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Menschen machen eine Stadt smart

Technologie ist kein Selbstzweck: Damit smarte Städte nicht zu Geisterstädten werden, müssen die Stadtplaner die Zivilgesellschaft mit einbeziehen.

Menschen machen eine Stadt smart

Leben am Fusse des Zürcher Prime Tower: Auf dem Gerold-Areal treffen Gärtner, Künstler und Barbesucher aufeinander. (Bild: Keystone)

Wenn man im Internet das Stichwort Smart City eingibt, erscheinen Pläne von infrastrukturlastigen, geordneten und sauberen Quartieren, in denen die Menschen weitgehend fehlen. Alles Ungeordnete und Chaotische des städtischen Lebens bleibt in diesem Ideal weg – fast ein bisschen langweilig.

Ein Blick auf die konzeptionellen Grundlagen der Smart City zeigt: «Smart» wird mit technologiegetrieben gleichgesetzt, und es geht um neue digitale Errungenschaften, die Lösungen für städtische Herausforderungen liefern und das Leben einfacher machen sollen. Das erinnert stark an die Technikgläubigkeit der Sechzigerjahre.

Der US-Stadtforscher Adam Greenfield kritisiert, von den Stadtbewohnern sei in den Smart-City-Konzepten wenig zu lesen.[1] Diese kommen allenfalls am Rande vor: als Konsumenten, deren Gewohnheiten von technischen Systemen beobachtet und gegängelt werden.

«Where are the citizens?», ist man also geneigt zu fragen. Für sie sollte die Smart City schliesslich da sein. Gemäss der Website des Bundesamtes für Energie Smartcity-schweiz.ch soll eine Smart City den Bewohnern maximale Lebensqualität bieten. Wenn man den Anspruch der Nachhaltigkeit bei ihrem Nennwert nimmt, dann müsste auch die soziale Dimension angesprochen werden: Städte sind nicht denkbar ohne Menschen, ohne gesellschaftliche Vielfalt, ohne den Mix von Einzelnen und Gruppen, die das Stadtleben mit ihren Aktivitäten anreichern.

Wer entwickelt die Stadt?


Das Smart-City-Konzept kann als ein neues Stadtideal betrachtet werden. Stadtideale sind genährt von der Idee, die Städte durch eine übergeordnete Vision für die Menschen besser zu machen – häufig verbunden mit einem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ästhetischen Programm.

Im Grunde geht es dabei um wünschenswerte Zielvorstellungen, in die sich eine Stadt entwickeln sollte. Es geht also um Stadtentwicklung – aber wer entwickelt die Stadt, damit sie smarter, grüner oder lebenswerter wird?

Der Begriff der «Stadtentwicklung» wird einerseits für jene Veränderungen, die scheinbar einfach geschehen, eingesetzt – wie etwa die schleichende Aufwertung mancher Stadtquartiere. Andererseits drückt er auch eine aktiv gesteuerte Veränderung aus (siehe Kasten 1).

Letztlich können jedoch alle Veränderungen im städtischen Raum menschlichen Einflüssen zugeordnet werden. Der Raum entwickelt sich aus der Summe zahlreicher Einzelentscheidungen, die dem allgemeinen gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel unterworfen sind und diesen wiederum beeinflussen. Die Frage ist also vielmehr: Werden räumliche Entwicklungen planmässig, absichtsvoll von übergeordneten Instanzen gesteuert? Oder entstehen sie eher unbeabsichtigt, zufällig oder als Nebenwirkung des Handelns von verschiedenen Akteuren?

In diesem Zusammenhang ist das Verhältnis zwischen Top-down und Bottom-up wichtig. Während Top-down für ein herkömmliches Planungsverständnis steht, bei dem planende Behörden Grundlagen setzen und Grundeigentümer sowie Investoren für die bauliche Umsetzung sorgen, meint Bottom-up, dass sich auch Menschen für Stadtentwicklung einsetzen, ohne dass sie dazu eingeladen werden.

