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Firmen nutzen Freihandelsabkommen mit China rege

Seit über einem Jahr ist das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China in Kraft. Das Interesse der Exporteure und Importeure ist ungewöhnlich gross.
China ist ein wichtiger Exportmarkt für die Schweizer Uhrenindustrie. Fussgänger vor Werbeplakat in der Stadt Nantong. (Bild: Keystone)

Als Land mit einem beschränkten Binnenmarkt ist die Schweiz in hohem Mass von der Aussenwirtschaft abhängig und entsprechend stark import- und exportorientiert. China hat für den Aussenhandel der Schweiz mit einem Anteil von fast fünf Prozent schon heute eine grosse Bedeutung, die angesichts des grossen Entwicklungspotenzials der chinesischen Wirtschaft weiter zunehmen dürfte. Das Land ist der grösste Abnehmer von Schweizer Industrieprodukten in Asien und der drittgrösste weltweit (nach der EU und den USA). Zu den wichtigsten Exporten der Schweiz nach China gehören Maschinen, Präzisionsinstrumente, Uhren sowie Chemie- und Pharmaerzeugnisse. Auch der Dienstleistungshandel mit China ist bedeutend.

Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China wurde am 6. Juli 2013 von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann und seinem chinesischen Amtskollegen unterzeichnet und trat am 1. Juli 2014 in Kraft. Seither fällt die überwiegende Mehrheit der Schweizer Exporte von Industrie- und Landwirtschaftsprodukten nach China unter den Zollabbau des Abkommens. Dazu kommen Verbesserungen beim Handel mit Dienstleistungen und beim Schutz des geistigen Eigentums sowie allgemein bei der Rechtssicherheit für den wirtschaftlichen Austausch.

Noch bei keinem anderen Freihandelsabkommen mit einem Partner ausserhalb der EU liess sich ein vergleichbar grosses Interesse der Wirtschaft feststellen. Das Abkommen wird seit Inkrafttreten entsprechend rege genutzt. Auch wenn ein Jahr ein zu kurzer Zeitraum ist, um aussagekräftige Feststellungen über die Auswirkungen zu machen, zeigt sich: Der bilaterale Handel zwischen der Schweiz und China hat seither in beide Richtungen einen grösseren Zuwachs verzeichnet als der Handel der Schweiz mit den anderen Wirtschaftspartnern (siehe Kasten 1). Dies erscheint umso bemerkenswerter, wenn berücksichtigt wird, dass sich das Wachstum der Gesamtnachfrage in China gemessen am BIP-Wachstum gegenüber den früher typischen zweistelligen jährlichen Wachstumsraten in letzter Zeit praktisch halbiert hat.

Insbesondere die mit dem Abkommen verbundenen Zollsenkungen und die erhöhte Rechtssicherheit eröffnen den Schweizer Exporteuren, die derzeit angesichts der Frankenstärke besonders unter Druck stehen, neue Chancen. Darüber hinaus profitiert die ganze Schweizer Wirtschaft von indirekten Effekten: Den Zulieferern kommt die verstärkte Nachfrage des Exportsektors nach Vorleistungen zugute. Dank der günstigeren Importe steigt zudem die Gesamtnachfrage in der Binnenwirtschaft.

Abkommen zu Arbeitsfragen fördert Nachhaltigkeit


Gleichzeitig mit dem Freihandelsabkommen haben die Schweiz und China ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Arbeit und Beschäftigung abgeschlossen. Mit diesem Abkommen soll die soziale Dimension der bilateralen Beziehungen Schweiz – China gestärkt werden. Ein gut funktionierender Arbeitsmarkt, sichere Arbeitsplätze, die Einhaltung von Gesundheitsstandards sowie soziale Sicherungssysteme sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass eine möglichst breite Bevölkerung am wachsenden Wohlstand teilnehmen kann. Die Schweiz weiss aus eigener Erfahrung: Nachhaltiges Wachstum ist nur möglich, wenn auch die soziale und die ökologische Dimension berücksichtigt werden. Mit den Bestimmungen im Freihandelsabkommen zu Umweltaspekten und dem parallel dazu abgeschlossenen Abkommen zu Arbeits- und Beschäftigungsfragen trägt das Vertragswerk Schweiz – China diesen Dimensionen der Nachhaltigkeit ausdrücklich Rechnung.

