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Die Weko wacht bei öffentlichen Beschaffungen über den Wettbewerb

Nicht immer schreibt der Staat seine Beschaffungen aus, wie er sollte. Zudem sind unter Firmen Absprachen bei öffentlichen Beschaffungen verbreitet. Die Wettbewerbskommission behält mit dem Revisionsentwurf zum Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen die wichtigsten Instrumente, um ein solches Handeln zu bekämpfen.
Bauarbeiter entfernen ein Gerüst auf der Bundeshauskuppel im Juni 2007 in Bern. Die damalige Renovation des Parlamentsgebäudes kostete über 100 Millionen Franken. (Bild: Keystone)

Der Schutz des Wettbewerbs im öffentlichen Beschaffungswesen bildet einen Schwerpunkt der Tätigkeit der Wettbewerbskommission (Weko) und ihres Sekretariates.[1] Wettbewerb ist eine der Hauptbedingungen für die Leistungskraft und das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft. Er trägt zum effizienten Einsatz von Ressourcen sowie zur Optimierung der wirtschaftlichen Wohlfahrt bei.

Das Beschaffungsrecht gewährleistet, dass der Staat öffentliche Aufträge in einem wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren vergibt. Damit der so geschaffene Wettbewerb nicht von den Anbieterinnen unterlaufen werden kann, sind wettbewerbsschädliche Absprachen über Offerten (Submissionsabreden)[2] kartellrechtlich unzulässig. Die Weko ist gestützt auf das Binnenmarktgesetz (BGBM) und das Kartellgesetz (KG) zuständig, die Beschaffungsmärkte sowohl vor staatlichen wie auch privaten Wettbewerbsbeschränkungen zu schützen. Die Tätigkeit der Weko basiert dabei auf drei Pfeilern:

  • Prävention und Information (z. B. Ausbildungen für Beschaffungsstellen und Unternehmen);
  • Aufdeckung von Unregelmässigkeiten (z. B. Untersuchungen und statistische Auswertung von Submissionsdaten);
  • Ahndung von Wettbewerbsverstössen (z. B. Sanktionsverfügungen und Beschwerden).

Aufsicht über öffentliche Beschaffungsstellen


Das Binnenmarktgesetz gewährleistet den freien und gleichberechtigten Zugang zu den kantonalen Märkten. Dieser Grundsatz gilt auch für die kantonalen und kommunalen Beschaffungsmärkte. Zur Öffnung der Beschaffungsmärkte schreibt das Binnenmarktgesetz vor, dass umfangreiche öffentliche Beschaffungen der Kantone und Gemeinden in einem transparenten und nicht diskriminierenden Ausschreibungsverfahren vergeben werden müssen.[3] Die Weko überwacht die Einhaltung dieser binnenmarktrechtlichen Mindeststandards und verfügt dazu über verschiedene Aufsichtsinstrumente.[4]

Die Weko kann etwa zuhanden von Verwaltungsbehörden und Gerichten Gutachten über die Anwendung der Beschaffungsregeln des Binnenmarktgesetzes erstellen.[5] So hat die Weko kürzlich im Rahmen eines Gutachtensauftrags des Bundesamtes für Justiz untersucht, welchen beschaffungsrechtlichen Anforderungen das E-Government Projekt «eOperations Schweiz» genügen muss.[6] Zudem kann die Weko Untersuchungen durchführen, um zu prüfen, ob eine konkrete Beschaffung im Einklang mit den binnenmarktrechtlichen Beschaffungsregeln erfolgt ist.[7] Die Weko hat im letzten Jahr beispielsweise die beschaffungsrechtliche Stellung des öffentlich gehaltenen Unternehmens Verwaltungsrechenzentrum St. Gallen untersucht und ihre Erkenntnisse in Form von Empfehlungen abgegeben.[8]

Behördenbeschwerderecht als wichtiges Instrument


Die Gutachten und Empfehlungen der Weko sind jedoch nicht rechtsverbindlich. Um der binnenmarktrechtlichen Aufsicht der Weko mehr Nachdruck zu verleihen, hat der Bundesgesetzgeber deshalb per 2006 das Behördenbeschwerderecht eingeführt.[9] Als beschwerdelegitimierte Behörde kann sich die Weko seither auf Anfrage des Bundesgerichts auch in laufenden Gerichtsverfahren zu konkreten Fragen des kantonalen Beschaffungsrechts äussern, selbst wenn sie nicht Verfahrenspartei ist.[10] Die Weko hat in den letzten Jahren ihr Beschwerderecht vermehrt zur Durchsetzung der Beschaffungsvorschriften eingesetzt.

