Suche

Abo

Zehn Jahre im Dienste der Exporteure

Die Schweizerische Exportrisikoversicherung existiert seit zehn Jahren. Von ihr haben viele kleine und mittlere Exportunternehmen profitiert. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Infrastrukturunternehmen zu sichern, muss sich die Schweiz weltweit für mehr Transparenz bei der Exportförderung einsetzen.
Die Konkurrenz im Welthandel hat zugenommen. Frachtschiffe im Hamburger Hafen. (Bild: Keystone)

Die staatliche Schweizerische Exportrisikoversicherung (Serv) kann im Jahr 2017 auf eine über zehnjährige Tätigkeit im Dienste der schweizerischen Exporteure zurückblicken. Die Serv strebt die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Schweiz und die Erleichterung der Teilnahme der schweizerischen Exportwirtschaft am internationalen Wettbewerb an.[1] Dazu bietet sie Versicherungen und Garantien an, die Schweizer Exportunternehmen Schutz vor Zahlungsausfall bieten und die Exportfinanzierung erleichtern (siehe Kasten 1).  Die Erreichung dieser Oberziele ist in einem dynamischen, globalen Wettbewerbsumfeld eine ständige Herausforderung. Es ist deshalb ein guter Moment, um zuerst auf die wichtigsten globalen Entwicklungen, inklusive Standardsetzung der offiziellen Exportfinanzierung in den letzten Jahren, zurückzuschauen und anschliessend einige Herausforderungen und Entwicklungen zu reflektieren.

Die Schweiz unterstützt stärkere Standards


Die internationale Standardsetzung bei den Exportkrediten nahm vor rund 50 Jahren ihren Anfang. Der sogenannte OECD-Konsensus[2] ist auf eine dynamische Marktumgebung abgestimmt und fördert die Transparenz und die Berechenbarkeit der offiziellen staatlichen Exportkreditagenturen (Export Credit Agencies: ECA). Der Konsensus soll unter den Mitgliedern gleich lange Spiesse schaffen und die Subsidiarität gegenüber privaten Anbietern fördern.

Als Nischenanbieter arbeiten ECA insbesondere in der langfristigen Infrastruktur-Exportfinanzierung, wo die Sektorabkommen des OECD-Konsensus massgebend sind. Für die Serv steht vor allem das Schienenverkehrsabkommen im Vordergrund.[3] Die Schweiz unterstützt neben der Weiterentwicklung des Konsensus auch stärkere Standards im Umwelt- und Sozialbereich.

Konkurrenz aus China und Russland


Vor zwanzig Jahren waren die OECD-Länder im staatlichen Exportfinanzierungsgeschäft noch unter sich. Heute bieten auch viele Nicht-OECD-Länder offizielle Exportfinanzierungen an. So etwa Brasilien bei Transportflügen, Russland im Nuklearenergiesektor und China im Energie- sowie im Transportsektor. Für die OECD-Mitglieder stellen sie starke Konkurrenten im langfristigen Transport- und Energieinfrastrukturgeschäft dar. Brasilien nimmt aktiv am OECD-Flugzeugsektorabkommen teil und hält sich an die Auflagen des Konsensus. Allerdings werfen Chinas Exportfinanzierungsprogramme im Allgemeinen und die Exportfinanzierung Russlands bei der Nuklearenergie Fragen auf. Es gibt aber auch OECD-Länder, welche kreditähnliche Finanzierungen anbieten, bei welchen nicht klar ist, ob diese nicht auch unter die Richtlinien des Konsensus fallen sollten.[4]

Der OECD-Konsensus ist ein sogenanntes Gentlemen’s Agreement und deshalb auf die Transparenz und Kooperation der einzelnen Mitglieder angewiesen.[5] Einige unregulierte Programme fallen jedoch nicht unter den Konsensus: OECD-Länder wie Japan und Südkorea nutzen vorwiegend solche Programme, die dazu dienen, mit den chinesischen Exportfinanzierungsprogrammen zu konkurrieren.

Die im Jahre 2011 eingesetzte Internationale Arbeitsgruppe für Exportkredite (IWG) hat zur Aufgabe die neuen Akteure einzubinden. Neben den OECD-Ländern gehören auch die wichtigsten neuen Konkurrenten wie Brasilien, China und Russland zu den Teilnehmern. Die Schweiz nimmt an den IWG-Verhandlungen aktiv teil mit dem Ziel, ein Nachfolge-Arrangement mit einem breiteren Teilnehmerkreis zu schaffen. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen sowie der Heterogenität der Exportfinanzierungssysteme handelt es sich dabei allerdings um ein längerfristiges Unterfangen. Das Ziel ist es, ähnlich wie beim Konsensus auch in der IWG einen neuen Standard auszuhandeln, welcher die Transparenz fördert.

