch festzustellen, dass im Rahmen der Aktionsprogramme weder unmittelbare Markt-, noch Arbeits- bzw. Beschäftigungswirkungen festgestellt wurden. Aufseiten von Input und Output wurden nur geringe Effekte (zusätzliche finanzielle Mittel für Bildung, Beratung und F&E, einige Publikationen) nachgewiesen. Die vom Bund zum Teil verlangte und auch effektiv geleistete komplementäre Finanzierung der Programme durch Beiträge der Kantone wurde von den Evaluationsstudien wahrscheinlich aufgrund ihrer spezifischen Fragestellungen nicht beachtet. Die Aktionsprogramme dürften also zusätzliche Wirkungen aufweisen, die über den Fokus der berücksichtigten Evaluationen hinausgehen.

Höhere F&E-Aufwendungen in der Industrie


Neben vielseitigen Effekten auf der Output-Seite – wie etwa Prozessinnovationen, Umsatzsteigerungen und Patentanmeldungen – liegt das Charakteristische der KTI-Projektförderung insbesondere darin, dass diese zu höheren F&E-Aufwendungen bei den Industriepartnern führt. Da die KTI eine subsidiäre Förderung betreibt und vom beteiligten Wirtschaftspartner ein Engagement von mindestens 50% der Projektkosten voraussetzt, erstaunt dieses Resultat nicht. Diese Förderung hat also eine Additionalität des Inputs zur Folge, indem sie zusätzliche F&E-Anstrengungen der teilnehmenden Unternehmen auslöst. Die Wirkungen dieses Interventionstyps fallen demnach vor allem im Bereich von Wissenschaft und Technologie an. Die berücksichtigten Evaluationsstudien deuten darauf hin, dass die KTI-Förderung den Firmen ermöglicht, grössere Projekte durchzuführen und dabei ein höheres Risiko einzugehen. Ohne KTI-Gelder werden die Projekte anwendungsorientierter ausgerichtet. Mögliche Mitnahmeeffekte werden also durch die grössere Forschungstiefe aufgewogen. Die Projektförderung dürfte damit ihr Ziel, die Umsetzung und Verbreitung von neuem, technikrelevantem Wissen zu verbessern, mehrheitlich erreichen.

Mehr Risikokapital für Start-ups


Die Wirkungen der Förderung des Unternehmertums sind komplementär dazu gelagert. Während bei der Verhaltens-Additionalität – abgesehen vom Kompetenzgewinn bezüglich Strategie und Organisation der Jungunternehmer – kaum Effekte auszumachen sind, zeigen sich aufseiten Input und Output eindeutige Wirkungen. Da die Entwicklung einer Innovation zur Marktreife ein höchst risikoreicher- und zeitintensiver Prozess ist, stellt die Finanzierung für das Überleben von innovativen Jungunternehmen ein kritischer Erfolgsfaktor dar. Die berücksichtigten Evaluationsstudien zeigen, dass es die KTI-Start-up-Unterstützung den Unternehmen ermöglichte, mehr Venture-Kapital als vergleichbare Start-up-Projekte ohne KTI-Hilfe zu akquirieren, was eine Additionalität des Inputs belegt. Zusätzlich können die geförderten Jungunternehmen eher am Markt bestehen, haben bessere Überlebenschancen und verzeichnen einen stärkeren Mitarbeiterzuwachs als vergleichbare Firmen ohne KTI-Förderung. Diese Wirkungen auf der Output-Seite deuten darauf hin, dass die KTI ihr Ziel erreicht, innovative Jungunternehmen bei der Umsetzung von neuen Technologien am Markt zu fördern. Beachtlich ist dabei besonders, dass es durch den gewählten Ansatz gelingt, ohne direkte finanzielle Förderung Additionalitäten sowohl beim Verhalten als auch aufseiten Input und Output zu erzeugen. Entsprechende Wirkungen sind auf den Ebenen Markt, Organisation und Arbeit festzustellen.