Zivilgesellschaftliche Akteure, die sich für oder gegen bestimmte Entwicklungen einsetzen oder wehren, prägen das Stadtgefüge in nicht zu unterschätzender Weise. Statt mit Planungshoheit und Kapital tun sie dies mit fantasievollen Aktionen, mit Initiativen wie Urban Gardening, mit kreativ-kulturellen Zwischennutzungen (siehe Kasten 2) oder Aneignungen von Brachflächen. Wir können dieses Engagement als «Stadtentwicklung von unten» bezeichnen. Eine attraktive, kreative, vibrierende Stadt lebt auch von solchen Impulsen.

Es gibt – zum Glück – ein menschliches Bedürfnis, zu gestalten, sich zu engagieren, Dinge zu verändern, Begeisterung und Solidarität zu teilen. Tauschbörsen, öffentliche Bücherschränke, Repair-Cafés (wo man gemeinsam defekte Gegenstände repariert) oder Initiativen gegen Food-Waste: All das sind im Grunde lustvolle und begegnungsfördernde Ansätze, in Kreisläufen zu denken und eine Stadt nachhaltiger zu machen.

Leben statt Langeweile


Als Mittelweg aus dem Gegensatz zwischen Top-down und Bottom-up kann eine interaktionistische Sichtweise von Stadtentwicklung beigezogen werden. Gemäss diesem Ansatz betrachtet man die Stadt sowohl als sich ständig wandelndes Resultat von ungeplanten sozialen, politischen und ökonomischen Prozessen wie auch als Ergebnis von räumlicher Planung, Entwicklung und baulicher Gestaltung.

Soll das Smart-City-Konzept in Städten Erfolg haben, müssen deren Promotoren zivilgesellschaftliche Kräfte mit einbeziehen: nicht nur im Sinne von eingeladener Partizipation, wo mittels dialogischer Verfahren und Workshops die Bevölkerung mitreden kann. Sondern auch durch die Anerkennung und den Einbezug von zivilgesellschaftlichen Initiativen aller Art. Diese könnten dazu verhelfen, eine Smart City anzureichern und lebendig zu machen.

Der frühzeitige Einbezug von Bewohnern und von Bottom-up-Initiativen in ein Smart-City-Projekt ist ein mehrfacher Gewinn: Bedenken und Befürchtungen kann von Anfang an Rechnung getragen werden, aus Betroffenen werden Beteiligte. Und: Lokales Wissen und Ressourcen fliessen in das Vorhaben ein.

Smart ist eine City somit erst richtig, wenn die Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet und die Beteiligung ihrer Menschen gefördert wird. Innovation soll nicht nur für die Technik gelten, sondern auch für die Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren. Technologie kann zu alldem einen wichtigen Beitrag leisten, soll aber kein Selbstzweck sein.

  1. Greenfield, Adam (2013). Against the smart City. New York. []

Zitiervorschlag: Alex Willener (2016). Menschen machen eine Stadt smart. Die Volkswirtschaft, 22. Juni.

Kasten 1: Was heisst «entwickeln»?

Das Verb «entwickeln» hat zwei Bedeutungen. So sagt man beispielsweise: «Das Quartier hat sich zur Ausgehmeile entwickelt.» Hier steht der ungeplante Prozess im Vordergrund. Wenn man aber sagt: «Das Areal wird durch einen Investor entwickelt», handelt es sich andererseits um ein gezieltes Einwirken von Akteuren.

Kasten 2: Zwischennutzung eines Hallenbades in Luzern

Ein Erfolgsbeispiel für eine gelungene Zwischennutzung: Das alte Hallenbad von Luzern gab seinen Betrieb 2012 auf. Der Verein Netzwerk Neubad erhielt von der Stadt einen vorerst auf vier Jahre befristeten Vertrag zur Nutzung des Gebäudes. Nach rund 8000 Stunden Freiwilligenarbeit öffnete der Betrieb im September 2013. Nebst einem Bistro finden sich heute im Neubad Räume für kulturelle Anlässe, Ateliers, Büros für Start-up-Unternehmen, NGOs und Vereine – und ein Gemüsegarten auf der Terrasse.

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