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Ruf nach Teilzeitarbeit und Eigenverantwortung hat Folgen – auch für KMU

Die veränderten Bedürfnisse der Generation Y betreffen die Berufswelt. Auch KMU, die zunehmend um junge Nachwuchstalente kämpfen, müssen damit verbundene Forderungen nach Teilzeitarbeit und Wertschätzung ernst nehmen.
Limmat oder Büro? Die Generation Y will über die Arbeitszeit frei bestimmen können. (Bild: Keystone)

In der Schweiz sind die heute 20- bis 35-Jährigen mit dem Internet gross geworden, technikaffin und grösstenteils materiell abgesichert aufgewachsen. Allerdings sind diese Zugehörigen der Generation Y auch Krisenkinder – denken wir hier nur an die Klimaerwärmung mit ihren dramatischen Folgen, Amokläufe, Kriege fanatische Gruppierungen, 11. September, leer gefischte Weltmeere, Umweltverschmutzung und Naturkatastrophen. Diese Ereignisse haben die Ypsiloner, auch wegen der multimedialen Omnipräsenz, geprägt. Ihre Wertewelt unterscheidet sich dadurch deutlich von denen der Nachkriegsgenerationen (Babyboomer und Generation X).

Bei der Rekrutierung von jungen Nachwuchstalenten tun Unternehmen gut daran, diese veränderten Bedürfnisse zu respektieren. So fehlen in der Schweiz nicht nur Akademiker, sondern zunehmend auch Sanitäre, Elektriker, Lokführer, Pflegefachleute und Mechatroniker. Für bestimmte Fachrichtungen beginnen einige grosse Konzerne schon früh mit der Rekrutierung und holen sich ihre Fachkräfte bereits auf dem Campus der Hochschulen ab. Diese multinationalen Firmen bieten inzwischen ausserdem flexible Personalkonzepte für alle Lebensphasen ihrer Mitarbeitenden – egal ob es um den Familienzuwachs geht, den Hausbau, die Pflege von Angehörigen oder ein Sabbaticaljahr.

Nicht nur die Grossen, auch innovationsorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) brauchen ein fundiertes Wissen darüber, was die heutige Generation junger Arbeitskräfte von ihrem Arbeitgeber, der Karriere und der privaten Zukunft erwartet. Eine Onlineumfrage der Unternehmensberatung Praxis-Brücke aus Rheinfelden und des Weiterbildungszentrums Lenzburg bei Schweizer Firmen vom vergangenen Herbst (siehe Kasten) zeigt: Die Generation Y legt – nach Meinung der befragten Unternehmer und Personalzuständigen – Wert darauf, Freizeit und Beruf im Gleichgewicht zu halten. Die Jungen wollen nicht nach einem sturen Plan durchs Leben gehen, sondern viele verschiedene Dinge ausprobieren und am liebsten viele Länder und Kulturen kennenlernen.

Wichtig sind den Ypsilonern im Berufsalltag neben der bereits erwähnten Work-Life-Balance und einem modernen Arbeitszeitmodell eine sinngebende Tätigkeit und eine freundliche Arbeitsatmosphäre (siehe Abbildung 1). Sicher hätten die Babyboomer (1946 bis 1965) bei ihrem Berufseintritt noch deutlich anders abgestimmt. Das sieht man auch daran, dass der Lohn («wettbewerbsfähige Vergütung») von vielen der Generation Y nur mit «wichtig» und nicht mit «sehr wichtig» angegeben wurde. Es gilt also nicht mehr die Prämisse: «Mein Haus, mein Auto, mein Boot», sondern eher das Motto: «Wir wollen nicht leben, nur um zu arbeiten».

Abb. 1: Arbeitgeberwahl der Generation Y (Umfrage bei Unternehmen)




Anmerkung: Die Frage an die Unternehmen lautete: Wie gewichtet die Generation Y folgende Faktoren bei der Arbeitgeberwahl? Was denken Sie? (Anzahl Befragte = 363)

Quelle: Praxis-Brücke (2015) / Die Volkswirtschaft

Gesundheit der Arbeiter schützen


Die Verträglichkeit von Arbeit und Familie wird in allen Berufs- und Gesellschaftsgruppen in den nächsten zehn Jahren somit stärker nachgefragt werden. So werden Teilzeitstellen auch im Gewerbe an Priorität zunehmen. Allerdings sind flexible Arbeitszeitmodelle – etwa in kleinen Handwerksbetrieben, wo der Lehrling mit dem Meister auf die Baustelle geht – schwieriger umzusetzen als in kaufmännischen Berufen.

