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Dank der Digitalisierung sind Arbeitsabläufe im Büro zwar effizienter geworden. Gleichzeitig hat der Druck auf die Angestellten von kaufmännischen Berufen aber stark zugenommen.
Manuel Keller, Leiter Beruf und Beratung, Kaufmännischer Verband Schweiz, Zürich

Standpunkt

Die Digitalisierungswelle hat Berufsbilder und Branchen im gesamten kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Umfeld massgebend verändert. Arbeitsprozesse werden automatisiert, Informationen sind einfacher und schneller verfügbar und ausgewertet, Kommunikation ist orts- und zeitunabhängig möglich. Unbestritten ist, dass die Digitalisierung aus Sicht der Arbeitnehmenden zahlreiche Chancen mit sich bringt. Nur: Die Herausforderungen und Gefahren sind ebenso vielfältig.

Aufgrund der Digitalisierung fallen traditionelle Büroberufe der Computerisierung zum Opfer.[1] Gleichzeitig verlangt der Arbeitsmarkt nach neuen Kenntnissen und Kompetenzen. Dafür bedarf es einer kontinuierlichen Höherqualifizierung der Arbeitnehmenden. Das «Verharren» auf einem Abschluss auf Sekundarstufe II reicht im kaufmännischen Umfeld für den nachhaltigen Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit nicht mehr aus.

Entgrenzung von Berufs- und Privatleben


Digitalisierung ermöglicht zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten. Diese zusätzliche Flexibilität kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Gleichzeitig entstehen aufgrund der damit einhergehenden erweiterten Erreichbarkeit Rollenkonflikte innerhalb und zwischen der beruflichen und der privaten Welt. Auch hat die Ortsunabhängigkeit des Arbeitens im kaufmännischen Umfeld dazu geführt, dass mitunter Backoffice-Tätigkeiten vermehrt ins Ausland verlagert werden. Obschon die direkte Ursache dafür wohl weniger die Digitalisierung als vielmehr Kostenvorteile im Zielland sein dürften, hat doch die Digitalisierung erst die erforderlichen technischen Voraussetzungen geschaffen.

Der Wandel in der Berufswelt, die Rollenkonflikte und die ständige Ausgesetztheit gegenüber Informationen sowie die immer kürzeren Reaktionszeiten führen zu einer kontinuierlichen Beschleunigung. Negative Nebenwirkungen dieses Wandels können Stress und Erschöpfungsreaktionen sein (psychosoziale Risiken).

Von Big Data spricht man meist im Kontext der Kundenbindung. Aber nicht nur Konsumentendaten, sondern auch Daten von Arbeitnehmenden sind heute in grossem Ausmass elektronisch verfügbar – sei es über Plattformen wie Xing, Linkedin und Facebook oder in den digitalisierten Personaldossiers. Arbeitgeber werden zukünftig noch stärker nach Möglichkeiten suchen, um für die Personalrekrutierung auf Big Data zugreifen zu können. Aus Arbeitnehmerperspektive gilt es, diesen Daten den erforderlichen Schutz zu bieten.

Die durch die Digitalisierung getriebene Höherqualifizierung und Spezialisierung wird sich zwangsläufig auch auf die Lohnstruktur und die Einkommensverteilung auswirken. Der Ersatz von Routinetätigkeiten und auch von qualifizierten Tätigkeiten durch Computer dürfte die Einkommenssituation im tiefen und mittleren Lohnsegment unter Druck setzen. Was diese Entwicklung für Auswirkungen auf die Einkommensverteilung im Allgemeinen haben wird, gilt es zu analysieren und antizipieren.

Staat muss sensibilisieren


Zur Minderung der negativen Digitalisierungseffekte muss der Staat einen wichtigen Beitrag leisten. So soll er die Angestellten sensibilisieren: Eine kontinuierliche Weiterbildung ist zum Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit wichtiger denn je. Aber auch beim Umgang mit Personendaten in der digitalisierten Arbeitswelt besteht ein verstärkter Sensibilisierungsbedarf.

Weitere staatliche Handlungsfelder sind Prävention (psychosoziale Risiken), Rahmenbedingungen und Strukturen (finanzielle Unterstützung des «lebenslangen Lernens»; sozialer Schutz für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer) sowie Regulierung (Modernisierung der arbeitsrechtlichen Vorschriften; Gewährleistung des Schutzes von Mitarbeiterdaten im digitalen Arbeitsumfeld).

  1. Vgl. Studie von Carl Benedikt Frey and Michael A. Osborne, The Future of Employment: How Susceptible Are Jobs to Computerisation?, University of Oxford, 2013. []

Zitiervorschlag: Manuel Keller (2015). Standpunkt: Der Druck im Büro nimmt zu. Die Volkswirtschaft, 26. Oktober.