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Der Bundesrat setzt neue Akzente

Mit der Botschaft über die Standortförderung 2016 bis 2019 richtet der Bundesrat seine Instrumente zur Förderung der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz neu aus. Übergeordnetes Ziel bleibt, die Leistungsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft langfristig zu steigern. Neue Akzente ergeben sich insofern, als die Instrumente KMU-Politik, Tourismuspolitik, Regionalpolitik und Aussenwirtschaftsförderung vermehrt auf ein Wirtschaftswachstum abzielen, das auf Innovation beruht, bestehende Potenziale besser nutzt und allen Regionen Entwicklungsperspektiven ermöglicht. Zusätzliche Bedeutung ­erhält die Standortförderung bei der Anpassung der Wirtschaft an die neuen Rahmenbedingungen nach Aufhebung des Euro-Mindest­kurses.

Der Bundesrat setzt neue Akzente

Die Standortförderung des Bundes bietet der Schweizer Wirtschaft wichtige Hilfestellung bei der Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen, die sich mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses ergeben haben. (Bild: Keystone)

Laut Global Competitiveness Report 2014–2015[1] verfügt die Schweiz über die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt. Dies verdankt sie einer Reihe von Rahmenbedingungen, die aus volkswirtschaftlicher Sicht als sehr gut zu bezeichnen sind. Als Stärken gelten insbesondere die hohe Wirtschaftsfreiheit, der flexible Arbeitsmarkt, die ausgezeichnet ausgebildete Bevölkerung, die hochwertige Infrastruktur, die gute Fiskalpolitik, die hohe Lebensqualität, vertrauenswürdige staatliche Institutionen und die Abwesenheit einer strukturerhaltenden Wirtschaftspolitik. Verschiedene Innovationsindizes wie der Global Innovation Index oder das Innovation Union Scoreboard der EU zählen die Schweiz zu den innovativsten Ländern der Welt. Über die letzten zehn Jahre entwickelte sich das Wirtschaftswachstum in der Schweiz trotz schwerer Krise im internationalen Vergleich überdurchschnittlich.
Vergleicht man die Standortattraktivität der Schweizer Regionen untereinander, ergibt sich ein differenziertes Bild. Gemäss einer Studie[2] weisen die Kantone Zug und Zürich die höchste Standortqualität aus, gefolgt von Basel-Stadt, Schwyz, Aargau, Nidwalden und Luzern. Im breiten Mittelfeld positioniert sich eine Reihe von Agglomerationskantonen. Unterhalb des Landesmittels liegen vorwiegend ländliche und gebirgige Kantone und Regionen. Das Regionenmonitoring von Regiosuisse[3] zeigt auf, dass der periphere ländliche Raum bei den meisten Indikatoren der regionalen Entwicklung ein tieferes Niveau aufweist als die anderen Raumtypen und sich schwächer entwickelt. Vergleichsweise dynamisch zeigt sich der stadtnahe, sogenannte periurbane ländliche Raum, während die Agglomerationen und Städte obenaus schwingen. Im internationalen Vergleich verfügen die Schweizer Regionen über eine sehr hohe Wettbewerbsfähigkeit, und die regionalen Disparitäten sind gering.

Zunehmende Wachstumskritik


Trotz ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit steht die Schweizer Wirtschaft vor bedeutenden Herausforderungen. Dazu gehört die durch die Aufhebung des Euro-Mindestkurses akzentuierte Frankenstärke, aber auch der längerfristige, stete wirtschaftliche Strukturwandel. Die Globalisierung von Kapital-, Güter-, Dienstleistungs- und Personenströmen sowie die steigenden Anforderungen der zunehmend wissensbasierten Ökonomie fordern Unternehmen und Arbeitskräfte heraus und intensivieren den Standortwettbewerb um mobile Produktionsfaktoren.
In den vergangenen zwei Jahren wurde in der Schweiz eine zunehmende Wachstumskritik laut, insbesondere im Zusammenhang mit der Zuwanderung, der steigenden Bevölkerungszahl und dem wachsenden Raum- und Ressourcenverbrauch. Die Sensibilität breiter Kreise gegenüber diesen Nebenwirkungen des Wirtschaftswachstums kam in verschiedenen Volksabstimmungen zum Ausdruck, beispielsweise zur Zweitwohnungs- und zur Masseneinwanderungsinitiative oder zum neuen Raumplanungsgesetz. Die Standortförderung des Bundes 2016 bis 2019 trägt diesen aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen Rechnung.

