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Asien braucht Billionen für Strom und Strassen

Der Geldbedarf in Asien für Infrastrukturprojekte ist riesig. Für den Unterhalt und den Ausbau von Verkehrswegen, Energieversorgung und Telekommunikation werden im laufenden Jahrzehnt gemäss einer Studie über 8 Billionen Dollar benötigt. Vor diesem Hintergrund kann die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) für den Erdteil eine wichtige Rolle spielen.
Der Geldbedarf für neue Strassen in Asien ist riesig. Bauarbeiter in Indien. (Bild: Keystone)

Als Folge der globalen Finanzkrise von 2008 und der anhaltenden europäischen Schuldenkrise ist in fortschrittlichen Volkswirtschaften wie den USA und Europa ein verlangsamtes Wachstum oder sogar eine Rezession mit rückläufigem Konsum zu beobachten. Auch in den grossen asiatischen Volkswirtschaften hat sich das Wachstum in den letzten Jahren abgeschwächt. Asien muss durch eine verstärkte intraregionale Infrastrukturanbindung und regionale Wirtschaftsintegration ein neues Gleichgewicht finden für seine exportorientierte Produktion und sein Wachstum innerhalb der asiatischen Märkte. Grosse nationale und regionale Infrastrukturprojekte, an denen sich verschiedene asiatische Länder beteiligen, haben grosses Potenzial als neue Wachstumstreiber.

Solche Projekte schaffen automatisch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten und sorgen für mehr Investitionen. Eine Förderung der Infrastrukturanbindung innerhalb Asiens und über Asien hinaus dürfte die nationale und regionale Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität verbessern, die Konjunkturerholung beschleunigen und einen Beitrag dazu leisten, mittel- bis langfristig ein ausgewogenes und integratives Wachstum zu erreichen.

Eine der zentralen Herausforderungen der asiatischen Infrastrukturanbindung ist der enorme Bedarf an finanziellen Mitteln. Asien benötigt für die Jahre 2010 bis 2020 insgesamt 8,22 Billionen Dollar für Verkehr (Flughäfen, Häfen, Schienen- und Strassenverkehr), Telekommunikation (Festnetz- und Mobiltelefonie), Energie (Strom) sowie Wasserversorgung und Abwasserreinigung. Davon sind 68 Prozent für Neuinvestitionen und 32 Prozent für den Unterhalt und Ersatz bestehender Anlagen vorgesehen, wie aus einer Studie hervorgeht, welche der Autor im Jahr 2010 im Auftrag der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) durchführte.[1]

Bedarf an Infrastrukturinvestitionen in Asien (2010–2020)


















Sektor/Teilsektor  Ost- und Südostasien Südasien Zentralasien Pazifik Total
 Elektrizität  3182,46 653,67 167,16 4003,29
 Verkehr  1593,87 1196,12 104,48 4,41 2898,87
Flughäfen  57,73 5,07 1,41 0,10 64,31
Häfen  215,20 36,08 5,38  256,65
Schienenverkehr  16,14 12,78 6,03 0,00  34,95
Strassen  1304,80 1142,20 91,65 4,31  2542,97
 Telekommunikation  524,75 435,62 78,62 1,11  1040,10
Festnetztelefonie  142,91 6,46 4,45 0,05  153,87
Mobiltelefonie  339,05 415,87 71,97 0,95 827,84
Breitbandnetz  42,78 13,29 2,21 0,11  58,39
Wasser und Abwasser  171,25 85,09 23,40 0,51  280,24
Wasser  58,37 46,12 8,60 0,14  113,22
Abwasser  112,88 38,97 14,80 0,36  167,02
Total  5472,33 2370,50 373,66 6,02  8222,50


In Milliarden Dollar; nach Teilregionen und Sektoren.

