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Märkte und Menschen zu mehr Effizienz schubsen?

Die Frage gehört zu den Grabenkämpfen der Wirtschaftspolitik: Wie effizient sind Märkte wirklich? Für das eine Lager sind sie grundsätzlich die beste Organisationsform einer Volkswirtschaft: Der Tausch von Gütern durch rationale Marktakteure führt bei einem gegebenen Einsatz knapper Ressourcen wie Boden, Arbeit oder Kapital zur maximalen Wohlfahrt. Die Opponenten betonen hingegen die beschränkte Rationalität unserer Spezies, indem sie das kurzsichtige Verhalten des Menschen beklagen: Sie verweisen beispielhaft auf die Umweltverschmutzung oder die Notwendigkeit einer weitsichtigen Altersvorsorge.

Wieweit kann staatliches Eingreifen gerechtfertigt werden? Ist die Irrationalität der Menschen Grund genug, um allein aufgrund unserer limitierten Vernunft auf Marktversagen zu schliessen? Diese Fachdebatte über die «begrenzte Rationalität» ist alt. Klar ist: Der Mensch agiert nicht ständig als maximierender Homo oeconomicus und gibt sich je nach Situation mit weniger zufrieden. So verzichten wir im Alltag häufig darauf, wirklich jede verfügbare Information auszuwerten, um den bestmöglichen Kaufentscheid zu tätigen; wir suchen eben nicht immer nach dem «Maximum».

Neuerdings wird vermehrt argumentiert, dass wir selbst die Konsequenzen unseres Verhaltens bei vielen (Konsum-)Entscheidungen aus Unvernunft falsch einschätzten. Typische Beispiele sind der Konsum von Genussmitteln wie Alkohol, Süssigkeiten oder Tabak. Es ist bei dieser Betrachtungsweise naheliegend, dem Staat neue Aufgaben zu übertragen: Als «Besserwisser» muss er uns zu richtigen Entscheiden und zu mehr Markteffizienz schubsen.

Raucher sollen rauchen dürfen


Ein Beispiel findet sich bei der aktuellen Debatte über das neue Tabakproduktegesetz. Im Rahmen einer umfangreichen Regulierungsfolgeabschätzung zeigen die Autoren zwar auf, dass die «klassischen» Externalitäten des Rauchens – die Überwälzung der Gesundheitskosten auf Dritte oder das schädliche Passivrauchen – schon durch die Tabaksteuern und das Rauchverbot in öffentlichen Räumen gedeckt sind.

Dennoch rechtfertigten sich im Urteil der Autoren aufgrund von zeitinkonsistentem Verhalten der Verbraucher und dem Nutzen aus dem Verzicht des Tabakkonsums weitere Massnahmen. Denn letztlich habe das gegenwärtige Ich negative Effekte auf das künftige Ich («negative Internalitäten»). Staatliche Regulierungen, die auf eine Reduktion des Tabakkonsums abzielen, werden in dieser Logik als wohlfahrtssteigernd betrachtet, weil sie die Selbstkontrolle stärken.

Es ist offensichtlich, dass eine solche Argumentation staatlichem Interventionismus Tür und Tor öffnet. Oder soll der Staat tatsächlich in das individuelle Verhalten eingreifen – nicht etwa, um Dritte oder die Umwelt zu schützen, sondern um das Individuum längerfristig glücklicher zu machen? Wohl kaum.

Dänemark etwa führte eine Steuer auf Fettkonsum ein, um Menschen vor Übergewicht zu schützen. Mittlerweile musste die Fettsteuer aufgrund von Protesten wieder abgeschafft werden. Da zeigt sich: Auch die Politik und die Behörden sind nur beschränkt rational; staatliche Experten sind in ihrem Handeln nicht zeitkonsistent.

Zitiervorschlag: Eric Scheidegger (2015). Märkte und Menschen zu mehr Effizienz schubsen. Die Volkswirtschaft, 21. Dezember.