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Knallhartes Soft Law

Wie kann man gegen Grundsätze zur Einhaltung von Menschenrechten sein? Wie lässt sich erklären, dass aufgeklärte Menschen nicht vorbehaltlos hinter internationalen Umweltstandards stehen? Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Menschen und Umwelt» schliesst an solche vermeintlichen Selbstverständlichkeiten an und verlangt, dass Firmen mit Sitz in der Schweiz die international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland respektieren müssen. Der Bundesrat lehnt die «Konzernverantwortungsinitiative» mit Verweis auf bereits beschlossene Aktionspläne im Spannungsfeld Wirtschaft-Menschenrechte-Umwelt ab. Das mag verwundern: Warum sollten solch wichtige Anliegen in einem demokratischen Land wie der Schweiz nicht klar geregelt sein? Sowohl Grund- und Bürgerrechte als auch Nachhaltigkeit und der Umweltschutz sind bereits ein zentraler Bestandteil der Bundesverfassung.

Die Erklärung ist auf anderer Ebene zu suchen. Die Initiative leitet sich von internationalen Standards mit Empfehlungscharakter ab und strebt eine Verpflichtung der Unternehmen an, bei ihren Auslandaktivitäten lose Menschenrechts- und Umweltschutzstandards verbindlich zu berücksichtigen. Sie will internationales Soft Law in «knallhartes» Schweizer Recht überführen. Im Gegensatz zu Hard Law ist Soft Law juristisch gesehen für Staaten und Private unverbindlich und kann etwa als Deklaration, Absichtserklärung oder Aktionsplan vielfältige Formen annehmen. Es wird beispielsweise in zwischenstaatlichen Verhandlungen sowie durch internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie Vereine, Verbände, Handelskammern oder Expertenkommissionen erzeugt. Trotz seiner Unverbindlichkeit ist Soft Law mit der Erwartung verbunden, dass sich die Adressaten daran halten. Diese Zwitternatur erklärt auch dessen Vor- und Nachteile.

Soft Law fördert Zusammenarbeit


Aus ökonomischer Sicht ist internationales Recht ein Mittel, um die internationale Kooperation zu verstärken. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn Aktivitäten Auswirkungen auf das Wohlergehen der Bürger in einem anderen Staat haben. Solche Externalitäten ergeben sich bei der Klimaerwärmung oder der grenzüberschreitenden Luft- und Wasserverschmutzung. Ohne Kooperation maximieren die Akteure in den einzelnen Staaten ihre nationale Zielfunktion, was aus Sicht einer länderübergreifenden Wohlfahrtsmaximierung zu «zu viel» Umweltbelastung führt.

«Harte», rechtsverbindliche und über Streitbeilegungsmechanismen durchsetzbare Abkommen auszuhandeln, ist allerdings aufwendig – insbesondere in einem multilateralen Kontext mit weit über 100 Staaten. Demgegenüber haben unverbindliche Erklärungen für die kooperierenden Staaten den Vorteil, dass sie in den einzelnen Ländern keinen dornenreichen Ratifikationsprozess durchlaufen müssen. Regierungen können innenpolitisch deklarieren, dass sie bestimmte Forderungen unterstützen, ohne sich der politischen Debatte stellen zu müssen. Dank dieser Flexibilität sinken die Transaktionskosten von internationalen Kooperationslösungen.

Umgekehrt hat Soft Law den Nachteil, dass die Kosten einer Verletzung der unverbindlichen Zusagen tief sind. Im Gegensatz zu verbindlichen Regelungen mit Sanktionsmöglichkeiten ist deshalb die Glaubwürdigkeit der «sanften» Verpflichtungen vor allem auch über die Zeit hinweg relativ gering. So gesehen erstaunt es nicht, dass die Befürworter von internationalen Standards gerade in der Schweiz mit ihren direktdemokratischen Möglichkeiten immer wieder versuchen, an sich respektiertes Soft Law in verbindliches nationales Recht zu giessen.

Dabei wird übersehen, dass mit der rechtsverbindlichen Umsetzung im Alleingang für die Sache nicht viel gewonnen ist – ausser Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil des Unternehmensstandorts Schweiz. Will man aber eine echte Wirkung erzielen, so führt kein Weg an der internationalen Aushandlung verbindlicher Vereinbarungen vorbei.

Zitiervorschlag: Eric Scheidegger (2017). Knallhartes Soft Law. Die Volkswirtschaft, 25. Juli.