Standortförderung im Dienst von Innovation und regionaler Entwicklung


Die für das Wirtschaftswachstum erforderliche Wettbewerbsfähigkeit erarbeiten sich die Schweizer Unternehmen zur Hauptsache selbst. Der Staat hat in erster Linie für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Daneben beeinflussen weitere Faktoren die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. So profitieren Unternehmen von einem qualitativ hochstehenden Arbeits- und Absatzmarkt, von verfügbarem hochwertigem Wissen, von einer grossen Dichte an Zulieferbetrieben oder von der Nähe und der Anzahl wichtiger Kunden. Diese unternehmensexternen Faktoren werden als Standortvorteile bezeichnet. Standortvorteile begünstigen die Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten und die Entstehung lokaler ökonomischer Netzwerke, die insbesondere für Innovationsaktivitäten bedeutend sind. Sie führen dank Grössen- oder Verbundvorteilen zu einer höheren Produktivität und verstärken wiederum die Standortvorteile – dies zugunsten der bestehenden wie auch der neu zuziehenden Unternehmen.
Die Standortförderung des Bundes baut auf den Stärken des Wirtschaftsstandorts Schweiz auf, unterstützt den Strukturwandel und setzt Anreize zur Zusammenarbeit unter standortrelevanten Akteuren. Ihre Tätigkeiten erfüllt sie subsidiär zu privaten Akteuren und Kantonen. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen strebt die Standortförderpolitik des Bundes ein Wirtschaftswachstum an, das auf Innovation und höherer Produktivität basiert, die vorhandenen Potenziale (Infrastrukturen, Arbeitskräfte, Netzwerke) besser nutzt, regionale Entwicklungsperspektiven schafft und mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung in Einklang steht. Sie trägt dazu bei, dass auch im Rahmen der neuen Zuwanderungsbestimmungen Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung geschaffen und strukturschwache Räume gestärkt werden. Wie tragen die einzelnen Instrumente der Standortförderung 2016 bis 2019 zur Erreichung dieser Ziele bei?

E-Government zur administrativen Entlastung der Unternehmen


In seiner Politik zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) setzt der Bundesrat in der Periode 2016 bis 2019 den Schwerpunkt beim E-Government. Die Schweiz liegt im internationalen Vergleich bei E-Government und in der elektronischen Wirtschaft lediglich im Mittelfeld. Das E-Government ist ein probates Mittel, um die administrative Belastung der Unternehmen zu reduzieren und die Produktivität der öffentlichen Verwaltungen zu steigern. Ziel ist es, die Verwaltungstätigkeit mithilfe der Informations- und Kommunikationstechnologie so bürgernah und wirtschaftsfreundlich wie möglich zu gestalten. Im Zentrum steht dabei das Vereinfachen von Bewilligungs-, Antrags- und Meldeverfahren. Ein Instrument dazu ist der Online-Schalter für Unternehmensgründungen StartBiz.ch, bei dem die Unternehmen für die Anmeldung bei Handelsregister, Mehrwertsteuer, AHV und Unfallversicherung auf denselben Datenbestand zurückgreifen. Der Online-Schalter soll schrittweise zu einem «One-Stop-Shop» ausgebaut werden, der unterschiedliche Behördengänge medienbruchfrei auf nationaler, kantonaler und kommunaler Stufe beinhaltet. Er soll den Unternehmen 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr zur Verfügung stehen und über eine elektronische Identität zugänglich sein.

