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Unterschiedliche Interessen bei den Geldspielen

Mit dem neuen Geldspielgesetz sollen die für die Spielbanken und Lotterien geltenden Rechtsvorschriften revidiert und vereinheitlicht werden. Das Gesetz regelt auch die Spielangebote im Internet und die Prävention.

Unterschiedliche Interessen bei den Geldspielen

Zwei Seiten einer Münze: Den Steuereinnahmen aus Geldspielen stehen oft grosse persönliche Verluste gegenüber. (Bild: Keystone)

Das Bundesgesetz betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten (LG) ist seit 1923 in Kraft. Gegenwärtig dürfen zwei Lotteriegesellschaften in der Schweiz entsprechende Spiele durchführen: Swisslos für die Deutschschweiz, das Tessin und Liechtenstein und die Loterie romande für die Westschweiz.

Bei den Spielbanken dauerte es jedoch etwas länger. Erst im April 2000 durften in der Schweiz entsprechend dem Spielbankengesetz (SBG) 19 Spielbanken eröffnet werden. Seither gehört die Schweiz zu den Ländern mit der höchsten Spielbankendichte weltweit.

Mit der Verbreitung des Internets sind weltweit zahlreiche Online-Spielbanken entstanden. Doch gegenwärtig ist es keiner Schweizer Spielbank gestattet, diesen neuen Vertriebskanal zu nutzen. Die ausländischen Online-Spielbanken zählen immer mehr Spieler aus der Schweiz zu ihren Kunden. Die in unserem Land geltende Aufsicht und die Schutzmassnahmen kommen bei diesen Spielern jedoch nicht zum Tragen.

Am 21. Oktober 2015 hat der Bundesrat eine Botschaft mit dem Ziel verabschiedet, das SBG und das LG in einem einzigen Gesetz zu vereinigen: dem Bundesgesetz über Geldspiele (BGS). Dieses wird es den Schweizer Spielbanken insbesondere gestatten, bisher untersagte Onlinespiele anzubieten. Das neue Gesetz wird ausserdem einen Abschnitt zur Prävention beinhalten.

Gesellschaft und Wirtschaft profitieren


Der Bundesrat erteilt die Konzessionen, die für den Betrieb einer Spielbank erforderlich sind. Dabei gibt es zwei Arten: sogenannte A- und B-Konzessionen. Für Spielbanken mit einer Konzession A gelten keine Beschränkungen – weder für die Höhe der Einsätze noch für die Zahl der Geldspielautomaten oder Tischspiele. Spielbanken mit einer Konzession B dagegen dürfen höchstens drei Arten von Tischspielen anbieten und maximal 250 Geldspielautomaten betreiben. Beschränkt ist ausserdem die Höhe der möglichen Gewinne.

Beide Spielbanktypen werden mit einer progressiven Abgabe auf ihren Bruttospielertrag (Umsatz) besteuert.[1] Die erhobene Spielbankenabgabe wird jedoch unterschiedlich verwendet: Die Abgabe der A-Spielbanken ist vollständig für die AHV bestimmt. Die Abgabe der B-Spielbanken geht jedoch nur zu 60 Prozent an die AHV. Die übrigen 40 Prozent gehen an den betreffenden Kanton. Was die Lotterien betrifft, muss gemäss dem LG der gesamte Reingewinn für gemeinnützige Tätigkeiten verwendet werden.

Für die Schweizer Wirtschaft sind die Geldspiele von erheblicher Bedeutung – sowohl in Bezug auf die Arbeitsplätze als auch hinsichtlich der Steuereinnahmen. Gemäss Schätzungen bestehen im Bereich der Lotterien 11’500 Arbeitsplätze (Verkaufsstellen und Angestellte der Lotteriegesellschaften). Die Spielbanken beschäftigen rund 2300 Personen.[2] Im Jahr 2014 haben die Spielbanken einen Bruttospielertrag von 710 Millionen Franken erzielt. Davon gingen 287 Millionen an die AHV und 50 Millionen an die Kantone. Im gleichen Jahr haben die Lotterien einen Bruttoertrag von 955 Millionen Franken erwirtschaftet, wovon 556 Millionen den Kantonen zugewiesen wurden. So flossen 2014 dank den Geldspielen insgesamt rund 893 Millionen Franken an Bund und Kantone.[3]

