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Frankenstärke als wirtschaftspolitische Herausforderung

Der starke Franken fordert den Bund: Ergänzend zur Geld- und Währungspolitik der Nationalbank setzt der Bundesrat auf gezielte kurzfristige Massnahmen wie Kurzarbeitsentschädigung und vor allem auf langfristig gute Rahmenbedingungen.
Der Bundesrat verspricht sich von der Digitalisierung Wachstumsimpulse. Testfahrt eines selbstfahrenden Postautos in Sion. (Bild: Keystone)

Die Krise ist zwar ausgeblieben, trotzdem hat die Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015 in der Schweiz zu einer deutlichen Konjunkturabkühlung geführt. Dementsprechend fiel das BIP-Wachstum letztes Jahr mit 0,9 Prozent[1] deutlich schwächer als in den Vorjahren (1,8 Prozent 2013 und 1,9 Prozent 2014) aus. Die Verlangsamung ist in erheblichem Masse auf den starken Franken zurückzuführen, der die internationale Konkurrenzfähigkeit der Exportwirtschaft beeinträchtigt (zum Frankenkurs siehe Abbildung 1). Daneben spielten aber auch andere Faktoren wie schwächere Impulse aus den Schwellenländern sowie die Abkühlung der Baukonjunktur im Inland eine Rolle.

Abb. 1: Kursentwicklung des Frankens zu Euro und Dollar seit 1999




Quelle: SNB / Die Volkswirtschaft

Die negativen Effekte des starken Frankens zeigen sich nicht zuletzt im Quervergleich mit Ländern, die nicht mit einer aufwertenden Währung konfrontiert waren. So lag das Wirtschaftswachstum in der Schweiz im letzten Jahr erstmals seit über zehn Jahren wieder unter jenem des Euroraums, der ein BIP-Wachstum von 1,6 Prozent verzeichnete.

Hinter der generellen Konjunkturverlangsamung steht ein heterogenes Bild nach Branchen, welche in unterschiedlichem Masse von der Frankenstärke betroffen sind. Insbesondere die exportorientierten und währungsexponierten Sektoren der Wirtschaft – weite Teile der Exportindustrie, aber auch inländische Zulieferer, Tourismus sowie Detailhandel – stehen unter erhöhtem Kosten- und Margendruck. Diese Branchen dürften noch länger mit grossen Herausforderungen und schmerzhaften Strukturanpassungen konfrontiert sein.[2] Demgegenüber sind diverse binnenwirtschaftlich orientierte Dienstleistungsbranchen und das Baugewerbe von der Frankenstärke unmittelbar weniger betroffen. Allenfalls überwiegen hier dank der günstiger gewordenen Importe sogar die Vorteile.

Eineinhalb Jahre nach der Aufhebung des Mindestkurses lässt sich vorläufig bilanzieren: Die Wirtschaft ist mit einem blauen Auge davongekommen. Zum einen ist der damalige Aufwertungsschock seither wieder teilweise überwunden – insbesondere wenn man die um die Inflation bereinigten Wechselkurse betrachtet. Zum andern haben sich viele Firmen mittlerweile dem veränderten Währungsumfeld angepasst und beurteilen ihre Geschäftsaussichten wieder mit wachsender Zuversicht. Dies belegen etwa die jüngsten Umfragen in der Industrie. So rechnet die Expertengruppe des Bundes in der Konjunkturprognose vom 16. Juni für das laufende und das nächste Jahr mit einer moderaten Wachstumserholung in der Schweiz. Trotz dieser leichten Entspannung bleibt die Währungslage für die Wirtschaft weiterhin herausfordernd. Umso mehr, als der Franken angesichts des Brexit-Entscheids und der damit verbundenen Unsicherheiten kurzfristig wieder verstärkt unter Aufwertungsdruck geraten könnte. Darüber hinaus gibt es mittelfristig weitere Risiken. Hierzu zählen etwa strukturelle Probleme in verschiedenen Handelspartnerländern sowie die Unsicherheiten über die künftigen Beziehungen zur EU.

