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Zentralschweiz: Heterogene Grossregion mit starker Investitionsgüterindustrie

Die sechs Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug bilden zusammen die Grossregion Zentralschweiz. Flächenmässig beansprucht die Zentralschweiz gut einen Zehntel der Schweiz. Sie umfasst sowohl relativ periphere Regionen wie das Entlebuch oder das Urserental als auch Gebiete, welche sehr gut an den Grossraum Zürich angebunden sind. Die Zentralschweiz trumpft mit einer tiefen Steuerbelastung für Unternehmen wie auch für natürliche Personen auf. Von den günstigen Standortfaktoren profitieren wertschöpfungsintensive Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor und aus der Industrie.
Durch die tiefe Steuerlast sind einige Zentralschweizer Regionen, wie beispielsweise Zug, sehr attraktive Standorte für Firmensitze, aber auch beliebte Wohnstandorte gutverdienender Personen. (Bild: Keystone)

In der Zentralschweiz wohnen 9,5% der Schweizer Bevölkerung, und es werden 8,8% des gesamtschweizerischen Bruttoinlandprodukts (BIP) erwirtschaftet. Entsprechend betrug das BIP pro Kopf 2012 lediglich 93% des Schweizer Mittels. Dies widerspiegelt unter anderem die Bedeutung der Zentralschweiz als Wohnregion.

Dynamische wirtschaftliche Entwicklung…


Die Grossregion punktete über die letzten zehn Jahre mit einem vergleichsweise hohen Wirtschaftswachstum und einer dynamischen Entwicklung der Anzahl Erwerbstätigen (siehe Grafik 2). In der Summe schneidet die Zentralschweiz im Performance Index – der das Wohlstandsniveau und das Wachstum berücksichtigt – leicht unter dem Schweizer Mittel ab (siehe Grafik 1). Aufgrund der überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Dynamik ist beim BIP pro Kopf eine gewisse Konvergenz zum Schweizer Mittel auszumachen (2007: 91%).

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Im internationalen Vergleich schneidet die Zentralschweiz punkto wirtschaftlicher Performance deutlich über dem westeuropäischen Mittel von 100 ab. Von den betrachteten Vergleichsregionen erreichen einzig Nord-Holland (mit der Metropole Amsterdam) und Tirol ähnlich hohe Werte. Insgesamt konnte sich die Zentralschweiz im internationalen Vergleich gegenüber der letzten Artikelserie von BAK Basel in dieser Zeitschrift bezüglich Wirtschaftskraft deutlich verbessern. Im damals betrachteten Zeitraum 1990–2006 entwickelte sie sich – wie auch der Rest der Schweiz – noch schwächer als der westeuropäische Durchschnitt. 1 Vgl. Die Volkswirtschaft 10-2008, S. 35–39.Neben der starken Performance der Zentralschweiz ist dies auch auf die im Zuge der Finanz- und Schuldenkrise schleppende Konjunktur in Europa zurückzuführen.

… dank international sehr hoher Standortattraktivität


Bezüglich Standortattraktivität schneidet die Zentralschweiz im internationalen Vergleich – ähnlich wie die Schweiz insgesamt – vorzüglich ab. Der Attractiveness Index liegt mit  114 Punkten deutlich über dem westeuropäischen Durchschnitt und den Werten der betrachteten Vergleichsregionen. Die hohe Standortattraktivität der Zentralschweiz im internationalen Vergleich basiert insbesondere auf dem ausserordentlich milden Steuerklima sowie der relativ schwachen Regulierung des Arbeitsmarktes und der Produktemärkte in der Schweiz. Das zukünftige Potenzial der regionalen Wirtschaft – dargestellt im Potential Index – ist im internationalen Vergleich ebenfalls stark überdurchschnittlich (122 Punkte). Einerseits besitzen Branchen, denen hohe Wachstumschancen zugesprochen werden, eine hohe regionale Bedeutung. Andererseits ist die Zentralschweiz in ihren Schlüsselbranchen überdurchschnittlich produktiv und damit im internationalen Wettbewerb besonders gut gerüstet.

Dominanter Grosshandel


Bei der Betrachtung der Branchenstruktur fällt in erster Linie der überdurchschnittliche Wertschöpfungsanteil des Handels von 20% auf (siehe Grafik 3). Dabei hat der Handel in den letzten Jahren noch an Gewicht gewonnen (2007: 18%). Dieser hohe Anteil ist primär auf das starke Gewicht des Grosshandels zurückzuführen, welcher in der Grossregion mit 14% einen deutlich höheren Wertschöpfungsanteil als im Schweizer Mittel (10%) aufweist. Im Kanton Zug erreichte diese Branche 2013 gar einen Anteil von 27% an der kantonalen Bruttowertschöpfung. Die hohen Wertschöpfungsanteile in Zug bzw. in der Zentralschweiz sind unter anderem auf den Sitz von Glencore, einem der weltweit grössten Rohwarenhändler, in Baar zurückzuführen.