Um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, setzen immer mehr Unternehmen auf ein in der Firmenstrategie verankertes betriebliches Gesundheitsmanagement. Denn die Firmen profitieren von motivierten und gesunden Mitarbeitern.[1] Kleine Handwerksbetriebe machen zudem seit Längerem gute Erfahrungen mit der Loyalität ihrer Mitarbeitenden, wenn sie in einen modernen Maschinenpark investieren, um einseitige körperliche Belastungen so zu minimieren, dass die Gesundheit von Rücken und Bewegungsapparat der Mitarbeitenden bis zum Rentenalter erhalten bleibt.

Moderner Führungsstil


Burn-out und andere Stresserkrankungen werden generell seltener werden, da die Generation Y nicht mehr so lange wartet, bis sie «ausgebrannt» ist. Jahresarbeitszeit ist hier ein Zauberwort – ein anderes ist Teilzeit. Sich für ein Unternehmen aufzuopfern, wie es für die Babyboomer noch selbstverständlich war, ist out. Es gilt also nicht mehr: «Karriere um jeden Preis». Ein Grossteil der Generation Y setzt da ganz andere Prioritäten. Das neue Statussymbol ist: «Herr seiner eigenen Zeit zu sein».

Die Führungskräfte, die Personen der Generation Y im Team haben, sollten ein Augenmerk sowohl auf Management als auch auf Leadership haben, denn Ypsiloner brauchen beides: die anleitende ebenso wie die inspirierende Seite der Führung. Wer es also schafft, regelmässig einfühlsames und wertschätzendes Feedback zu geben, der kann die Jungen mit relativ geringem Aufwand zu mehr Leistungsbereitschaft bewegen, sie gar zu Höchstleistungen animieren. Bei der Umfrage stachen folgende Attribute mit Abstand am deutlichsten heraus: Offenheit, gegenseitiger Austausch und Authentizität. (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Bevorzugter Führungsstil der Generation Y (Umfrage bei Unternehmen)




Anmerkung: Die Frage an die Unternehmen lautete: Welcher Führungsstil, denken Sie, animiert die Generation Y zu Höchstleistungen? (Anzahl Befragte = 363)

Quelle: Praxis-Brücke (2015) / Die Volkswirtschaft

Demografischer Wandel


Gemäss dem Bundesamt für Statistik wird im Jahr 2020 der Anteil der über 50-Jährigen ein Drittel der Belegschaft ausmachen. Für das Personalerhaltungsmanagement steht daher eine effiziente und generationsübergreifende Zusammenarbeit im Vordergrund. Spätestens dann, wenn die Babyboomer nach und nach den Arbeitsmarkt in den wohlverdienten Ruhestand verlassen, wird der Mangel an qualifiziertem Personal und Nachwuchskräften deutlich werden.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Betriebe – und insbesondere die KMU – ihr Augenmerk zukünftig auf die systematische Mitarbeiterförderung von beiden Altersgruppen legen. Das ist der Schlüssel für den Erhalt der Motivation der Älteren und die Festigung der Loyalität zum Unternehmen bei den Jüngeren. Investitionen in die altersgerechte Weiterbildung beider Generationen lohnen sich, denn sie helfen einerseits die Fluktuation tief zu halten und andererseits die Produktivität zu erhöhen.

Es gilt ausserdem ein Klima zu schaffen, in dem Arbeitnehmer aus den verschiedenen Generationen bereit sind, voneinander zu lernen. Durch diesen kollegialen Austausch von Wissen werden vor allem intergeneratives Verständnis, Einfühlungsvermögen und Toleranz für die Unterschiede gefördert. Denn Talente haben Arbeitnehmer aller Alterskategorien. Um diese zu fördern, braucht es vor allem eine wertschätzende und transparente Unternehmenskultur.

  1. Vgl. Stress-Befragungsinstrument «S-Tool» auf der Internetseite der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. []

Zitiervorschlag: Hanspeter Fausch (2016). Ruf nach Teilzeitarbeit und Eigenverantwortung hat Folgen – auch für KMU. Die Volkswirtschaft, 25. Mai.

Umfang der Umfrage

Von August bis Oktober 2015 hat die Unternehmensberatung Praxis-Brücke zusammen mit dem Weiterbildungszentrum Lenzburg 363 Mitarbeitende von Schweizer Unternehmen befragt. Davon waren 82 in der Geschäftsleitung, 71 in der Bereichsleitung, 39 in der Personalleitung und 171 als Mitarbeitende tätig. Die Befragten bestanden aus 1% Veteranen (Jahrgänge 1900 bis 1945), 47% Babyboomern (1946 bis 1965), 37% Generation X (1966 bis 1980) und 15% Generation Y (1981 bis 1995). Die Umfrage wurde online durchgeführt.

Mehr auf Praxis-bruecke.ch unter dem Stichwort Generation Y.