Nur sehr begrenzte Objektivierung durch Evaluationsstudien


Gemäss dem Ansatz evidenzbasierter Politik soll über Interventionen anhand von empirisch gesicherten Erkenntnissen entschieden werden – im Gegensatz zu deren Wahl aufgrund von ideologischen Orientierungen oder materiellen Interessen. Auch wenn die hehre Absicht anzuerkennen ist, zeigen die untersuchten Studien, dass einer evidenzbasierten Innovationspolitik deutliche Grenzen gesetzt sind. Dies hängt hauptsächlich mit der mangelnden Robustheit von Resultaten aus Evaluationsstudien zusammen. Evaluationen im Innovationsbereich müssen den Umstand berücksichtigen, dass die eindeutige Messung von Effekten schwierig ist, da verschiedene Ursachen für eine bestimmte Wirkung verantwortlich sind, wobei viele von der Intervention nicht beeinflussbar sind. Das Problem verschärft sich zusätzlich, wenn mittel- und längerfristig angelegte Effekte (Impacts und Outcomes) bestimmt werden sollen, also die sozioökonomischen Veränderungen, die aufgrund der Innovationsfördermassnahme stattfinden. Den genauen Nutzen einer innovationspolitischen Massnahme zu beziffern, ist also schwierig, und erhobene Kennzahlen sind mit Vorsicht zu interpretieren. Evaluationsstudien können die Objektivierung der Debatte somit nur beschränkt unterstützen.

Anzustreben ist eine durch Evidenz beeinflusste Politik


In den meisten Fällen gibt es keine objektiv richtige, also durch Evidenz vollständig begründbare oder ableitbare Politik. Letztlich sind viele politische Massnahmen zwingend mit einem Entscheid über ein Werturteil verbunden und damit materiellen Interessen und/oder parteipolitischen Orientierungen unterworfen. Wissenschaftliche Evidenz ist differenziert zu betrachten. Sie sollte im politischen Entscheidungsprozess einen wichtigen Stellenwert einnehmen, kann normative Entscheide jedoch oft nur unterstützen, aber nicht ersetzen. Realistischerweise ist eine evidenzbasierte Politik im ursprünglichen Sinne kaum möglich; anzustreben ist vielmehr eine durch Evidenz beeinflusste Politik.

Tabelle 1: «Erhärtete Wirkungen der vier untersuchten Interventionstypen der Innovationsförderung»

Kasten 1: Verschiedene Arten der Additionalität

Verschiedene Arten der Additionalität


Die Input-Additionalität untersucht, inwiefern die staatlichen Massnahmen zusätzliche Aufwendungen für innovative Aktivitäten aufseiten der beteiligten Akteure bewirken. Die Frage lautet, welche Mehrinvestitionen die staatliche F&E-Förderung bei den betroffenen Organisationen auslöst. Im Rahmen von Innovationen betrifft dies insbesondere die finanziellen Aufwendungen für F&E-Tätigkeiten und das eingesetzte Humankapital. Falls diese Mehrinvestitionen nahe bei null liegen, spricht man von einem Mitnahmeeffekt, da die Akteure Geld erhalten für Tätigkeiten, die sie ohnehin durchgeführt hätten.

Die staatlichen Fördermassnahmen können aber auch breitere Effekte haben, indem sie das allgemeine Innovationsverhalten der betreffenden Akteure beeinflussen. Die Behavioural-Additionality bzw. Additionalität des Verhaltens umfasst Bewusstseins-, Einstellungs- und Verhaltensänderungen aufseiten der betroffenen Organisationen, die durch die Fördermassnahmen entstanden sind. Beispiele sind etwa der Aufbau von neuen Fähigkeiten und Kenntnissen, die Entwicklung von Netzwerken und die Verbesserung der internen Organisation. Die Additionalität des Verhaltens ist nur schwerlich quantitativ messbar und diffuser als die Input-Additionalität.

Die Output-Additionalität umfasst die Leistungen der betroffenen Organisationen, die aufgrund der staatlichen Förderung entstanden sind. Bei Firmen stehen die kommerziellen Auswirkungen der Intervention im Zentrum, also die neuen Produkte, Prozesse und Dienstleistungen, während es bei den Hochschulen etwa um Publikationen oder Patente gehen kann, welche dank der öffentlichen Förderung generiert wurden. Neben den Outputs erfasst diese Art der Additionalität auch Outcomes und Impacts, also die mittelfristigen Wirkungen der Intervention bei den Adressaten und die langfristigen sozioökonomischen Veränderungen, die aufgrund der innovationspolitischen Massnahme eintreten.