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Mit einem Anteil von 10% hat auch die Investitionsgüterindustrie (ohne Uhren) gegenüber dem Schweizer Mittel einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil an der gesamten Wertschöpfung der Grossregion. Daneben weist die Zentralschweiz bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen (wie Unternehmensführung oder Rechts- und Steuerberatung) überdurchschnittliche Wertschöpfungsanteile auf. Dies widerspiegelt insbesondere die guten Rahmenbedingungen in den Kantonen Schwyz und Zug für das Errichten von Firmenhauptsitzen. Auf der anderen Seite weist die Zentralschweiz im Vergleich mit dem Schweizer Durchschnitt einen kleineren öffentlichen Sektor und eine weniger bedeutende chemisch-pharmazeutische Industrie auf. Auch der Finanzsektor der Grossregion ist insgesamt relativ klein, weist jedoch regional deutliche Unterschiede auf: Im Kanton Luzern tragen die Versicherungen (z. B. Suva, CSS, Concordia) im Vergleich zum Schweizer Mittel überdurchschnittlich viel zur Wertschöpfung bei; in den Kantonen Nidwalden, Schwyz und Zug gilt dasselbe für die «sonstigen Finanzdienstleistungen» wie beispielsweise das Fondsmanagement.

Die Betrachtung des Wachstums nach Branchen über die letzte Dekade zeigt, dass sich die in der Zentralschweiz stark vertretenen Branchen auch sehr dynamisch entwickelten: Die Investitionsgüterindustrie, der Handel und die unternehmensbezogenen Dienstleistungen wuchsen in der Grossregion über die letzten zehn Jahre allesamt deutlich über dem Schweizer Mittel. Diese drei Branchen haben in den letzten Jahren zusammen über 50% zum Wachstum der Zentralschweizer Wirtschaft beigetragen. Alleine auf den Handel entfielen 30% dieses Wachstums.

Herausgegriffen: Zentralschweizer Investitionsgüterindustrie


Die im Vergleich zum Schweizer Mittel bedeutungsvolle Investitionsgüterindustrie weist regional keine grössere Konzentration auf. Sie verteilt sich ziemlich gleichmässig über das Gebiet der Zentralschweiz (siehe Grafik 4). Mehrere grosse Traditionsunternehmen haben in der Grossregion ihren Standort. Dazu gehören beispielsweise die Konzerne Schindler (Ebikon, Aufzüge), V-Zug (Zug, Haushaltgeräte), Pilatus (Stans, Flugzeuge) oder Ruag (u.a. Emmen und Altdorf, Rüstungsgüter).

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Zwei Beispiele exportorientierter Zentralschweizer Unternehmen der Investitionsgüterindustrie sind Maxon Motor und Thermoplan. Maxon Motor stellt in Sachseln präzise Antriebssysteme bis 500 Watt für die Automobil- und Maschinenindustrie, die Medizintechnik oder die Luft- und Raumfahrt her. Das Unternehmen hat unter anderem Marsfahrzeuge der Nasa mit Komponenten ausgerüstet. Thermoplan produziert in Weggis Kaffeevollautomaten und liefert ihre Produkte seit 1999 unter anderem als Exklusivlieferant an die Kaffeehauskette Starbucks. Beide Beispiele illustrieren die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der Zentralschweizer Investitionsgüterindustrie.

Hohe Standortattraktivität innerhalb der Schweiz


Grafik 5 zeigt verschiedene Dimensionen des Attractiveness Index sowie weitere Faktoren der Standortattraktivität für die Zentralschweiz im Vergleich mit dem Schweizer Mittel. Dabei stechen die weit überdurchschnittlichen Werte bei der Besteuerung von Unternehmen und hochqualifizierten Arbeitnehmenden ins Auge. In diesem Bereich belegt die Grossregion Zentralschweiz eindeutig den Spitzenplatz innerhalb der Schweiz, welche im europäischen Vergleich bei der Steuerlast ohnehin einen Standortvorteil geniesst. Durch die tiefe Steuerlast sind einige Regionen der Zentralschweiz sehr attraktive Standorte für Firmensitze, aber auch beliebte Wohnstandorte gutverdienender Personen. Neben der Besteuerung erreicht die Zentralschweiz bei den Unternehmensneugründungen pro Kopf sehr hohe Werte. Im schweizerischen Vergleich kann hier nur die Südschweiz knapp mithalten. Die vielen Neugründungen hängen in erster Linie mit der Spezialisierung der Grossregion auf Unternehmensführung und -beratung zusammen.