Beispielsweise hat das Bundesgericht auf Beschwerde der Weko hin klargestellt, dass Beschaffungsstellen entgegen einer verbreiteten Praxis nur unter sehr strengen Voraussetzungen aus Dringlichkeitsgründen von einer öffentlichen Ausschreibung absehen dürfen.[11] Das Kantonsgericht Luzern hat in einem anderen Fall auf Beschwerde hin festgehalten, dass ein kantonaler Auftrag an eine private Institution zur Finanzierung und Realisierung einer öffentlichen Infrastruktur – in diesem Fall ein Asylzentrum – mit Rückvermietungsrecht an den Kanton dem Beschaffungsrecht untersteht.[12] Solche Präjudizien schaffen Rechtssicherheit und unterbinden wettbewerbsschädigende Vergabepraxen.

Der Revisionsentwurf zum Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen sieht vor, dass die Weko zur Durchsetzung des kantonalen und des kommunalen Beschaffungsrechts wie bis anhin Gutachten erstatten, Untersuchungen durchführen, Empfehlungen abgeben und Beschwerde führen kann.[13] Vor allem das Behördenbeschwerderecht der Weko ist zum Schutz des Wettbewerbs von zentraler Bedeutung. Im Fokus der Aufsicht stehen weiterhin die Klärung von binnenmarkt- und wettbewerbsrelevanten Grundsatzfragen zum Geltungsbereich und zu Ausnahmen der Ausschreibungspflicht sowie die Verhinderung von binnenmarktschädigendem Heimatschutz und die Bevorteilung von ausgewählten Anbieterinnen. Gemäss dem Revisionsentwurf gilt das Behördenbeschwerderecht wie heute für die kantonale und die kommunale Beschaffung. Es würde nichts dagegen sprechen, auch für die Beschaffung des Bundes ein Behördenbeschwerderecht vorzusehen.

Anbieterinnen handeln etwa nach dem Rotationsprinzip


Der Fokus des Kartellgesetzes richtet sich im Beschaffungswesen auf die Bekämpfung von Submissionsabreden.[14] Solche Absprachen über Offerten treten in verschiedenen Formen auf. Eine Variante ist, dass die Abrede bei ausgeschriebenen Projekten nach dem Rotationsprinzip verläuft: Die Unternehmen bestimmen dabei vorab die Zuschlagsempfängerin.[15] Dazu reicht diese die Offerte mit dem tiefsten Preis und die anderen Unternehmen Offerten mit höheren Preisen (Stützofferten, Scheinangebote) ein. Abgesprochen wird manchmal auch der Verzicht auf die Einreichung eines Angebotes («bid suppression»). Ebenso sind Gebietsaufteilungen möglich: Die Unternehmen entscheiden darüber, wer in welchen Gebieten Angebote einreicht oder darauf verzichtet, Angebote vorzulegen.

Gemeinsam sind den verschiedenen Formen ihre Folgen: insbesondere überhöhte Preise,[16] Strukturerhaltung, geringere Effizienz- und Innovationsanreize und damit Wohlfahrtsverluste. Submissionsabreden schädigen die schweizerische Volkwirtschaft, die öffentliche Hand und die Steuerzahler.[17]

Eine Umfrage aus dem Jahre 2004 zeigte auf: Rund die Hälfte der Befragten – Vergabestellen, Anbieterinnen und Dritte – verfügten über Erfahrungen im Zusammenhang mit Abreden.[18] Entscheide der Weko[19] sowie laufende Verfahren[20] belegen die Verbreitung von Submissionsabreden in den letzten Jahren. Deshalb bildet deren Bekämpfung seit 2008 einen Schwerpunkt der Wettbewerbsbehörden.[21]

Aufbewahrungspflicht bei Dokumenten ist zu kurz


Der Revisionsentwurf zum Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen enthält wie bereits das geltende Beschaffungsrecht keine Definition und kein eigenes Verbot von Wettbewerbsabreden. Der Revisionsentwurf bestärkt jedoch die Weko in der Durchsetzung des Kartellgesetzes und der Verfolgung von Wettbewerbsabreden im Beschaffungswesen. Deren Verhinderung ist neu als Grundsatz prominent verankert.[22] Die Beschaffungsstellen werden explizit verpflichtet, alle notwendigen Massnahmen zu treffen, um Wettbewerbsabreden zu vermeiden.[23] Mit diesem Grundsatz dürfte etwa nicht mehr vereinbar sein, in wiederholenden Einladungsverfahren immer dieselben Unternehmen anzufragen. Auch zeitgleich mit allen Unternehmen stattfindende, gemeinsame Begehungen vor Ort und andere kartellbegünstigende Massnahmen sind im Lichte dieser neuen Bestimmungen zu vermeiden.