Wirtschaftspolitische Sofortmassnahmen


Zur Bekämpfung einer übermässigen Frankenstärke steht in erster Linie die Geld- und Währungspolitik der Nationalbank im Vordergrund. Denn: Nur die Notenbank kann den Wechselkurs direkt beeinflussen. Das Instrument der Negativzinsen etwa wirkt der Aufwertung des Frankens entgegen und hilft, Wechselkurs, Preis- und Wirtschaftsentwicklung zu stabilisieren. Und wenn der Aufwertungsdruck wieder zunehmen sollte, stehen der Nationalbank weitere Instrumente zur Verfügung. So kann sie beispielsweise stärker am Devisenmarkt intervenieren.

Vonseiten des Bundes wurden zur Abfederung der Frankenstärke ergänzend verschiedene gezielte wirtschaftspolitische Massnahmen ergriffen. So steht den Unternehmen mit der Kurzarbeitsentschädigung ein bewährtes Instrument zur Verfügung, um schwierige Wirtschaftsphasen zu überbrücken und Arbeitsplätze zu sichern. Als Reaktion auf die Frankenstärke sind seit Ende Januar 2015 Wechselkursschwankungen zur Begründung einer Entschädigung zugelassen. Zudem hat der Bundesrat seit Februar 2016 die Höchstbezugsdauer von Kurzarbeitsentschädigung von zwölf auf achtzehn Monate verlängert sowie den Selbstbehalt der Unternehmen an den Ausfallstunden (sogenannte Karenzzeit) gesenkt. Dadurch erhalten die betroffenen Unternehmen mehr Zeit, sich an die angespannte Lage anzupassen und allenfalls neue Absatzmärkte zu erschliessen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Innovationsförderung – auch diese hat der Bundesrat verstärkt. So hat er im vergangenen Februar 61 Millionen Franken zusätzlicher Fördergelder genehmigt, über welche die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) gemäss dem Entscheid des Parlamentes in der Sommersession ab dem 1. Juli 2016 verfügen kann. Damit sollen insbesondere exportorientierte klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) entlastet werden, die aufgrund der Frankenstärke stark unter Druck geraten sind. Die Sondermassnahmen sind zeitlich bis Ende 2016 befristet. Sie ergänzen die im vergangenen Jahr getroffenen Massnahmen wie etwa den Erlass des Barbeitrags bei Forschungs- und Entwicklungsgesuchen sowie die Beschleunigung der Projekte im ETH-Bereich seit August 2015.

Abgesehen von solch punktuellen Massnahmen ist der kurzfristige Spielraum der Wirtschaftspolitik angesichts einer stark überbewerteten Währung begrenzt. So machen etwa breit angelegte Konjunkturprogramme wenig Sinn, weil diese erfahrungsgemäss vor allem die (zurzeit stabile) Binnennachfrage stützen, jedoch der von der Frankenaufwertung betroffenen Exportindustrie nur wenig helfen. Exportorientierte Sektoren mit Konjunkturprogrammen zu unterstützen, ist besonders schwierig, da bei Firmen, die in internationale Produktionsnetzwerke eingebunden sind, in der Regel ein grosser Teil der Förderung die Wertschöpfung im Ausland begünstigt.

Stärkung der Rahmenbedingungen im Mittelpunkt


Schwergewichtig setzt die Wirtschaftspolitik daher auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen, um den Standort trotz starker Währung attraktiv zu halten. Wichtig in diesem Zusammenhang sind etwa die Sicherung und die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs mit der EU, die bestmögliche Erhaltung des flexiblen Arbeitsmarktes, der Zugang zu ausländischen Märkten mit weiteren Freihandelsabkommen und nicht zuletzt Massnahmen zur administrativen Entlastung. Mit seinem Bericht zur administrativen Entlastung vom 2. September 2015 will der Bundesrat den administrativen Aufwand für Unternehmen senken. Dazu hat er 31 neue Massnahmen beschlossen, darunter finden sich der Aufbau einer virtuellen Anlaufstelle für Unternehmen (sogenannter One-Stop-Shop), die vereinfachte Zahlung der Mehrwertsteuer oder die Steigerung der Nutzerzahlen für die Lohndatenübermittlung via einen einheitlichen Lohnstandard.[3] Der Bericht zeigt: Auch wenn die Schweiz bei der administrativen Belastung im internationalen Vergleich relativ gut abschneidet, gibt es noch Potenzial zur Entlastung der Unternehmen.