Quelle: Good (2006).
Kasten 2: Die vier idealtypischen Fördermassnahmen der KTI

Die vier idealtypischen Fördermassnahmen der KTI


Auf der Grundlage des Ziels der jeweiligen Fördermassnahme lassen sich vier Interventionstypen der KTI unterscheiden:

  • Wissens- und Technologietransfer (WTT): Durch professionell geführte WTT-Konsortien wurde das Ziel verfolgt, die Zusammenarbeit der Unternehmen mit den Hochschulen zu verstärken und auszubauen.
  • Aktionsprogramme: In den 1990er-Jahren hat die KTI, oft zusammen mit Kantonen und Partnern aus der Industrie, sogenannte Aktionsprogramme entworfen und durchgeführt. Die Ziele dieser Interventionen bestanden darin, wissenschaftliche und technische Kompetenzen in strategisch wichtigen Themen bei Fachhochschulen und ETH aufzubauen und die Anwendungskompetenzen der Privatwirtschaft in den neuen Technologien zu stärken.
  • KTI-Projektförderung: Das wichtigste Instrument der KTI stellen Verbundprojekte zwischen Hochschulen und Unternehmen dar. Dabei fliessen die KTI-Gelder ausschliesslich an die öffentliche Forschungsstätte, wo sie hauptsächlich die Personalkosten für wissenschaftliche Mitarbeitende abdecken. Vom beteiligten Wirtschaftspartner wird ein Engagement von mindestens 50% der Projektkosten vorausgesetzt.
  • Unternehmertum: Die Realisierung und Verbreitung von Innovationen am Markt über die Gründung von Unternehmen ist mit besonderen Risiken und Unsicherheiten verbunden. Die Förderung der Initiative «CTI Start-up» konzentriert sich auf eine intensive Betreuung und Beratung von Jungunternehmen in der Frühphase der Unternehmensentwicklung. Um die Informationsasymmetrie zwischen Jungunternehmern und potenziellen Investoren abzubauen, wird Jungunternehmen, die im Urteil von Experten eine bestimmte Qualität erreichen, zudem ein Qualitätslabel verliehen. Dieses soll potenziellen Investoren als Signal dienen und die Risiken für sie besser beurteilbar machen. Ebenfalls in diesem Aktionsfeld anzusiedeln ist die Initiative «Venturelab», die das Ziel verfolgt, Studierende für Unternehmertum und Gründung zu sensibilisieren und entsprechend weiterzubilden.


Kasten 3: Literatur

Literatur

  • Barjak, F. (2013): Wirkungen innovationspolitischer Fördermassnahmen in der Schweiz. Bern: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI.
  • Berwert, A., Zehnder, M. (2006): Wirksamkeitsanalyse der KTI-Förderung im Rahmen des Strategischen Controlling. Vergleich mit ausländischen Förderorganisationen – Konzeptionelle Grundlagen, Indikatoren und Erhebungsinstrumente. Bern: Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT.
  • Cartwright, N., Hardie, J. (2012): Evidence-Based Policy: A Practical Guide to Doing It Better. Oxford: Oxford University Press.
  • Georghiou, L., Rigby J., Cameron, H. (Hrsg.) (2002): Assessing the Socio-Economic Impacts of the Framework Programme. Manchester: University of Manchester.
  • Good, B. (2006): Technologie zwischen Markt und Staat – Die Kommission für Technologie und Innovation und die Wirksamkeit ihrer Förderung. Zürich/Chur: Rüegger Verlag.
  • Hotz-Hart, B., Rohner, A. (2013): Wirkungen innovationspolitischer Fördermassnahmen in der Schweiz. Stand der Forschung, Synthese bestehender Evaluationsstudien und Empfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung. Bern: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI.
  • Rhomberg, W.; Steindl, C., Weber, M. (2006): Neue Entwicklungen im Bereich der Wirkungsanalyse und -abschätzung FTI-politischer Maßnahmen. Wien: Austrian Research Centers.
  • van der Veen, G., Arnold, E., Boekholt, P., Deuten, J,; Horvath, A., Stern, P., Stroyan, J. (2012): Evaluation of Tekes – Final Report. Helsinki: Ministry of Employments and of the Economy.
  • Widmer, T., De Rocchi, T. (2012): Evaluation. Grundlagen, Ansätze und Anwendungen. Zürich/Chur: Rüegger Verlag.

Zitiervorschlag: Beat Hotz-Hart, Adrian Rohner, (2013). Wie wirksam sind Massnahmen der Schweizer Innovationsförderung. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.