Wie bis anhin können bei begründetem Verdacht auf Submissionsabreden Verfahren abgebrochen, Anbieterinnen ausgeschlossen, Zuschläge widerrufen und freihändige Vergaben durchgeführt werden. Die bestehende Meldepflicht an die Weko bei Verdacht auf Wettbewerbsabreden wird von Verordnungs- auf Gesetzesstufe angehoben und gilt neu auch für kantonale Auftraggeber.[24]

Die im Revisionsentwurf äusserst kurz gehaltene Dauer der Aufbewahrung von Submissionsunterlagen von drei Jahren erschwert jedoch die Aufdeckung und den Nachweis von Abreden durch statistische Auswertungen.[25] Um kartelltypische Muster zu erkennen, müssten wenigstens die Öffnungsprotokolle der Offerten über mehrere Jahre hinweg vorhanden sein. Eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren ist deshalb zwingend notwendig. Es wäre damit der präventive Nebeneffekt verbunden, dass Submittenten mit der Weko-Analyse rechnen und die Anreize für Abreden sinken würden.

  1. Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autoren wieder und verpflichtet die Weko sowie deren Sekretariat nicht. []
  2. Abreden zwischen Unternehmen über Offerten, die den Wettbewerb in ungerechtfertigter Weise erheblich beeinträchtigen oder zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen. []
  3. Art. 5 BGBM. []
  4. Diebold N. (2013). Die Beschwerdelegitimation der Weko im öffentlichen Beschaffungswesen, Schweizerische Juristen-Zeitung 109, S. 177-188; Weko-Empfehlungen betreffend Auswirkung der Revision und Harmonisierung des Beschaffungsrechts auf das Binnenmarktgesetz, RPW 2014/4, S. 801 ff. []
  5. Art. 10 Abs. 1 BGBM. []
  6. Weko-Gutachten eOperations Schweiz, RPW 2014/4, S. 785 ff. []
  7. Art. 8 Abs. 3 BGBM. []
  8. Weko-Empfehlung zuhanden der VRSG, RPW 2014/2, S. 442 ff. []
  9. Art. 9 Abs. 2bis BGBM. []
  10. Vgl. RPW 2014/4, S. 775 ff. []
  11. BGer, 2C_1131/2013 vom 31.3.2015 (zur Publ. bestimmt). []
  12. KGer LU, Urteil vom 12.2.2014, in RPW 2014/1, S. 336 ff. []
  13. Diese Instrumente beziehen sich jedoch systembedingt nicht mehr auf Art. 5 BGBM, sondern neu direkt auf die IVöB 2015. []
  14. Art. 5 KG. []
  15. Z.B. OECD (2009). Leitfaden zur Bekämpfung von Angebotsabsprachen im öffentlichen Beschaffungswesen. []
  16. London Economics (2011). The Nature and Impact of Hardcore Cartels, S. 25 ff.: Ø 45% höhere Preise; Weko-Entscheid Strassenbeläge Tessin, RPW 2008/1, S. 85 ff.: Ø 30% höhere Preise. []
  17. Stüssi F. (2013). Submissionsabreden im Fokus der Wettbewerbsbehörden, Baurecht, 4, S. 176-179; Jahresbericht Weko 2014, RPW 2015/1, S. 16). []
  18. BKB/KBOB (2004). Das geltende Vergaberecht aus Sicht der Praxis, S. 40. []
  19. Weko-Entscheide Strassenbeläge Tessin (Fn. 9), Elektroinstallationsbetriebe Bern, RPW 2009/3, S. 196 ff., Strassen- und Tiefbau im Kanton Aargau, RPW 2012/2, S. 270 ff., Strassen- und Tiefbau im Kanton Zürich, RPW 2013/4, S. 524 ff., Tunnelreinigung, voraussichtlich RPW 2015/2. []
  20. Untersuchungen Strassen- und Tiefbau im Kanton St. Gallen sowie Bauleistungen im Kanton Graubünden. []
  21. Jahresbericht Weko 2014 (Fn. 10), S. 16. []
  22. Art. 1 Bst. d VE-BöB. []
  23. Art. 13 Bst. b und Art. 30 Abs. 1 VE-BöB. []
  24. Art. 47 Abs. 2 VE-BöB sowie Art. 45 Abs. 2 VE-IVöB. []
  25. Art 51 VE-BöB. []

Zitiervorschlag: Nicolas Diebold, Frank Stüssi, (2015). Die Weko wacht bei öffentlichen Beschaffungen über den Wettbewerb. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.

Die Weko und ihr Sekretariat

Die Durchsetzung des Kartell- und Binnenmarktrechts obliegt der Wettbewerbskommission (Weko) und ihrem Sekretariat. Die Weko ist eine Milizbehörde und besteht aus 12 vom Bundesrat gewählten Mitgliedern. Das vollamtliche Sekretariat umfasst rund 75 Mitarbeitende – die meisten von ihnen sind Juristen oder Ökonomen. Es unterstützt die Weko, führt selbstständig Verfahren durch und bereitet Entscheidungen zuhanden der Kommission vor. Die Weko und ihr Sekretariat sind unabhängig und administrativ dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zugeordnet. Die Weko und ihr Sekretariat werden von Amtes wegen tätig. So können sie gegen Unternehmen, die das Kartellgesetz verletzen, Massnahmen verfügen (z. B. ein bestimmtes Handeln verbieten) und die Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen sanktionieren.