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Teilen treibt den Wettbewerb an

Apps wie der Fahrdienst Uber haben «disruptiven» Charakter. (Bild: Keystone)

Teilen gehört nicht nur zu den moralischen Grundlagen der christlichen Welt, sondern hat auch eine ökonomische Dimension: Durch gemeinsame Nutzung wird das Potenzial einer Ressource besser ausgeschöpft. Nun entwickelt sich das Teilen auch zum Impulsgeber von Innovation und Wettbewerb. Dank IT-gestützten Plattformen werden traditionelle Regelungen von Nutzungsrechten – wie das Mieten von Autos und Wohnraum oder das Leasen von Maschinen – zu neuen Wettbewerbsparametern.

In der Welt der sogenannten Sharing Economy vereinfachen Apps und das Internet die kurzzeitige und spontane Partizipation an Ressourcen: das Teilen des Privatautos mit fremden Fahrgästen zwischen Bern und Zürich, das Vermieten der Privatwohnung an Touristen über das Wochenende oder die vorübergehende gemeinsame Nutzung von wenig genutzten, teuren Haushaltgeräten mit unbekannten Stadtbewohnern. Entgeltliche Tauschaktivitäten lassen damit auch Privatpersonen zu Geschäftsleuten werden. Die Zurverfügungstellung brachliegender Kapazität wird zum kommerziellen Geschäft und erhöht die Ressourceneffizienz.

Die Sharing Economy liegt im Trend, wie eine im Juni veröffentlichte Konsumentenbefragung des Wirtschaftsprüfers Deloitte in der Schweiz und in den USA zeigt. Laut der repräsentativen Umfrage will in den nächsten 12 Monaten über die Hälfte der Befragten Leistungen über Onlineplattformen mieten oder vermieten. Bekannt sind hierzulande vor allem zwei US-Firmen, welche traditionelle Märkte über digitale Plattformen aufrütteln: Der Fahrdienst Uber sorgt mit der neuartigen Form von Taxi-Dienstleistungen für Proteste im Taxigewerbe, und das Vermittlungsportal Airbnb löst mit der Vermittlung von privaten Übernachtungsmöglichkeiten in der Beherbergungsindustrie Abwehrreflexe aus. Beide weltweit erfolgreichen Unternehmen nutzen typischerweise die neue Schlagkraft der IT-gestützten Ökonomie des Teilens: Durch Internetapplikationen werden die Suchkosten der Konsumenten massiv verringert. Zudem schaffen glaubwürdige Bewertungssysteme das nötige Vertrauen in unbekannte Anbieter und Nutzer. Ökonomisch gesprochen fallen damit frühere Informationsasymmetrien weg, welche der Rechtfertigung für Regulierungen dienten.

Staat soll sich bei Uber und Airbnb zurückhalten


Wie so oft lösen radikale Innovationen bei den etablierten Anbietern reflexartig den Ruf nach politischen Eingriffen aus. Beklagt werden «ungleich lange Spiesse» und unstatthafter Preisdruck. Zudem können erfolgreiche Technologieplattformen aufgrund ihrer hohen Leistungsfähigkeit eine marktmächtige Stellung erarbeiten: je grösser die Fangemeinde der Plattform, desto attraktiver die Leistungen und desto erfolgreicher das Unternehmen, was die Fangemeinde noch weiter wachsen und die Firma noch erfolgreicher werden lässt.

Tatsächlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass neue Anbieter nach Marktmacht streben; dieser Verlockung unterliegen alle ambitiösen Unternehmen. Aber solange die hervorragende Marktstellung Ergebnis eines Markterfolges ist und diese nicht missbraucht wird, um den Wettbewerb auszuschalten, gibt es keinen Grund, neue, rasch wachsenden Wettbewerbern a priori mit staatlicher Skepsis zu begegnen.

Und ja: Die neuen App-gestützten Technologien haben «disruptiven» Charakter. Aber es gehört zum Wesen schubartiger Innovation, dass bestehende Strukturen und Rahmenbedingungen aufgebrochen werden (müssen), um Innovation, höherer Produktivität und damit Wachstumspotenzial Platz zu machen. Die Klagen über die hohen Taxipreise bei mässiger Qualität sind jahrzehntealt – warum sollen neue Formen der Taxi-Dienstleistungen nicht zu einer besseren Marktversorgung führen können? Und sind neuartige günstige Beherbergungsformen nicht eine vielversprechende Alternative zum oftmals beklagten misslichen Preis-Leistungs-Verhältnis in der einfachen Hotellerie?

Zitiervorschlag: Eric Scheidegger (2015). Teilen treibt den Wettbewerb an. Die Volkswirtschaft, 08. Juni.