Suche

Abo

Jobsharing hat nicht nur Vorteile

Dank Jobsharing lassen sich Familie und Beruf besser vereinbaren. Wenn dies jedoch nur Frauen praktizieren, ist diese Arbeitsform nichts anderes als eine weitere Ausprägung von Teilzeitarbeit – mit all ihren Nachteilen.

Jobsharing hat nicht nur Vorteile

In den meisten Familien bleiben die Mütter öfter zu Hause als die Väter. (Bild: Keystone)

Wer eine Familie gründen möchte und gleichzeitig arbeiten will, steht vor grossen Herausforderungen. Diese sind in der Schweiz noch schwieriger zu bewältigen als in anderen Ländern.[1] So sind die Angebote an familienexterner Kinderbetreuung unzureichend. Ausserdem erschweren in den meisten Kantonen die Unterrichtszeiten der Schulen eine Vollzeitarbeit, und die Kosten für die Fremdbetreuung sind abschreckend hoch.

Die Schweiz gehört zu den Industriestaaten, die am wenigsten staatliche Mittel für die Familienpolitik aufwenden.[2] Dies gilt insbesondere für die Angebote im Bereich der Kleinkinderbetreuung. Im internationalen Vergleich setzen Schweizer Eltern den grössten Anteil ihres Einkommens für die familienergänzende Kinderbetreuung ein. Zu diesen Kosten kommen verhältnismässig hohe Steuern. Denn das Steuersystem kennt keine Individualbesteuerung und besteuert insbesondere den Mittelstand stark progressiv.

Da auch die Kinderbetreuungskosten von der Höhe des Einkommens abhängen, hält das System den zweiten Erwerbstätigen eines Elternpaars – in der Regel ist das die Mutter – davon ab, wöchentlich mehr als zwei oder drei Arbeitstage einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.[3]

Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schneidet die Schweiz bei der Gleichstellung der Geschlechter schlecht ab: Sie liegt auf dem 27. Rang und damit weit hinter den meisten anderen europäischen Ländern. Insbesondere die beruflichen Möglichkeiten von Frauen werden als unbefriedigend erachtet, da lediglich ein Viertel der Frauen Vollzeit arbeitet – gegenüber drei Vierteln bei den Männern. Unter diesen Umständen hat Teilzeitarbeit bestenfalls eine Stagnation von beruflicher Karriere und Lohn zur Folge, im schlimmsten Fall bewirkt sie eine Rückstufung.

Eine Aufteilung einer Stelle in zwei gleiche Teile erscheint somit grundsätzlich als Fortschritt. Insbesondere das sogenannte Topsharing – eine geteilte Führungsposition – bietet die Möglichkeit, trotz Teilzeitarbeit eine verantwortungsvolle Funktion auszuüben. Dennoch sind die Risiken und Nachteile dieser Arbeitsform nicht zu unterschätzen. Namentlich in Bezug auf die Gleichstellung von Mann und Frau kommen die gleichen Nachteile zum Zuge wie bei der Teilzeitarbeit.

Die «Rabenmütter»


Die in Teilzeit ausgeübte Erwerbstätigkeit hat sich in den Neunzigerjahren stark entwickelt. Sie galt als idealer Kompromiss zwischen dem Wunsch der Frauen nach beruflicher Verwirklichung und ihren Vorstellungen vom Muttersein. Die Frauen der letzten Jahrgänge der Babyboomer-Generation standen im Spannungsfeld zwischen der Vorgängergeneration, die sich hauptsächlich auf ihre Mutterpflichten und die Arbeiten im Haushalt konzentriert hatte, und ihrem Bedürfnis, auch ausserhalb des Haushalts einer Tätigkeit nachzugehen. Vor diesem Hintergrund haben sie sich als Kompromiss für die Teilzeitarbeit entschieden.

Auch die öffentliche Hand profitiert: Sie spart umfangreiche Investitionen in die familienergänzende Kinderbetreuung. Es kommt zwar selten vor, dass Arbeitgeber ihren Angestellten, die eigentlich mehr arbeiten möchten, eine Teilzeitarbeit aufzwingen. Trotzdem wirft der «freie Entscheid» für die Teilzeitarbeit einige Fragen auf.

Der Mythos von der «Rabenmutter», die ihr Kind extern betreut und damit vermeintlich im Stich lässt, ist insbesondere in der Deutschschweiz noch immer weit verbreitet. Ausserdem ist die liberale Auffassung, die durch Kinder verursachten Kosten seien Privatsache, ebenfalls nach wie vor in vielen Köpfen verankert, wie sich bei allen Abstimmungen über familienpolitische Fragen gezeigt hat – sei es bei der Mutterschaftsversicherung oder beim Verfassungsartikel über die Familienpolitik, mit dem den Kantonen eine gewisse Verantwortung für die familienergänzende Kinderbetreuung übertragen werden sollte.