Quelle: Bhattacharyay (2010) / Die Volkswirtschaft


Es ist nicht möglich, auf einem einzigen Weg ausreichende Mittel für die Infrastrukturentwicklung in Asien bereitzustellen. Der Bedarf an Finanzmitteln ist zu gross, zu umfassend und zu vielfältig, weshalb unterschiedliche Finanzierungsquellen und -mechanismen nötig sind. Infrastrukturprojekte in verschiedenen Sektoren und sozialen, rechtlichen und institutionellen Kontexten erfordern unterschiedliche Finanzierungsarten. Neue Mechanismen und Institutionen sind gefragt, da die Möglichkeiten der bestehenden Institutionen wie der multilateralen Entwicklungsbanken und der bilateralen Entwicklungsagenturen angesichts des hohen Investitionsbedarfs beschränkt sind.

Eine Option ist die Schaffung neuer spezialisierter Infrastrukturbanken – beispielsweise asiatischer Infrastrukturfinanzierungsbanken auf regionaler oder subregionaler Ebene. Eine weitere Möglichkeit sind asiatische Infrastrukturfinanzierungsfonds, ebenfalls auf regionaler oder subregionaler Ebene. Solche Fonds könnten von den bestehenden multilateralen Entwicklungsbanken wie der ADB oder der Weltbankgruppe verwaltet oder geleitet werden.[2]

Asien ist in den kommenden Jahren auf mehr Infrastrukturinvestitionen angewiesen. Denn der Bedarf für den Unterhalt und den Ersatz bestehender Infrastrukturen wird insbesondere in einigen kleinen, rasch wachsenden asiatischen Ländern wie Bangladesch und Myanmar steigen, die ihre Märkte vor Kurzem geöffnet haben. Darüber hinaus ist Asien in den letzten Jahren von mehreren verheerenden Naturkatastrophen heimgesucht worden, darunter Überschwemmungen in Pakistan und Myanmar, Wirbelstürme auf den Philippinen und im pazifischen Inselstaat Vanuatu sowie Erdbeben in Nepal. Damit die Auswirkungen solcher Naturkatastrophen bewältigt werden können, bedarf es einer gesteigerten Infrastrukturentwicklung.

AIIB kann wichtige Rolle spielen


Vor diesem Hintergrund bestehen genügend Möglichkeiten für neue Institutionen. Für eine effiziente Infrastrukturentwicklung ist es indessen wichtig, dass sich die regionalen Finanzierungsinstitutionen und die bilateralen Entwicklungsbanken und -agenturen klar voneinander abheben, gleichzeitig aber auch angemessen ergänzen. Im Juni 2015 wurde in Asien die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) mit einem genehmigten Stammkapital von 100 Milliarden Dollar errichtet.

Neue multilaterale Entwicklungsbanken wie die AIIB können eine wichtige Rolle spielen, sofern sie in der Lage sind, eine effiziente Vermittlerfunktion für den breiten Einsatz von Vermögenswerten für die Infrastrukturentwicklung wahrzunehmen. Gleichzeitig müssen sie günstige und fristgerechte Darlehen bereitstellen – insbesondere für Energie, Wasserstrassen und Häfen. Wichtig sind dabei einfache und benutzerfreundliche Verfahren, die reibungslos funktionieren.

Ausserdem müssen neue multilaterale Entwicklungsbanken bei der Kofinanzierung und der Gewährleistung privater Investitionsfinanzierungen mit dem Banken- und Finanzsektor zusammenarbeiten und sich mit der Finanzierung regionaler oder grenzüberschreitender Projekte dafür einsetzen, die regionale Anbindung zu verbessern und damit die regionale wirtschaftliche Kooperation und Integration zu fördern.

