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Die Kraft der Rollenbilder in der Karriere von Frauen in Naturwissenschaften und Technologie

Frauen in Naturwissenschaften und Technologie erfahren Nachteile, welche kaum sichtbar sind, sich im Laufe ihrer Karriere aber akkumulieren und sie benachteiligen. Dagegen wirken Transparenz und Grundsätze über vorhandene Mittel und deren Verteilung sowie das gezielte Einsetzen von Wissenschaftlerinnen in Entscheidungsgremien. Dafür engagiert sich das ETH Women Professors’ Forum.

Die Metapher der gläsernen Decke illustriert die Situation der Frauen: Sie haben die Möglichkeit, mitzuentscheiden und Einfluss zu nehmen, zwar in Sichtweite; der Zugang dazu bleibt jedoch verwehrt. Ein anderes Bild, um zu zeigen, warum mehr Männer als Frauen in der Physik forschen und lehren, verwendet die Physikprofessorin Amy Bug: das der «unsichtbaren Gegenströmung».

Offenbar üben stereotype Rollenbilder von Frauen und Männern eine Art unsichtbare Kraft gegen Forscherinnen und Dozentinnen aus. Das förderte Amy Bugs Experiment[1] zutage, in dem Schauspielerinnen und Schauspieler vor verschiedenen Klassen nach gleichem Drehbuch Physik lehrten und anschliessend von den Studierenden bewertet wurden. Die Auswertung zeigte, dass «der Professor» im Schnitt als fähiger beurteilt wurde als «die Professorin». Dieses Experiment zeigt wie viele Studien auch, dass wir uns bei der Beurteilung anderer Menschen von impliziten Rollenbildern leiten lassen. Das bedeutet für eine Wissenschaftlerin in einer Männerdomäne wie der Physik, dass sie von der Mehrheit der Studierenden und Fachleute weniger gut bewertet wird als ihr Kollege, trotz gleich gutem oder besserem Leistungsausweis.

Dieses implizite Voreingenommensein ist ein kaum sichtbarer Nachteil, der sich mit der Zeit akkumuliert und weitreichende Folgen für die Karriere einer Wissenschaftlerin hat. Sie erlebt im Laufe ihrer Forschertätigkeit, wie Kollegen mit gleichem oder geringerem Leistungsausweis zusätzliche Forschungsmittel oder Auszeichnungen erhalten. Und sie wundert sich, warum sie trotz anerkannter Forschungsresultate und viel zitierter Publikationen immer wieder übergangen wird. Im schlimmsten Fall treibt es sie aus der Akademie.

Transparenz und Grundsätze für die Mittelverteilung


Um zu vermeiden, dass Frauen aus der akademischen Laufbahn gedrängt werden, gibt es seit einigen Jahren verschiedene Initiativen an der ETH Zürich wie Fix the Leaky Pipeline! oder die Sensibilisierungskampagne Check Your Stereotypes.[2] Dennoch öffnet sich nach dem Doktorat weiterhin die Schere zwischen Männern und Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik (Mint) verfolgen.[3] Zur gewählten Professur schaffen es noch immer ganz wenige Frauen: Ende 2013 waren es an der ETH Zürich gerade 39 Professorinnen gegenüber 360 Professoren. Doch der professorale Nachwuchs lässt Hoffnung aufkommen: Unter den Assistenzprofessuren (auf maximal sechs Jahre befristet) gibt es 22 Frauen gegenüber 58 Männern.

Grossen Einfluss auf die akademische Laufbahn haben zur Verfügung stehende Forschungsgelder, Laborplätze und Personal. Über solche Ressourcen entscheiden Gremien, die mehrheitlich oder ausschliesslich aus Männern bestehen; sie sind die Hüter über deren Informationen und Verteilung. Damit Forscherinnen und Professorinnen nicht wegen der «unsichtbaren Gegenströmung» benachteiligt werden, braucht es Transparenz und Grundsätze über die vorhandenen Mittel und deren Verteilung.

Eine Option wäre, Gremien wie zum Beispiel die Forschungskommission der ETH Zürich paritätisch mit Männern und Frauen zu bestellen. Ähnliche Massnahmen ergreift das Research Council of Norway, das gezielt die Frauen in Budgetfragen einbezieht, weil es darin den Schlüssel für ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter in Forschung und Lehre erkannt hat.[4]

Aufweichen der stereotypen Rollenbilder


Um die Anliegen der Professorinnen bei den Entscheidungsträgern der ETH Zürich einzubringen, wurde 2012 das ETH Women Professors’ Forum (ETH WPF) gegründet. Zudem wollen die Professorinnen als Vorbilder junge Frauen dazu bewegen, in Mint-Bereichen zu forschen und Karriere zu machen. Denn ein höherer Anteil von Frauen in diesen Bereichen soll stereotype Rollenbilder aufweichen und der Wissenschaft wie der Industrie ermöglichen, mehr weibliche Talente zu gewinnen. Es ist wichtig, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Forschung repräsentiert sind, zumal die Forschung mit Unterstützung der und für die Gesellschaft forscht.

  1. Amy Bug: Swimming Against the Unseen Tide, in: Physics World, August 2010, S. 16–17. []
  2. Siehe www.fix-the-leaky-pipeline.ch und www.equal.ethz.ch. []
  3. ETH Gender Monitoring 2012/13: Bericht zur Situation der Gleichstellung von Frauen und Männern in Studium und Wissenschaft. []
  4. The Research Council of Norway: Gender Balance and Gender Perspectives In Research and Innovation – Policy for the Research Council of Norway 2013–2017. []

Zitiervorschlag: Ursula Keller, Daniela M. Meier, (2014). Die Kraft der Rollenbilder in der Karriere von Frauen in Naturwissenschaften und Technologie. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.