Im Zentrum der Massnahmen zur Stärkung der Rahmenbedingungen steht die Wachstumspolitik des Bundes. Diese wurde vom Bundesrat im Hinblick auf die Wachstumsschwäche der Neunzigerjahre lanciert und bündelt verschiedene Reformmassnahmen, welche ein erhöhtes Wachstum der Arbeitsproduktivität zum Ziel haben.

Auch die Wachstumspolitik der aktuellen Legislaturperiode steht im Zeichen konjunktureller Herausforderungen. Überdies haben verschiedene politische Vorstösse die bisherige Wirtschaftspolitik der Schweiz in den letzten Jahren zunehmend infrage gestellt. Zu nennen ist hierbei insbesondere die Annahme des neuen Art. 121a der Bundesverfassung durch die Bevölkerung, wodurch die Personenfreizügigkeit und die damit verbundenen Beziehungen zur EU als wichtige Pfeiler der Wachstums- und Wirtschaftspolitik der Schweiz infrage gestellt wurden. Zudem wurde die Wirtschaftspolitik mit der Notwendigkeit der Aufarbeitung der Finanzkrisen seit 2008 und der Umsetzung der daraus gezogenen Lehren konfrontiert.

«Neue Wachstumspolitik»


Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat im Jahr 2014 entschieden, seine Wachstumspolitik einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen. Am 21. Januar 2015 veröffentlichte der Bundesrat den Bericht «Grundlagen für die Neue Wachstumspolitik – Analyse der bisherigen und Ausblick auf die zukünftige Strategie». Darin kommt er zum Schluss, dass die Wachstumspolitik künftig neu ausgerichtet werden soll. Der Bundesrat will im Rahmen einer «Neuen Wachstumspolitik» nach wie vor das Wirtschaftswachstum fördern und langfristig die Arbeitsplätze und den Wohlstand in unserem Land sichern. Gleichzeitig soll jedoch mit dem neuen Reformpaket dieser erste Pfeiler der Wachstumspolitik um zwei weitere Pfeiler ergänzt werden: die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaft und die Milderung problematischer Nebenwirkung des quantitativen Wachstums (siehe Abbildung 2). Damit unterstreicht der Bundesrat, dass er mit der Wachstumspolitik ein nachhaltiges und breit akzeptiertes Wachstum anstrebt.

Abb. 2: Massnahmen der Neuen Wachstumspolitik 2016–2019


Busch Schmidbauer Anthamatten

Quelle: Seco / Die Volkswirtschaft

Höhere Arbeitsproduktivität


Gemäss der am 22. Juni 2016 verabschiedeten «Neuen Wachstumspolitik 2016–2019» stellt der Bundesrat die Belebung des Wachstums sowie die Stärkung von Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit nach wie vor als prioritäre Säule in den Mittelpunkt der Wachstumspolitik. Dabei geht es dem Bundesrat jedoch um ein qualitatives Wachstum im Sinne einer gesteigerten gesamtwirtschaftlichen Produktivität.

Zentral dabei ist die weiter gehende Öffnung der Wirtschaft durch die Erleichterung von Importen, den Abbau von Handelsschranken und die Erweiterung des Marktzugangs, wobei der Erhalt und die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU – dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner der Schweiz – eine Schlüsselrolle spielen. Darüber hinaus strebt der Bundesrat die Stärkung des Produktivitätswachstums durch Intensivierung des Wettbewerbs und bessere Regulierung in verschiedenen Bereichen der Binnenwirtschaft an. Besonderer Handlungsbedarf besteht zudem bei der Nutzung der Potenziale der digitalen Wirtschaft und im Bereich der administrativen Entlastung der Wirtschaft.