Finanz- und Wirtschaftskrise


Die Finanzkrise führte 2007 zu einem Systemschock, durch den die kommerziellen Banken bei der Exportfinanzierung zurückhaltender geworden sind. In den vergangenen Jahren ist es für KMU schwieriger geworden, kleinere Transaktionen – sogenannte kleine Tickets – durch die Banken finanzieren zu lassen. Eine Risikoanalyse eines kleinen Geschäfts kann aufwendig sein. Neben den kleineren sind aber auch die grossen Exporttransaktionen betroffen. Die neue Bankenregulierung unter Basel III mit dem Fokus auf Liquidität und Verschuldungsobergrenzen hat auch den Druck auf die kommerziellen Banken, die langfristigen Bilanzaktiva zu reduzieren, erhöht. Hiervon waren insbesondere die Grossgeschäfte im Infrastrukturbereich betroffen.

Um den Druck zu vermindern, haben einzelne Banken angefangen, anstatt die Exportfinanzierung in den eigenen Büchern zu führen, ihre diesbezüglichen Forderungen im Sekundärmarkt zu platzieren. Die staatliche amerikanische Export-Import-Bank (US-Exim) gewährt 100 Prozent Exportfinanzierungsdeckung, was die Weiterplatzierung erleichtert. Im US-Sekundärmarkt entsprechend aktiv ist die private Exportfinanzierungsunternehmung Pefco.[6] In Europa, wo die Deckungssätze der ECA in der Regel tiefer als 100 Prozent sind, ist es für die kommerziellen Banken schwieriger, ihre Kredite im Sekundärmarkt zu platzieren. Einige europäische ECA haben deshalb ihr Angebot um die direkte Exportfinanzierung oder die Liquiditätsunterstützung ergänzt (siehe Tabelle).

Der Bundesrat reagiert


Auch der Bundesrat hat rasch auf die Herausforderungen der Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert, indem er ein Stabilisierungsprogramm lancierte, welches es auch der Serv erlaubte, zeitlich limitiert drei neue Produkte anzubieten: Bondgarantien, Fabrikationskreditversicherungen und Refinanzierungsgarantien. Diese Produkte wurden Anfang 2016 ins ordentliche Recht übergeführt. Ziel war es, mit der Ausweitung der Produktpalette die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Serv selber auch inskünftig zu gewährleisten.

Produktangebot der Exportkreditanstalten nach Ländern




Quelle: Drysdale und Gisiger

Die Serv-Produktpalette erleichtert die Exportfinanzierung der Banken in wichtigen Marktnischen zugunsten der Exporteure. Im Gegensatz zu vielen ECA in Europa bietet die Serv keine direkte Finanzierung und keine Investitionsrisikoversicherung an. Mit der Erweiterung der Produktpalette konnte die private Exportfinanzierung durch den Finanzmarkt in der Schweiz jedoch gezielt unterstützt werden. Ziel war es, die Zurückhaltung der Banken bei kleineren Transaktionen anzugehen.

Dank der Einführung der Liquiditätsprodukte verzeichnet die Serv eine stärkere Nachfrage seitens kleiner und mittleren Unternehmen (KMU).  KMU bilden den Rückgrat der inländischen Beschäftigung.[7] Dies ist einer der Gründe, wieso ECA einschliesslich der Serv vermehrt in Informationstechnologien investieren mit dem mittelfristigen Ziel, die operativen Kosten für KMU-Dienstleistungen zu senken. Dazu gehört auch das von der Serv entwickelte webbasierte Antragsportal inklusive Prämienkalkulator.

Flexiblere Wertschöpfungskriterien


Offizielle Exportkredite sind traditionell ein Instrument zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und damit zur Förderung der inländischen Wertschöpfung. Deshalb haben staatliche ECA früher vor allem Exporte mit einem hohen nationalen Wertschöpfungsanteil unterstützt. In den letzten Jahrzehnten avancierten globale Wertschöpfungsketten zum wichtigen Merkmal des Welthandels. Der starke Rückgang der Transport- und Kommunikationskosten erlaubt es Firmen heute, ihre eigenen globalen Wertschöpfungsketten aufzubauen. Dabei hängt der Exporterfolg auch stark von der Fähigkeit ab, ausländische Zulieferungen bzw. Vorleistungen sicherzustellen («import sourcing»). Ein Indiz dieser längerfristigen Entwicklung ist der steigende ausländische Wertschöpfungsanteil bei globalen Exporten (siehe Abbildung).

Anteil der ausländischen Wertschöpfung bei globalen Exporten (1995–2014)




Quelle: OECD

In den letzten zehn Jahren konnte bei vielen ECA in OECD-Ländern eine zunehmende Flexibilisierung der nationalen Wertschöpfungskriterien beobachtet werden. Die ECA-Wertschöpfungskriterien sind international nicht standardisiert, und es gibt daher zwischen den Ländern teilweise grosse Unterschiede (siehe Kasten 2).

In Abstimmung mit der Teilrevision des Exportrisikoversicherungsgesetzes (SERVG) hat auch der Bundesrat 2015 eine Teilrevision der Serv-Verordnung genehmigt, welche unter anderem die Ausnahmeregelung zur 50-prozentigen schweizerischen Wertschöpfungsanforderung präzisierte[8] und so der Serv mehr Flexibilität einräumte, um ihre Kunden zu unterstützen. Damit hat auch die Schweiz pragmatisch auf die Herausforderung der Ausweitung globaler Wertschöpfungsketten reagiert.

