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Die Bilanz des heutigen Fördersystems ist aus Sicht des Mieterverbandes durchzogen. Deshalb ist das geplante Lenkungssystem prüfenswert. Damit es funktioniert, müssen die Mietenden jedoch zu Akteuren werden.
Marina Carobbio, Präsidentin Schweizerischer Mieterinnen- und Mieterverband, Nationalrätin (SP/TI).

Standpunkt

Heute haben es jene energiepolitischen Massnahmen einfacher, die dem Gewerbe Vorteile verschaffen und gleichzeitig möglichst wenig in persönliche Entscheidungen eingreifen. So werden eher Gebäude isoliert als das Mobilitätsverhalten gesteuert – das Wohnen in Minergiehäusern wird stärker gefördert als ein Zusammenrücken auf der gleichen Wohnfläche.

Nicht immer ist diese Stossrichtung, die stark auf Fördergelder setzt, für Mietende von Vorteil. Zwar profitieren sie, wenn bei Sanierungen Fördergelder ausgeschüttet werden und die Mietzinsaufschläge deshalb weniger hoch ausfallen. Durch eine höhere Sanierungsrate und vor allem durch Leerkündigungen bei Sanierungen haben sie aber häufig das Nachsehen. Und dies notabene „dank“ Fördergeldern, die sie via CO2-Abgabe mitfinanzierten.

Aufgrund der durchzogenen Bilanz ist der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) offen für eine neue Energiepolitik. Eine wirkliche Lenkungsabgabe kann eine sinnvolle Alternative zum heutigen System sein. Wird verstärkt über das Portemonnaie gelenkt, so können höhere Einsparungen erzielt werden, und die Menschen werden zu Akteuren. Untersuchungen zeigen, dass je nach Sparsamkeit oder Unachtsamkeit der Energieverbrauch für Heizen und Warmwasser um ein Mehrfaches in vergleichbaren Wohnungen schwanken kann.

Energiekonsum pro Wohnung abrechnen

Um die Mieter zu Akteuren zu machen, müssen aber die Voraussetzungen stimmen: Allzu oft sind die Mietenden nicht in der Lage, ihren Energiekonsum zu steuern, oder sie können von ihren Einsparungen nicht profitieren. Soll ein Lenkungssystem im Wohnbereich erfolgreich sein, so muss der Energieverbrauch pro Wohnung abgerechnet werden. Dazu gehört eine verbrauchsabhängige Heiz- und Warmwasserabrechnung.

Ohne diese ist der Sparanreiz nicht vorhanden, und höhere Abgaben sorgen nur für Ärger: Der eine spart und zahlt trotzdem für den Nachbarn mit, der den ganzen Winter das Fenster gekippt hat – was weder für das Energieziel noch für das gute Zusammenleben in einem Haus förderlich ist.

Ebenso sind die Vermieter in der Pflicht – denn beim Stromverbrauch ist wesentlich, welche Geräte in der Wohnung installiert sind. Selbstverständlich gilt dies auch beim Heizungstyp und beim Alter der Anlage. Vor der Einführung einer Lenkungsabgabe muss geklärt werden, ob Mietende energiesparendere Geräte einfordern können, wer sie bezahlt und wer in die Verantwortung genommen wird. Geschieht dies nicht, so verkommt ein Systemwechsel zu einer Alibiübung.

Pro-Kopf-Rückvergütungen sind zentral

Unverständlich ist aus Mietersicht, dass die verschiedenen Modelle, die jetzt diskutiert werden, für die Mobilität keine oder nur eine geringe Lenkungsabgabe vorsehen. Der Energieverbrauch fürs Heizen hat in den letzten Jahren im Gegensatz zum Verkehr abgenommen. Weshalb will man im Gebäudebereich die Schraube weiter anziehen und gleichzeitig die Mobilität nicht verteuern? Opfersymmetrie sieht anders aus.

Und was geschieht mit den Einnahmen aus der Lenkungsabgabe? Für den MV ist klar: Das Geld soll pro Kopf rückerstattet werden. Nur so geht die Abgabe nicht auf Kosten der einkommensschwächsten Bevölkerungsschichten. Diese wohnen oft in schlecht isolierten Liegenschaften und haben deshalb hohe Heizkosten. Sie profitieren aber von einer Rückverteilung mit Pro-Kopf-Beiträgen.

Werden die Gelder dagegen pro Haushalt oder via Steuererleichterungen rückverteilt, so wird die Energieabgabe zusätzlich zu einer Umverteilungsübung von unten nach oben. Das darf nicht sein und war auch ein Kritikpunkt gegenüber der grünliberalen Energieinitiative. Machen wir nicht noch einmal die gleichen Fehler.

Zitiervorschlag: Marina Carobbio (2015). Standpunkt: Energieverbrauch muss für Mieter transparent sein. Die Volkswirtschaft, 22. Mai.