Impulsprogramm zur Unterstützung des Strukturwandels im Tourismus


In der Tourismuspolitik steht 2016 bis 2019 die Umsetzung des Impulsprogramms an, das der Bundesrat im Juni 2013 beschlossen hat. Das Impulsprogramm hat zum Ziel, den infolge der Zweitwohnungsinitiative und der Frankenstärke beschleunigten Strukturwandel zu unterstützen. Es soll über vier Stossrichtungen umgesetzt werden.
Stossrichtung I betrifft die Modernisierung der Beherbergungswirtschaft als zentralen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Tourismus. Der Beherbergungswirtschaft droht mit der Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative ein Verlust an Substanz und Qualität. Um sie zu stärken, setzt das Impulsprogramm auf eine intensivierte Förderung durch die Instrumente Innotour und Neue Regionalpolitik (NRP): In Zukunft sollen verstärkt innovative Geschäftsmodelle oder Kooperationsvorhaben unterstützt werden. Die NRP soll zudem vermehrt öffentlich zugängliche Hotelinfrastrukturen wie Wellnessbereiche und Hallenbäder mitfinanzieren. Weitere zentrale Massnahmen bilden die Modernisierung der Vollzugsbestimmungen der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) sowie die Verlängerung des ursprünglich bis Ende 2015 befristeten Zusatzdarlehens an die SGH.
Stossrichtung II widmet sich der Qualitäts- und Produktentwicklung. Der Schweizer Tourismus leidet gegenüber der ausländischen Konkurrenz unter Preis- und Kostennachteilen, die sich mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses akzentuieren. Diese Preis- und Kostennachteile sind beispielsweise auf höhere Vorleistungs- und Arbeitskosten, auf höhere Erstellungskosten für Hotelprojekte, aber auch auf die Kleinstrukturiertheit auf Betriebs- und Destinationsebene zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund will das Impulsprogramm Anreize zur Produkt- und Qualitätsentwicklung setzen. Als Instrument dient vornehmlich Innotour, das innovative Projekte auf nationaler und regionaler Ebene in bestimmten Schwerpunktthemen (Schneesport, Touring, Pärke) mitfinanziert.
Stossrichtung III zielt auf effizientere Strukturen auf Destinations- und Betriebsebene sowie auf eine verstärkte Zusammenarbeit ab. Heute orientieren sich Destinationen oft stärker an territorialen Grenzen als an Gästebedürfnissen, und sie sind insgesamt zu klein strukturiert. Dadurch verzetteln sie ihre Kräfte, können vom Gast nachgefragte touristische Dienstleistungen nicht anbieten und büssen an Attraktivität ein. Auch auf Betriebsebene dominieren kleingewerbliche Strukturen – mit negativen Effekten auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Stossrichtung III will mittels Innotour- und NRP-Unterstützung Anreize zur Destinationsentwicklung und zu Kooperationen auf betrieblicher Ebene setzen.
Stossrichtung IV schliesslich hat zum Ziel, Wissenslücken zu schliessen, die aufgrund der Zweitwohnungsinitiative nach wie vor bestehen. Unklar sind beispielsweise die Auswirkungen der Zweitwohnungsinitiative auf die Finanzierung von touristischen Infrastrukturen, die für Destinationen zentral sind (Hallenbäder, Eislaufanlage etc.). Das Instrument Innotour hilft mit, neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle ausfindig zu machen und das Wissen zu verbreiten.

Neue Regionalpolitik setzt auf ­regionale Innovationssysteme


In der Neuen Regionalpolitik läuft das erste achtjährige Mehrjahresprogramm des Bundes Ende 2015 aus. Mit der Botschaft über die Standortförderung 2016 bis 2019 legt der Bundesrat dem Parlament das zweite Mehrjahresprogramm vor, das von 2016 bis 2023 dauert. Es wurde unter Einbezug der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) erarbeitet. Konzeptionell basiert das neue Mehrjahresprogramm wie bis anhin auf dem Exportbasisansatz. Das bedeutet: Im Zentrum der Förderaktivitäten stehen Wirtschaftszweige, die ihre Märkte ausserhalb der Region haben und damit als Impulsgeber für die binnenorientierte Wirtschaft wirken. Förderschwerpunkt der NRP bilden die Regionalen Innovationssysteme (RIS). Viele Kantone haben in den letzten Jahren Aktivitäten zur regionalen Innovationsförderung – wie Innovationscoaching, Veranstaltungsreihen oder Cluster – entwickelt und mit NRP-Mitteln mitfinanziert. Mit dem neuen Mehrjahresprogramm sollen einerseits diese Initiativen in funktionalen – in der Regel überkantonalen, teilweise grenzüberschreitenden – Wirtschaftsräumen gebündelt, koordiniert und strategisch ausgerichtet werden, um die Leistungsfähigkeit der regionalen Innovationssysteme zu verbessern. Andererseits sollen für KMU massgeschneiderte Unterstützungsangebote dazu beitragen, die Innovationspotenziale der Unternehmen in den Regionen auszuschöpfen. Neben den Regionalen Innovationssystemen bildet der Tourismus den zweiten Förderschwerpunkt der NRP.

