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Die Konsumenten sind eine wichtige Wirtschaftsstütze in der Schweiz. Je besser staatliche Stellen ihr Verhalten kennen, umso eher sind sie in der Lage, zielgerichtete Politik zur Förderung von Innovationskraft und Wohlstand zu formulieren.
Jean-Marc Vögele, Leiter Eidgenössisches Büro für Konsumentenfragen (BFK), Bern

Standpunkt

Die Frage nach dem Verhalten der Konsumenten ist eng verbunden mit der Entwicklung der Konsumgesellschaft. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde ein grosser Teil des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben. Das Aufkommen der Massenproduktion, die Entwicklung von «Convenience-Food», der zunehmende Import von Produkten sowie der tiefere Ölpreis führten zu kontinuierlich sinkenden Kosten für den Grundbedarf und insbesondere für Lebensmittel. Dazu entwickelten sich auch neue Verkaufsformen. So entstanden in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Selbstbedienungsläden. Das Einkaufen von Produkten wurde anonymer und der Konsument in seinen Entscheidungen souveräner. Parallel dazu entwickelte sich die Werbeindustrie.

Heute beeinflussen die Globalisierung sowie die technischen Möglichkeiten das Verhalten: Eine erhöhte Mobilität und das Aufkommen von Smartphones machen die Konsumenten unabhängiger von lokalen Kaufmöglichkeiten. Produkte können zu jeder Tageszeit überall auf der Welt eingekauft werden. Neuartige Mechanismen im Zahlungsverkehr setzen das traditionell verwendete Bargeld unter Druck. Die Entwicklung des Internets der Dinge verändert die Beziehung der Konsumenten zu den Produkten. Die Verfügbarkeit und damit die Logistik und der Transport von Produkten werden wichtiger. Neue Businessmodelle entstehen. So steht in der Sharing Economy das Teilen gegenüber dem Besitzen im Vordergrund. Die Reputation und Bewertungsmodelle gewinnen für alle Marktteilnehmer an Bedeutung und gestehen dem Konsumenten eine aktive Rolle in der Produktwerbung zu. Gleichzeitig können die Konsumenten durch freiwillige Preisgabe ihrer Präferenzen oder durch Individualisierung vorhandener Produkte stärker in den Produktionsprozess integriert werden. Allerdings werden dabei auch viele Informationen über die Konsumenten gesammelt. Der Schutz von persönlichen Daten und die Vertrauenswürdigkeit der Marktteilnehmer werden zu zentralen Elementen.

Konsum als Pfeiler der Volkswirtschaft

Fachgerechte und objektive Information ist in diesem Umfeld eine wichtige Bedingung dafür, dass Konsumenten souverän und in Kenntnis der Sachlage Kaufentscheide treffen können. Mit der Ausrichtung von Finanzhilfen an die Konsumentenorganisationen unterstützt das Eidgenössische Büro für Konsumentenfragen (BFK) deren wertvolle Arbeit im Bereich der objektiven Information im Sinne des Konsumenteninformationsgesetzes. Um das Vertrauen in die Marktakteure zu stärken, informiert das BFK beispielsweise in Zusammenarbeit mit Marktüberwachungsbehörden und betroffenen Unternehmen über Produkterückrufe.

Konsumpolitik ist somit auch Wirtschaftspolitik. Mit der Entstehung der Konsumgesellschaft entwickelten sich die Konsumenten zu einer wichtigen Stütze der Volkswirtschaft. Ein besseres Verständnis bezüglich des Verhaltens der Konsumenten erlaubt es der Politik, effiziente und zielgerichtete Massnahmen zu formulieren und legislative Leerläufe oder Fehltritte zu verhindern. Dies ist dem BFK ein wichtiges Anliegen. Denn dadurch werden die Konsumenten in der Fähigkeit gestärkt, in einem zunehmend komplexen Markt ihre Rolle als Motor für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit konsequent wahrzunehmen.

Im Rahmen des Committee on Consumer Policy der OECD hat das BFK aktiv an der Erarbeitung des Consumer Policy Toolkit mitgearbeitet: Dieses basiert auf der Annahme, dass der freie Wettbewerb ein Schlüsselelement für eine erfolgreiche Marktwirtschaft ist. Es anerkennt aber auch, dass komplementäre Politiken nötig sind, um ein einwandfreies Funktionieren der Märkte zu garantieren. Es handelt sich somit um ein Arbeitsinstrument, das Behörden dabei hilft, mögliche Marktversagen zu definieren und deren Ausmass abzuschätzen. Auf der Grundlage der Empfehlung der OECD von 2014 wird auch das BFK in seiner Arbeit vermehrt auf das Toolkit abstützen. Dies wird es dem BFK ermöglichen, konsumrelevante Probleme und Lösungsansätze zu identifizieren.

Zitiervorschlag: Jean-Marc Vögele (2016). Standpunkt: Konsumenten treiben Innovation und Wachstum voran. Die Volkswirtschaft, 23. März.