Kostenfaktor Spieler


2007 befasste sich die Schweizerische Gesundheitsbefragung zum ersten Mal mit den Geldspielen. Dabei wurden die Merkmale der Spieler in der Schweiz festgehalten. Diese lassen sich in drei Gruppen unterteilen: Freizeitspieler, Risiko- oder Problemspieler sowie pathologische Spieler (oder Spielsüchtige). Für die erste Gruppe sind Geldspiele ein Freizeitvergnügen. Bei dieser Gruppe sind keine negativen Auswirkungen zu verzeichnen. Die Risikospieler weisen zwar gewisse Symptome von exzessivem Spiel, aber dennoch nicht alle Kriterien von pathologischen Spielern auf. Die Spielsucht der pathologischen Spieler entspricht einer genauen Diagnose.[4] Diese Spieler frönen zwanghaft irgendwelchen Geldspielen. Das hat zahlreiche negative Auswirkungen wie Beziehungsprobleme, Verschuldung, Arbeitslosigkeit und viele mehr.

Problemspieler besonders gefährdet


Bei einem Vergleich zwischen Nichtspielern und Freizeitspielern lässt sich feststellen, dass bei Letzteren der Anteil der Männer und der jungen Menschen höher ist und dass diese über höhere Einkommen verfügen. Aufgrund ihres Alkoholkonsums und des damit verbundenen möglichen Alkoholmissbrauchs entsprechen sie jedoch einer Risikogruppe.[5]

Wenn man die Analyse auf Personen begrenzt, die Geldspiele spielen, und wenn man die Freizeitspieler mit den Problemspielern und den pathologischen Spielern vergleicht, lässt sich festhalten, dass diese Spielertypen sehr unterschiedlich sind. Der Anteil der Problemspieler steigt mit zunehmendem Alter an. Problemspieler leiden doppelt so häufig an einer schweren Depression wie Freizeitspieler. Ausserdem spielen die drei Gruppen auch nicht die gleichen Geldspiele. Die Problemspieler besuchen zwei Mal häufiger eine Spielbank und spielen sieben Mal häufiger Geldspiele im Internet.[6] Ausserdem weisen sie auch tiefere Einkommen auf als die Freizeitspieler.

Geldspiele verstärken Ungleichheit


Damit der Staat und die Gesellschaft ihren Anteil an den Einnahmen der Spielbanken erhalten, müssen zahlreiche Spieler ihre Einsätze verlieren. Es stellt sich daher die Frage, ob sich diese Personen entsprechend ihrem Einkommen an der Spielbankenabgabe beteiligen oder ob es sich um eine regressive Abgabe handelt. Diese Frage ist umso bedeutender, da eine französische Studie zum Schluss gekommen ist, dass rund 40 Prozent des Umsatzes aus Geldspielen von Problemspielern stammen.[7] Diese Personen entsprechen nur etwa 2 Prozent der Bevölkerung und beziehen in der Regel nur geringe Einkommen. Genauere Daten zur Herkunft der erzielten Erträge wären daher interessant.

Eine Studie, die auf der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2007 beruht, hat diese Frage untersucht. Mittels zweier verschiedener Methoden kommt die Studie zum Schluss, dass Personen mit geringem Einkommen verhältnismässig mehr für Geldspiele ausgeben als finanziell bessergestellte Personen.[8] Erstere leisten somit im Vergleich einen höheren Beitrag an die Einnahmen der Spielbanken und Lotterien. Dies bedeutet, dass die bei den Spielbanken erhobenen Abgaben wie auch der verteilte Gewinn der Lotterien einen regressiven Charakter haben. Der Aspekt der Umverteilung wurde indessen in dieser Studie nicht analysiert.