Das Abkommen mit China über Arbeits- und Beschäftigungsfragen entspricht dem Ansatz, den die Schweiz in den letzten Jahren in all ihren Verhandlungen über Freihandelsabkommen verfolgt hat: Die Vertragsparteien anerkennen, dass die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung eng zusammenhängen und bekräftigen ihren Willen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Grundrechte bei der Arbeit zu schützen und aufzuwerten (siehe Kasten 2). China und die Schweiz verpflichten sich, ihre nationalen Gesetzgebungen sowie die sich aus der Mitgliedschaft bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ergebenden Verpflichtungen wirksam umzusetzen.

China zeigt bei Arbeitsbedingungen Bereitschaft


Die Parteien anerkennen, dass die in den nationalen Gesetzgebungen festgelegten Arbeitsstandards weder protektionistischen Zwecken dienen noch gesenkt werden sollen, um Investitionen anzuziehen oder einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Das Abkommen hebt weiter die Bedeutung der Zusammenarbeit bei Arbeits- und Beschäftigungsfragen hervor. Es reflektiert somit die geteilte Überzeugung der Schweiz und Chinas, dass Zusammenarbeit und Dialog geeignete Instrumente sind, um die Herausforderungen der Globalisierung anzugehen.

Die chinesische Regierung zeigt Bereitschaft, sich von Erfahrungen und bewährten Beispielen in anderen Ländern inspirieren zu lassen, sich um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu bemühen sowie die soziale Entwicklung zu fördern. Davon zeugt die laufende Zusammenarbeit mit der Schweiz – etwa zum Thema Arbeitsinspektion und Arbeitssicherheit oder im Rahmen der ILO zu verantwortungsvollem Unternehmensverhalten. Um den Dialog mit China zu intensivieren, besuchte im März 2015 eine hochrangige tripartite Schweizer Delegation China.[1]

Die Welt der Arbeit in der Schweiz und in China könnte zwar nicht unterschiedlicher sein – etwa in Bezug auf die Grösse des Landes, die Organisation der Wirtschaft oder die Produktionsstruktur. Die verstärkte Zusammenarbeit ermöglicht aber, die jeweiligen Herausforderungen besser zu verstehen und Erfahrungen auszutauschen.

  1. Siehe dazu den Beitrag von Valérie Berset Bircher und Karin Federer (beide Seco) in dieser Ausgabe. []

Zitiervorschlag: Boris Zürcher, Christian Etter, (2015). Firmen nutzen Freihandelsabkommen mit China rege. Die Volkswirtschaft, 24. September.

Kasten 1: Handel mit China wächst im ersten Jahr des Abkommens

Der Aussenhandel der Schweiz mit China ist im ersten Jahr des Freihandelsabkommens gewachsen. Von Juli 2014 bis Juni 2015 stiegen die Ausfuhren der Schweiz nach China im Vergleich zur Vorjahresperiode um 2,3 Prozent; die Einfuhren um 4,1 Prozent.a Damit entwickelten sich sowohl Exporte wie Importe im Vergleich zu allen anderen Handelspartnern überdurchschnittlich: Im selben Zeitraum nahmen die Schweizer Ausfuhren in allen anderen Länder um lediglich 0,9 Prozent zu. Die Einfuhren sanken sogar um 4,2 Prozent.

aAussenhandelsstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV); ohne Gold in Barren und andere Edelmetalle, Münzen, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände und Antiquitäten.

Kasten 2: Beschäftigungsbestimmungen in Freihandelsabkommen nehmen zu

Immer mehr Freihandels- und andere Wirtschaftsabkommen enthalten Bestimmungen zu Arbeits- und Beschäftigungsthemen. Dies zeigen Untersuchungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Waren es vor 15 Jahren erst einzelne Abkommen, enthielten 2014 bereits 60 Prozent der abgeschlossenen Abkommen entsprechende Bestimmungen.

Ein von der Schweiz unterstütztes ILO-Forschungsprojekt will einen Überblick über den Inhalt und die Umsetzung dieser Bestimmungen sowie über diesbezügliche Entwicklungen gewinnen. Die Arbeit des Forschungsteams soll unter anderem aufzeigen, welche Rolle die verschiedenen Akteure – insbesondere die Sozialpartner, die Zivilbevölkerung und die ILO selbst – bei der Umsetzung in verschiedenen Kontexten (regional, Entwicklungssituation usw.) spielen. Durch dieses Projekta will die Schweiz zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung beitragen.

aSiehe «Labour Standards in Trade and Investment Arrangements» unter www.ilo.org.