Einheitliche Regeln erleichtern Investitionen


Grundsätzlich steht die «harte» Infrastruktur wie Energieversorgung und Strassen im Zentrum der Diskussionen über die Infrastrukturentwicklung in Asien. Damit diese harte Infrastruktur jedoch effizient funktionieren kann, braucht es zwingend auch die «weiche» Infrastruktur. Dazu gehören angemessene politische Massnahmen, Reformen, Regulierungen, Systeme und Verfahren, Know-how, technische Fähigkeiten und Institutionen für eine effiziente Infrastrukturanbindung und zur Förderung eines integrativen und nachhaltigen Wachstums. Mit Blick auf eine bessere Verbindung zwischen den Ländern («connectivity») muss hier auf folgende Punkte besonderes Augenmerk gelegt werden:

  • eine wirksame Koordination und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Agenturen und Stakeholdern;
  • die Ermittlung und die Priorisierung von Projekten;
  • die Entwicklung und die Standardisierung geeigneter Regulierungsmassnahmen und rechtlicher Rahmenbedingungen;
  • die Stärkung der Kapazitäten von Entwicklungsländern, insbesondere bei der Planung und der Umsetzung von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP);
  • die Behandlung von Fragen zur sozialen Absicherung und zum Umweltschutz;
  • die Förderung einer guten Regierungsführung für eine wirtschaftliche und qualitativ hochstehende Infrastrukturentwicklung;
  • die Förderung der Beteiligung des privaten Sektors und der Entwicklung innovativer Mechanismen zur Infrastrukturfinanzierung.


Die regionalen Institutionen sollten durch eine wirksame Koordination und Kooperation unter den asiatischen Ländern die Entwicklung der «weichen» Infrastruktur ermöglichen.

Für mehrere Generationen planen


Eine weitere grosse Herausforderung stellt der Mangel an bankfähigen und wirtschaftlich tragbaren Infrastrukturprojekten dar. Infrastrukturprojekte dauern in der Regel lange, und ihre Rentabilität ist schwer abzuschätzen. Es müssen dringend bankfähige Infrastrukturprojekte entworfen und umgesetzt werden, die sich auf angemessene Instrumente wie verschiedene PPP-Modelle, günstige Finanzierungsbedingungen für weniger entwickelte Länder und andere innovative Ansätze stützen.

Die Ermittlung, die Priorisierung und die Vorbereitung tragfähiger Projekte erweisen sich häufig als schwierig und komplex. Angemessene Kosten-Nutzen-Analysen dürfen nicht nur mit Blick auf die heutige Generation durchgeführt werden, auch die künftigen Generationen sind dabei zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass bestehende und neue multilaterale Entwicklungsbanken, bilaterale Entwicklungsagenturen, Investitionsbanken, regionale Kooperationsinstitutionen sowie spezifische nationale Institutionen ihre Rolle bei der Ermittlung und der Erarbeitung tragfähiger Projekte verbessern.

Zur Sicherstellung integrativer, nachhaltiger und sicherer Infrastrukturnetzwerke müssen die asiatischen Länder die bestehenden rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen verbessern und neue Gesetze und Vorschriften schaffen. Zudem sollten sie im Hinblick auf eine wirksame Regulierung unabhängige Aufsichtsbehörden einsetzen. Für eine reibungslose Umsetzung von grenzüberschreitenden Projekten braucht es ausserdem eine Vereinheitlichung der rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen sowie der Systeme und Verfahren.

Gegenwärtig finanzieren die Weltbank und die ADB Projekte auf nationaler Ebene. Für eine effiziente Implementierung regionaler Projekte braucht es jedoch auch geeignete Finanzierungsinstrumente und ‑mechanismen für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte, an denen verschiedene Länder beteiligt sind. Eine vermehrte und verstärkte Koordination, Zusammenarbeit und Partnerschaft unter regionalen Finanzierungsinstitutionen ist daher unerlässlich für eine nahtlose Konnektivität Asiens.

  1. Bhattacharyay Biswa Nath (2010). Estimating Demand for Infrastructure in Energy, Transport, Telecommunications, Water and Sanitation in Asia and the Pacific: 2010−2020. []
  2. Bhattacharyay, Biswa Nath, Masahiro Kawai and Rajat M. Nag (2012). Infrastructure for Asian Connectivity Modes of Asian, S. 349−401. []

Zitiervorschlag: Biswa Nath Bhattacharyay (2015). Asien braucht Billionen für Strom und Strassen. Die Volkswirtschaft, 26. Oktober.