Ein schwer zu definierendes Gleichgewicht


Wie man sehen kann, sind Geldspiele ein ziemlich komplexes Thema. Es ist schwierig, ein Gleichgewicht zwischen Prävention, Steuereinnahmen sowie individuellen oder wirtschaftlichen Freiheiten zu definieren, denn das Umfeld ist einem ständigen Wandel unterworfen. Für die grosse Mehrheit der Spieler sind Geldspiele ein Freizeitvergnügen. Zudem kommt letztlich ein beträchtlicher Teil der Einnahmen aus Geldspielen der Bevölkerung zugute. Doch die verheerenden Folgen, die Geldspiele auf die Lebensqualität pathologischer Spieler haben können, dürfen nicht einfach ausser Acht gelassen werden.[9]

  1. Gesamtsumme der Einsätze der Spielerinnen und Spieler abzüglich ihrer Gewinne. []
  2. BJ (2014). []
  3. ESBK (2014), Comlot (2014). []
  4. American Psychiatric Association (2000). []
  5. Kohler (2012). []
  6. Kohler (2012). []
  7. Costes (2015). []
  8. Kohler (2016). []
  9. Kohler (2014). []

Literaturverzeichnis

  • American Psychiatric Association (2000). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. revidierte Aufl., Washington D. C.
  • Interkantonale Lotterie- und Wettkommission (Comlot) (2014). Jahresbericht.
  • Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) (2014). Jahresbericht der Eidgenössischen Spielbankenkommission, Bern.
  • Costes J.-M. (2015). Quelle part du chiffre d’affaire des jeux d’argent est-elle attribuable aux joueurs problématiques? Observatoire des jeux, Paris.
  • Kohler D. (2015). On the Regressivity of Gambling Taxes in Switzerland, in:, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik.
  • Kohler D. (2014). A Monetary Valuation of the Quality of Life Loss Associated with Pathological Gambling: An Application Using a Health Utility Index, in: Journal of Gambling Issues 29, S. 1–23.
  • Kohler D. (2012). Risk Factors for Gambling and Problem Gambling: An Analysis of the Swiss Health Survey 2007. Working Paper, Universität Neuenburg.
  • Bundesamt für Justiz (BJ) (2014). Erläuternder Bericht zum Entwurf des Bundesgesetzes über Geldspiele (BGS), Bern.

Bibliographie

  • American Psychiatric Association (2000). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. revidierte Aufl., Washington D. C.
  • Interkantonale Lotterie- und Wettkommission (Comlot) (2014). Jahresbericht.
  • Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) (2014). Jahresbericht der Eidgenössischen Spielbankenkommission, Bern.
  • Costes J.-M. (2015). Quelle part du chiffre d’affaire des jeux d’argent est-elle attribuable aux joueurs problématiques? Observatoire des jeux, Paris.
  • Kohler D. (2015). On the Regressivity of Gambling Taxes in Switzerland, in:, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik.
  • Kohler D. (2014). A Monetary Valuation of the Quality of Life Loss Associated with Pathological Gambling: An Application Using a Health Utility Index, in: Journal of Gambling Issues 29, S. 1–23.
  • Kohler D. (2012). Risk Factors for Gambling and Problem Gambling: An Analysis of the Swiss Health Survey 2007. Working Paper, Universität Neuenburg.
  • Bundesamt für Justiz (BJ) (2014). Erläuternder Bericht zum Entwurf des Bundesgesetzes über Geldspiele (BGS), Bern.

Zitiervorschlag: Dimitri Kohler (2016). Unterschiedliche Interessen bei den Geldspielen. Die Volkswirtschaft, 01. September.

Von der Forschung in die Politik

Die «Volkswirtschaft» und die ­Schweizerische Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik verbessern den Wissenstransfer von der For­schung in die Politik: Aktuelle wissen­schaftliche Studien mit einem starken Be­zug zur schweizerischen Wirtschafts­poli­tik erscheinen in einer Kurzfassung in der «Volkswirtschaft».