Suche

Abo

Raumplanungsvorlage will Kulturland schützen

Häuser und Strassen verdrängen das Ackerland in der Schweiz in alarmierendem Ausmass. Der Schutz der Fruchtfolgeflächen steht deshalb im Fokus der Raumplanungspolitik des Bundesrates.

Raumplanungsvorlage will Kulturland schützen

Häuser im Kanton Aargau. Kulturland soll in der Schweiz für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben. (Bild: Keystone)

Bei der Vorlage für die erste Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes, zu der die Stimmberechtigten in der Volksabstimmung vom 3. März 2013 mit einer deutlichen Mehrheit Ja gesagt haben, ist es um die Bauzonenbegrenzung und die Förderung der Siedlungsentwicklung nach innen gegangen. Thema der zweiten Etappe ist der bessere Schutz des Kulturlandes – insbesondere der ackerfähigen Böden – vor dem anhaltenden Verbrauch. Weiter sollen laut den Plänen des Bundesrats die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Raumplanung und die Verkehrs- und Energieinfrastrukturen-Planung besser aufeinander abgestimmt werden. Dadurch können entsprechende Nutzungskonflikte in unserem dicht besiedelten Land angemessener gelöst werden.

Zudem zeigt sich immer deutlicher: Die Raumplanung muss den Horizont ihres Analyse- und Handlungsraums über die bestehenden Gemeinde- und oftmals auch Kantonsgrenzen ausdehnen, um die komplexen Aufgaben wirksam angehen zu können. Ein wichtiger Punkt der zweiten Revisionsetappe besteht daher auch darin, günstige Bedingungen für grenzüberschreitende Planungen in sogenannten funktionalen Räumen zu schaffen.

Insgesamt geht es bei der Revision darum, die Raumplanung und ihr Instrumentarium rechtzeitig und aus einem Gesamtzusammenhang heraus für die sich stellenden Aufgaben bereit zu machen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Raumplanung der erforderliche Gestaltungsspielraum erhalten bleibt. Eine wenig zukunftstaugliche Alternative bestünde darin, auf die anstehenden Herausforderungen punktuell in einer Fülle von Minirevisionen des Raumplanungsgesetzes mit unterschiedlichen Ausrichtungen zu reagieren.

Kompensationspflicht sichert Ackerland


Gutes Ackerland gehört zu den knappsten nicht erneuerbaren Ressourcen. Es erfüllt zahlreiche ökologische wie auch ökonomische Funktionen und ist für Mensch und Umwelt von grundlegender Bedeutung. In den vergangenen 30 Jahren ist die Ackerfläche in der Schweiz pro Kopf um einen Drittel gesunken – hauptsächlich aufgrund des Wachstums der für Wohnen und Arbeiten benötigten Siedlungsfläche. Auch die Verkehrsinfrastruktur verdrängte das Ackerland im grossen Stil (vergleiche Abbildung). Insgesamt sind im erwähnten Zeitraum durch Überbauung rund 207 Quadratkilometer Ackerflächen verloren gegangen, was knapp der Fläche des Kantons Zug entspricht.

Gewinne und Verluste von Ackerland (1985–2009)




Quelle: BFS / Die Volkswirtschaft

Weil der Verlust andauert, müssen Massnahmen für einen verbesserten Schutz der ackerfähigen Böden, d. h. der sogenannten Fruchtfolgeflächen, getroffen werden. Damit wird nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der inländischen Ernährungssicherheit geleistet, sondern auch Landschaftsschutz und Biodiversität profitieren davon. Der Kulturlandschutz ist zudem Gegenstand verschiedener hängiger Volksinitiativen. Das zeigt: Auch die Bevölkerung ist sich des Handlungsbedarfs bewusst.

Eine wichtige Massnahme in der Vernehmlassungsvorlage ist die geplante Kompensationspflicht: Werden Fruchtfolgeflächen durch Einzonungen oder direkt durch Bauvorhaben beansprucht, so muss dies grundsätzlich vollumfänglich kompensiert werden. Ausnahmen sind lediglich bei Bauvorhaben von übergeordnetem öffentlichem Interesse vorgesehen: Das sind beispielsweise wichtige Verkehrs- und Energieinfrastrukturen sowie Spitäler und höhere Schulen. Weiter soll bei zonenkonformen Bauten und Anlagen für die Landwirtschaft von einer Kompensation abgesehen werden können, falls sichergestellt ist, dass nach dem Wegfall des landwirtschaftlichen Verwendungszwecks dieser Bauten der Rückbau und eine Rekultivierung des Bodens als Fruchtfolgefläche erfolgen.

Ein strengeres Regime soll gelten, wenn ein Kanton den bundesrechtlich vorgegebenen Mindestumfang an Fruchtfolgeflächen nicht einhält: Einzonungen von Fruchtfolgeflächen sind dann gänzlich ausgeschlossen, und auch Flächenbeanspruchungen durch Vorhaben von öffentlichem Interesse oder durch landwirtschaftliche Vorhaben müssen in diesem Fall vollumfänglich kompensiert werden. Einzig für Bauvorhaben von gesamtschweizerischem Interesse wird der Variantenvorschlag in die Vernehmlassung gegeben, dass von einer Kompensation abgesehen und stattdessen eine Reduktion des vom Standortkanton einzuhaltenden Mindestumfangs infrage kommen kann. Allerdings setzt dies voraus, dass das Interesse am Vorhaben überwiegt und eine Kompensation der beanspruchten Fruchtfolgeflächen nicht möglich ist.