Eine ungleiche Wahl


Die Kombination von institutionellen und regulatorischen Faktoren hat zur schwierigen Situation geführt, mit der wir heute in der Schweiz konfrontiert sind. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie lastet hauptsächlich auf den Schultern der Frauen, welche sich für ein Familienmodell «entscheiden». Demgegenüber wird die berufliche Karriere von Vätern nicht beeinträchtigt. Entsprechend hängt der Beschäftigungsgrad der Mütter von ihrem Einkommen, vom Einkommen des Partners, vom Alter der Kinder und vom Angebot im Bereich der Betreuungsstrukturen ab.

Die Übervertretung von Männern bei den Vollzeitstellen und von Frauen bei der Teilzeitarbeit lässt sich in allen Altersgruppen feststellen. Die Unterschiede beim beruflichen Werdegang zwischen Vätern und Müttern sind der Grund dafür, dass sich hauptsächlich Frauen für ein Arbeitsmodell wie das Jobsharing interessieren. Je nach sozialer Schicht fällt der «Entscheid» für die Teilzeitarbeit allerdings unterschiedlich aus. So ziehen sich Frauen mit einem höheren sozioökonomischen Status nach der Geburt ihrer Kinder weniger häufig vom Arbeitsmarkt zurück. Es ist davon auszugehen, dass diese gut ausgebildeten Frauen am ehesten ein Jobsharing oder ein Topsharing für sich in Anspruch nehmen.

Wäre die Reduktion des Beschäftigungsgrads gleichmässig auf beide Partner verteilt, würde sie die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nicht verstärken. Bleibt hingegen die Teilzeitarbeit hauptsächlich eine Sache der Frauen, besteht weiterhin die Gefahr, dass sie als minderwertige Arbeitsform betrachtet wird – als Besonderheit, die auf eine traditionelle Rollenverteilung zurückzuführen ist. Die Teilzeitarbeit zementiert diese stereotype Aufgabenteilung, indem die Teilzeitarbeit als etwas betrachtet wird, was in erster Linie Frauen betrifft.

Wenn also Frauen weiterhin hauptsächlich für die Hausarbeit zuständig sind, während die Männer weiterhin zwei Drittel zum Familieneinkommen beisteuern, ist zu befürchten, dass die Ungleichheit weiter zunimmt oder dass sie zumindest beibehalten wird. Männer und Frauen werden dadurch auch in Zukunft nicht im gleichen Umfang in die berufliche Vorsorge einzahlen, und sie werden nicht die gleichen Karrierechancen haben.

Zweifellos vermögen Job- oder Topsharing die Nachteile, welche die Teilzeitarbeit mit sich bringt, am besten zu kompensieren. Aber: Das heutige bürgerliche Familienmodell – der Mann arbeitet zu 100 Prozent und die Frau zu 50 Prozent – wird nicht infrage gestellt. Indem die Frauen weiterhin den wesentlichen Teil der Kinderbetreuung leisten, gefährden sie ihre Chancen auf berufliches Weiterkommen und Lohnerhöhungen. Damit nehmen sie grosse wirtschaftliche Risiken auf sich, insbesondere bei einer Scheidung und bei der Pensionierung.

Ebenfalls nicht infrage gestellt wird die hauptsächlich private Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung – was die Nachteile verstärkt. Selbst wenn zwei Frauen die Aufgaben einer Kaderstelle unter sich aufteilen, bringen sie mit ihrem Entscheid für die Teilzeitarbeit zum Ausdruck, dass sie den wesentlichen Teil der Haus- und Familienarbeit übernehmen. Erst wenn gleich viele Väter wie Mütter Teilzeit arbeiten, wird die mit dieser Arbeitsform verbundene Symbolik neu definiert.

  1. Dieser Artikel bezieht sich auf den Beitrag der Autorin Job sharing: atout ou piège pour l’égalité entre les sexes?, in: Le partage d’emploi – Job sharing, Paris, 2016, 251–260. []
  2. In Prozent des BIP, OECD Family Database. []
  3. Monika Bütler (2009), Wenn die Arbeit mehr kostet als sie einbringt, Studie über die Auswirkungen der Besteuerung und Krippenkosten auf die Erwerbstätigkeit der Frauen, Universität St. Gallen, im Auftrag der der Westschweizer Gleichstellungskonferenz; BFS, Sake-Daten (2013). []

Zitiervorschlag: Nicole Baur (2017). Jobsharing hat nicht nur Vorteile. Die Volkswirtschaft, 27. April.