Vermehrt branchenspezifische Angebote in der Aussenwirtschaftsförderung


Für exportierende KMU gewinnt die geografische Diversifikation damit weiter an Bedeutung, um von Konjunkturschwankungen unabhängiger zu werden und Wechselkursrisiken zu senken. Der private Verein Switzerland Global Enterprise (S-GE) unterstützt im Auftrag des Bundes Schweizer KMU, die sich als international konkurrenzfähige Anbieter positionieren und ausländische Märkte erschliessen wollen. Die Nachfrage nach Beratungs- und anderen Dienstleistungen dürfte 2016 bis 2019 weiter zunehmen, ebenso die Komplexität der Anfragen. S-GE beabsichtigt, seine Angebote vermehrt branchenspezifisch auszugestalten und zunehmend zu digitalisieren. Gleichzeitig zeigt S-GE den KMU weiterhin neue, interessante Absatzmärkte auf, beispielsweise dort, wo die Schweiz neue Freihandelsabkommen abschliesst.
Die selbsttragende Schweizerische Exportrisikoversicherung (Serv) deckt die politischen und wirtschaftlichen Risiken beim Export von Gütern und Dienstleistungen. Die Versicherungen und Garantien der Serv bieten Schweizer Exportunternehmen Schutz vor Zahlungsausfall und erleichtern die Finanzierung von Exportgeschäften. Im Bereich der nationalen Standortpromotion koordiniert S-GE im Auftrag des Bundes und der Kantone die diversen Akteure und stellt einen möglichst einheitlichen Auftritt der Schweiz im Ausland sicher. Zudem werden in ausgewählten Märkten potenzielle Investoren identifiziert und an die Kantone weitergeleitet. Die künftige Marktbearbeitung wird noch stärker auf wertschöpfungsintensive und innovative Wirtschaftszweige ausgerichtet. Damit wird noch deutlicher auf Qualität und Nachhaltigkeit anstelle von Quantität gesetzt. Dies soll insbesondere mit der intensivierten Ausrichtung der Aktivitäten von S-GE auf Projekte mit starkem Technologiefokus respektive mit einem Schwerpunkt auf Forschungs- und Entwicklungsfunktionen sowie über die Nutzung von Industriebrachen im Rahmen von Ansiedlungsprojekten erreicht werden.

Neue Akzente und zusätzliche Bedeutung


Der zusammenfassende Blick auf die Ausgestaltung der Instrumente lässt erkennen, wohin die Marschrichtung der Standortförderung im Endeffekt geht: Die wirtschaftliche Leistung soll insbesondere durch eine effizientere und produktivere Verwendung aller Produktionsfaktoren erhöht werden. Damit steht die Standortförderung 2016 bis 2019 in Einklang mit den Stossrichtungen für die Neue Wachstums­politik, die der Bundesrat im Januar 2015 festgelegt hat. Wie der Name zum Ausdruck bringt, trägt die Standortförderung dabei den Potenzialen verschiedener Teilräume in der Schweiz Rechnung. Zusätzliche Bedeutung erhält sie, indem sie den Unternehmen wichtige Hilfestellung bietet bei der Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen, die sich mit der Aufhebung des Euro-­Mindestkurses ergeben haben.
Mit der Botschaft über die Standortförderung 2016 bis 2019 unterbreitet der Bundesrat dem Parlament Finanzierungsbeschlüsse im Umfang von insgesamt 374,2 Mio. Franken. Davon sind vorgesehen:

  • 17,7 Mio. Franken für das E-Government;
  • 30 Mio. Franken für Innotour;
  • 220,5 Mio. Franken für Schweiz Tourismus;
  • 89,6 Mio. Franken für die Exportförderung;
  • 16,4 Mio. Franken für die Standortpromotion.


Zudem soll das Parlament das neue Mehrjahresprogramm der Neuen Regionalpolitik verabschieden und dessen Finanzierung mittels Einlagen in den Fonds für Regionalentwicklung von 230 Mio. Franken über acht Jahre ermöglichen. Das Parlament wird sich in der Sommer- und der Herbstsession 2015 mit der Vorlage befassen.

  1. World Economic Forum (2014), Global Competitiveness Report 2014–2015 []
  2. Credit Suisse (2013), Global Research, Standort­qualität der Schweizer Kantone und Regionen []
  3. Regiosuisse (2014), Monitoringbericht 2013, im Auftrag des SECO []

Zitiervorschlag: Annette Spoerri (2015). Der Bundesrat setzt neue Akzente. Die Volkswirtschaft, 02. März.