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Auf der anderen Seite weist die Zentralschweiz bei der kontinentalen Erreichbarkeit (gemessen am Zentrum Luzern) unterdurchschnittliche Werte auf. Dies ist insbesondere bedingt durch die Distanz der Stadt Luzern zum Flughafen Zürich. Auch die Erreichbarkeit innerhalb der Schweiz (gemessen auf der Ebene der Gemeinden) ist insgesamt tiefer als im Schweizer Mittel. Allerdings muss hier unterschieden werden: Innerhalb der Schweiz gut erreichbar sind der Kanton Zug, die nördlichen Teilen des Kantons Luzern (inkl. Stadt Luzern) sowie die Schwyzer Gemeinden am Zürichsee. Auf der anderen Seite weisen die Kantone Nid- und Obwalden, Uri, die südlichen Gemeinden des Kantons Schwyz sowie das Entlebuch relativ tiefe Werte bei der Erreichbarkeit auf. Die Universität Luzern wird im hier betrachteten internationalen Hochschulranking nicht bewertet. Die Zentralschweiz erhält beim Shanghai-Index deshalb den Wert null. Bei der Lebensqualität, welche wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Faktoren enthält, liegt die Zentralschweiz genau im Schweizer Mittel.

Enge Verflechtungen mit dem Wirtschaftsraum Zürich


Die gute Erreichbarkeit gewisser Gebiete der Grossregion führt zu einer engen wirtschaftlichen Verflechtung mit der Region Zürich. Die Pendlerströme zeigen, dass die allermeisten Zentralschweizer, die ausserhalb der Grossregion arbeiten, in den Kanton Zürich pendeln. Aufgrund der geografischen Nähe sind dies in erster Linie Erwerbstätige aus den Kantonen Luzern, Schwyz und Zug. Die Grossregion selber verfügt aber auch über zwei grössere Städte mit Zentrumsfunktion: Einerseits pendeln viele Nid- und Obwaldner Erwerbstätige nach Luzern, andererseits Schwyzer, Urner und Luzerner in den Kanton Zug. Von den Zentralschweizer Kantonen weisen alle ausser Zug einen negativen Pendlersaldo bei den Erwerbstätigen auf. Die Kantone bieten entsprechend weniger Arbeitsplätze an, als Erwerbstätige dort wohnhaft sind. Im Unterschied zu anderen Schweizer Grossregionen sind Grenzgänger in der Zentralschweiz kaum ein Thema.

Die unterschiedliche Standortattraktivität und wirtschaftliche Spezialisierung der verschiedenen Regionen der Zentralschweiz tragen zu relativ grossen Disparitäten beim fiskalischen Ressourcenpotenzial bei: Während die Kantone Zug, Schwyz und Obwalden zu den Nettozahlern in den eidgenössischen Finanzausgleich gehören, zählen die Kantone Luzern, Uri und Obwalden zu den Nettoempfängern.

Sehr gute Zukunftsperspektiven


Zusammenfassend hat sich die Zentralschweizer Wirtschaft in der letzten Dekade deutlich dynamischer entwickelt als das Schweizer Mittel: Die regionale Wirtschaft wuchs im Durchschnitt um 3,1% pro Jahr, während die Schweizer Wirtschaft jährlich um 2,1% expandierte. Das erfreuliche Wirtschaftswachstum der Grossregion der letzten zehn Jahre wurde in erster Linie durch den Grosshandel angetrieben, welcher über diesen Zeitraum fast einen Viertel zum Wachstum der Zentralschweizer Wirtschaft beitrug. Mit der grossen Bedeutung dieser Branche ist ein gewisses Abhängigkeitsrisiko verbunden. Sollte der Grosshandel einmal nicht mehr so schnell wachsen oder gar schrumpfen, dürfte sich dies erheblich auf die Wachstumsraten der Zentralschweizer Wirtschaft auswirken. Allerdings ist die regionale Wirtschaft nicht alleine durch den Grosshandel bestimmt. Insbesondere die gut diversifizierte und innovative Zentralschweizer Investitionsgüterindustrie hat in der letzten Dekade auch substanziell zum Wachstum der Grossregion beigetragen. Aufgrund der sehr hohen Standortattraktivität sowie des günstigen Branchenmix ist für die kommenden Jahre weiterhin mit einem überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum in der Zentralschweiz zu rechnen.

Zitiervorschlag: Markus Langenegger (2014). Zentralschweiz: Heterogene Grossregion mit starker Investitionsgüterindustrie. Die Volkswirtschaft, 01. September.