Widerstandsfähigere Wirtschaft


Neben der Arbeitsproduktivität soll als zweiter Pfeiler die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft Aufnahme in die Wachstumspolitik finden. Die Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre haben in vielen Ländern eindrücklich gezeigt, dass solche Krisen massive und lang anhaltende Folgen für Arbeitsplätze und Wohlstand haben können.

Zwar ist die Schweiz bisher von diesen Krisen weit weniger getroffen als andere Länder, dennoch sind Risiken auszumachen – insbesondere bezüglich der hohen Verschuldung sowohl im Finanzsektor als auch bei den privaten Haushalten. Zudem gilt es, die solide Finanzsituation beim Bundeshaushalt auch in Zukunft zu gewährleisten. Der zweite Pfeiler der aktuellen Wachstumspolitik enthält daher verschiedene Massnahmen zur Reduktion der sektoriellen Verschuldung. Beispiele dafür sind das Konsolidierungsprogramm bei den Staatsausgaben des Bundes oder die verbesserte Regulierung systemrelevanter Banken.

Umweltpolitik im Fokus


Eine nachhaltige Wachstumspolitik fokussiert vor allem auf die Qualität und nicht nur auf die Quantität des Wachstums. Namentlich müssen die mit dem quantitativen Wachstum verbundenen negativen Auswirkungen begrenzt werden. Die dritte Säule der Wachstumspolitik rückt daher die Energie- und Umweltpolitik in den Vordergrund. Dabei gilt es insbesondere, im Rahmen der Weiterentwicklung der Energiestrategie auf Basis eines Lenkungssystems mit einem längerfristig auf die vermehrte Internalisierung externer Kosten des Energiekonsums gelegten Fokus die mit dem Wachstum einhergehenden Belastungen auf öffentliche Umweltgüter zu reduzieren.

Gleichzeitig sollen zielgerichtete Massnahmen den sparsamen Umgang mit Ressourcen auch in den Bereichen Raumplanung, Infrastrukturen und Wohnungswesen fördern. Denn angesichts des stark gestiegenen Flächenverbrauchs besteht hier zunehmend Handlungsbedarf. Lohnenswert erscheint hier insbesondere die effizientere Nutzung der Verkehrsinfrastrukturen.

Bewährte Wirtschaftspolitik


Die Schweizer Wirtschaft konnte sich im herausfordernden weltwirtschaftlichen Umfeld der letzten Jahre gut behaupten. Hierzu hat nicht zuletzt eine umsichtige Konjunktur- und Wirtschaftspolitik beigetragen. So sind in der Schweiz die automatischen Stabilisatoren – etwa über die Arbeitslosenversicherung – grosszügig ausgestaltet und tragen damit im Falle einer Konjunkturabschwächung wesentlich zur Stabilisierung der Nachfrage bei. Für den Fall einer schweren Krise besteht zudem ausreichend Spielraum für aktive konjunkturpolitische Massnahmen, wie sich etwa in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 gezeigt hat.[4]

Insbesondere profitiert aber die Wirtschaft in der aktuell schwierigen Lage davon, dass die Wirtschaftspolitik den Schwerpunkt auch in der Vergangenheit auf die Verbesserung der langfristigen Rahmenbedingungen gelegt hat. Auf dieser bewährten Schiene gilt es künftig weiterzufahren.

  1. Provisorisches Ergebnis. []
  2. Vgl. den Beitrag von Ursina Jud Huwiler und Thomas Ragni (Seco) zur Arbeitsmarktentwicklung in dieser Ausgabe. []
  3. Lohnstandard-CH (ELM). []
  4. Vgl. Seco-Bericht über die Stabilisierungsmassnahmen 2009/10 vom 15. Mai 2012. []

Zitiervorschlag: Christian Busch, Uschi Anthamatten, Frank Schmidbauer, (2016). Frankenstärke als wirtschaftspolitische Herausforderung. Die Volkswirtschaft, 25. Juli.