Raumplanung und Infrastrukturentwicklung besser koordinieren


Die Bereitstellung leistungsfähiger und bedarfsgerechter Verkehrs- und Energieinfrastrukturen ist für die weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes zentral. Gleichzeitig bestehen hohe Anforderungen an die Umweltverträglichkeit solcher Anlagen, und die Konflikte verschärfen sich wegen der knappen Raumverhältnisse. Deshalb müssen die Raum- und die Infrastrukturplanung frühzeitiger und umfassender als bisher aufeinander abgestimmt werden. Das soll daher auch in den Zielen und Grundsätzen der Raumplanung berücksichtigt werden.

Weiter soll die gegenseitige Abstimmung dadurch verbessert werden, dass sich der kantonale Richtplan als zentrales raumplanerisches Koordinationsinstrument ausdrücklich mit den Themen Verkehr, Energie, Versorgung und Entsorgung befassen muss.

Gestärkt werden soll ferner die Möglichkeit, Räume frei halten zu können, die langfristig für bauliche Infrastrukturen von nationalem Interesse benötigt werden. Angesichts der langen Planungshorizonte besteht hier ein Bedarf nach einer frühzeitigen Raumsicherung zu einem Zeitpunkt, wo noch keine ausgearbeiteten Detailprojekte vorliegen. Damit wird zudem das Risiko minimiert, dass später hohe Entschädigungen für materielle und formelle Enteignungen geleistet werden müssen.

Mit der zunehmenden Beanspruchung des Untergrunds – insbesondere durch verschiedene Arten von Infrastrukturbauten wie Bahn- und Strassentunnels oder Versorgungsleitungen – besteht ausserdem die Notwendigkeit, dass sich die Planung intensiver und systematischer auch mit dieser Raumdimension auseinandersetzt. Wo Nutzungskonflikte absehbar sind, müssen möglichst frühzeitig Grundvorstellungen für eine geordnete räumliche Entwicklung des Untergrunds erarbeitet werden. Die Vernehmlassungsvorlage fördert dies, indem sie beispielhaft untergrundbezogene Themen nennt, deren sich die kantonale Richtplanung bei Bedarf annehmen soll.

In funktionalen Räumen planen


Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird durch eine gemeinsame Raumentwicklungsstrategie von Bund, Kantonen und Gemeinden gefördert, die auf allen drei Staatsebenen als Entscheidungshilfe dient. Die Strategie soll dabei auf der Basis des bestehenden Raumkonzepts Schweiz erarbeitet und weiterentwickelt werden.

Ein besonderes Augenmerk richtet die Vorlage ferner auf die funktionalen Räume: Gebiete, die wirtschaftlich, gesellschaftlich oder ökologisch eng miteinander verflochten sind und sich gegenseitig ergänzen. Neu sollen die Kantone im Rahmen der Richtplanung prüfen, ob – und inwieweit – solche funktionalen Räume festgelegt werden sollen. In diesen sollen dann die betroffenen Gemeinwesen zu einer gemeinsamen Planung beauftragt werden. Wenn dabei Kantonsgrenzen überschritten werden, ist vorgesehen, dass subsidiär zu den beteiligten Gemeinwesen der Bund die erforderlichen Planungen vorantreiben kann, falls diese nach einer bestimmten Frist nicht vorliegen.

Entfernbare Landwirtschaftsgebäude ausserhalb der Bauzone


Schliesslich sind die Bestimmungen über das Bauen ausserhalb der Bauzonen Gegenstand der zweiten Revisionsetappe. Hier haben die vielen Teilrevisionen der vergangenen rund 20 Jahre zu einem komplexen und unübersichtlichen Regelwerk geführt. Das erschwert einen einheitlichen und konsequenten Vollzug.

Inhaltlich sind keine grundlegenden Änderungen nötig: Insbesondere soll am grundlegenden Prinzip der Trennung von Siedlungsgebiet und Nichtsiedlungsgebiet festgehalten werden. Mit einer klareren systematischen Gliederung der Vorschriften wird jedoch eine bessere Verständlichkeit und Handhabbarkeit der Regelungen angestrebt.

In materieller Hinsicht ist eine Neuerung bezüglich unbewohnter und leicht entfernbarer bewohnter Gebäude vorgesehen. Solche Bauten sollen neu zulässig sein, ohne dass der aufwendige Nachweis der langfristigen Existenzfähigkeit des zugehörigen Betriebs erbracht werden muss. Im Gegenzug hat sich der Gesuchsteller jedoch zu verpflichten, die Baute bei Wegfall eines landwirtschaftlichen Bedarfs wieder zu entfernen. Mit dieser Regelung wird zum einen dem Bedürfnis der im Strukturwandel begriffenen Landwirtschaft nach flexiblen baulichen Lösungen Rechnung getragen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass mit dem Kulturland haushälterisch umgegangen wird und nicht mehr benötigte Bauten keiner landwirtschaftsfremden Nutzung zugeführt werden.

Zitiervorschlag: Thomas Kappeler (2015). Raumplanungsvorlage will Kulturland schützen. Die Volkswirtschaft, 22. Mai.

Vernehmlassungsverfahren ist beendet

Der Bundesrat hat das Vernehmlassungsverfahren zur zweiten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes am 5. Dezember 2014 eröffnet. Frist für die Einreichung von Stellungnahmen war der 15. Mai 2015. Der Beitrag bezieht sich ausschliesslich auf die Vernehmlassungsvorlage und geht nicht auf Rückmeldungen ein. Insbesondere bei den Kantonen stösst das Revisionsvorhaben auf grossen Widerstand. Es ist deshalb absehbar, dass die Vorlage nochmals erheblich überarbeitet wird.