Internationale Transparenz ist zentral


In ihren ersten zehn Jahren konnte die Serv ihre Kapitalbasis erfolgreich ausbauen, was den Exporteuren zugutekommt. Damit die Serv auch weiterhin wettbewerbsfähige Dienstleistungen anbieten kann, müssen Produktangebot und Wertschöpfungskriterien in anderen Ländern im Auge behalten werden.

Es ist heute schwierig, abzuschätzen, wie sich die ECA-Dienstleistungen und die internationalen Standards in der offiziellen Exportfinanzierung in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln. Um einen fairen Wettbewerb gewährleisten zu können, wird die Förderung der Transparenz massgebend sein. Doch hinsichtlich der grossen Systemunterschiede bei der offiziellen Exportfinanzierung stellt dies eine Herausforderung dar. Trotz dem schwierigen Marktumfeld hat die Serv durch gezielte Anpassungen bisher ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten können.

  1. SERVG Art. 5 []
  2. Am ersten Gipfel der G-6-Länder 1975 wurde vereinbart, dass es internationale Regeln brauche, um mögliche Marktverzerrungen durch die offizielle Exportkreditvergabe zu vermeiden. []
  3. Die Sektorabkommen des OECD-Konsensus: Kernkraftwerke, Kohlekraftwerke, Schiffe, Zivilflugzeuge, Schienenverkehr und Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien, Klimaschutz und -anpassung sowie Wasser. []
  4. Übersicht des Arrangements auf Englisch unter Oecd.org. []
  5. Als sogenanntes Gentlemen’s Agreement ist es – mit Ausnahme der EU, wo es Gesetz ist – nur über die Mechanismen der Welthandelsorganisation (WTO) einklagbar. []
  6. Die Pefco ist ein Gemeinschaftswerk der kommerziellen Banken, Industrie- sowie Finanzdienstleistungsunternehmen in den USA. []
  7. Siehe Strategische Ziele des Bundesrats für die SERV für die Periode 2016–2019, Kapitel 1.3, Zugang der KMU zu den Exportfinanzierungsinstrumenten fördern. Online unter Seco.admin.ch. []
  8. Siehe Erläuterungen zur Änderung der SERV-V, Juni 2015. Online unter Admin.ch. []

Zitiervorschlag: David Drysdale, Martin Gisiger, (2017). Zehn Jahre im Dienste der Exporteure. Die Volkswirtschaft, 24. Oktober.

Kasten 1: Was macht die Schweizerische Exportrisikoversicherung (Serv)?

Die Serv deckt politische Risiken und das Delkredererisiko beim Export von Gütern und Dienstleistungen. Die Lösungen der Serv tragen dazu bei, dass Unternehmen einfacher günstige Kredite oder eine höhere Kreditlimite erhalten, und helfen ihnen damit, beim Export ihre Liquidität zu wahren.

Die Serv versichert Exporte, welche private Versicherer nicht oder nur unzureichend abdecken. Ihre Angebote stehen jedem Unternehmen offen, das seinen Sitz in der Schweiz hat. Es gelten keine Mindestgrössen beim Auftragsvolumen, das versicherte Exportgeschäft muss jedoch einen bestimmten schweizerischen Wertschöpfungsanteil enthalten.

Die Serv ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes. Der Bundesrat beaufsichtigt die Serv, wählt den Verwaltungsrat und definiert die strategischen Ziele für jeweils vier Jahre. Sie arbeitet als Organisation eigenwirtschaftlich und erhebt dazu risikogerechte Prämien.

Am 1. Januar 2007 löste die Serv die Exportrisikogarantie ERG ab.

Kasten 2: Unterschiedliche Wertschöpfungskriterien

Die wichtigsten Gründe für die Unterschiede in den Wertschöpfungskriterien sind:

Grösse der Volkswirtschaft: Die Grösse der US-Volkswirtschaft beispielsweise erlaubt es Exporteuren, ihre Zulieferungen vielfach im Binnenmarkt zu beziehen. Um im internationalen Standortwettbewerb mithalten zu können, wenden kleinere Volkswirtschaften bei der Unterstützung ihrer Exporteure deshalb in der Regel flexiblere nationale Wertschöpfungskriterien an.

Ordnungspolitische Haltung: Einige OECD-Länder betreiben eine aktive Industriepolitik. Es gibt Fälle, in denen Exporte sogenannter nationaler Champions mit geringen nationalen Wertschöpfungsauflagen von ECA in Deckung genommen werden.

Wirtschaftliche Notwendigkeit: Die grossen, asiatischen Volkswirtschaften sind alle bedeutende Importeure von Rohstoffen. Die Sicherheit der Energieversorgung geniesst hohe Priorität. Die ECA Japans, Südkoreas und Chinas vertreten dort, wo ihre strategischen Interessen als Rohstoffabnehmer im Vordergrund stehen, hinsichtlich der Wertschöpfungskriterien eine liberale Haltung.