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Megatrends verändern Anlagestrategien

Demografie, Technologie und Generationenwechsel verändern unsere Zukunft grundlegend. Das Wissen über solche Entwicklungen ist auch für Anleger wichtig.
Gesundheitstechnologien sind auf Wachstumskurs. Dank Elektrostimulation der Nerven kann ein querschnittgelähmter Rennfahrer am Cybathlon der ETH Zürich seine Beine bewegen. (Bild: Keystone)

Wirtschaft und Politik konzentrieren sich zu Recht oft auf Konjunkturzyklen. Aber losgelöst davon laufen langsame sowie oftmals nicht vollständig und unmittelbar erkennbare grundlegende Veränderungen, die tiefgreifende Folgen für Wirtschaft, Finanzmärkte und Anlagen haben: sogenannte Mega- oder Supertrends. Den Kern dieser Trends bilden demografische, sozioökonomische und politische Entwicklungen sowie technologischer und wissenschaftlicher Fortschritt. Fünf Trends dürften in den kommenden Jahren bestimmend sein:

  • unzufriedene Gesellschaften und die daraus entstehende multipolare Welt;
  • die Erschliessung von Infrastrukturlücken, neue Technologien, die im Dienste der Menschheit stehen;
  • die Silver Economy als Folge der Bevölkerungsalterung;
  • die neuen Werte der Millennial-Generation.


Investoren müssen diese Trends ernst nehmen, denn mit ihnen verändern sich in Zukunft auch die renditebringenden Branchen und folglich die Anlagestrategien sowohl von privaten Anlegern als auch von Pensionskassen und Versicherungen. Supertrends sind tendenziell weniger von den täglichen Schwankungen an den Finanzmärkten betroffen und ermöglichen es daher, die Nachhaltigkeit dieser Investitionen zu nutzen.

Unzufriedene Gesellschaften


Mit den zunehmenden Ungleichheiten in den westlichen Ländern wächst die Frustration über die wahrgenommene oder tatsächliche Unfähigkeit des politischen Establishments, die gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen. Deshalb fordern die Wähler der desillusionierten Mittelschicht Veränderungen. Die Folge sind Regierungen mit einem starken Mandat für eine Politik, welche die Binnenwirtschaft stärkt und Arbeitsplätze im Inland schafft. Zudem sollen die Löhne erhöht und Branchen, die für Stellenabbau verantwortlich sein sollen, stärker reguliert oder besteuert werden. Die neue politische Führungsebene soll das dringlichste Problem der westlichen Mittelschicht, das grosse Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz, lösen. Sie dürfte zudem der Mittelschicht zu grösserem Wohlstand verhelfen, in die nationale Sicherheit und Verteidigung investieren und den privaten Konsum anregen. Diese Ziele lenken die Aufmerksamkeit auf nationale Champions und Marken, auf Verteidigung und Sicherheit sowie auf Konsumenten in den Schwellenländern. Sie bilden über mehrere Jahre hinweg sowohl einen Anlage- als auch einen Wirtschaftsschwerpunkt.

Es besteht eindeutig ein hoher Bedarf an Infrastrukturausgaben, dem die Politik durch Investitionen in Infrastrukturprojekte nachkommen will. Denn das stetige Bevölkerungswachstum und die fiskalen Engpässe der Regierungen als Folge der Finanzkrise sorgen für einen grossen Investitionsnachholbedarf. Regierungen, sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern, wollen veraltete Infrastrukturen verbessern oder neu erstellen und somit den Grundstein für die nächsten 20 bis 30 Jahre legen. Kommerziell genutzte Transportinfrastrukturen erhalten zumeist oberste Priorität. Wasser- und Energieversorgung folgen an zweiter Stelle. Weiterer Entwicklungsbedarf, der von Wirtschaftsförderung und Anlegern bisher wenig beachtet wurde, betrifft den öffentlichen Wohnungsbau. Schätzungen zufolge könnte die Zahl der Haushalte, die bedenkliche Wohnverhältnisse aufweisen oder deren Wohnkosten eine hohe finanzielle Belastung darstellen, bis 2050 auf 440 Millionen Wohneinheiten bzw. auf rund 1,6 Milliarden Menschen anwachsen. Allein um diese Lücke zu füllen, wären Bauinvestitionen zwischen 9 und 11 Billionen Dollar erforderlich. Doch aufgrund ihrer hohen Verschuldung haben viele Regierungen nur einen begrenzten Finanzierungsspielraum. Das führt zu einer höheren Bereitschaft für öffentlich-private Partnerschaften. Vorsorgeeinrichtungen und Versicherungen erweisen sich dabei als die potentesten Finanzierungsquellen, denn sie verfügen über gewaltige Mittel und sind seit Jahren mit einem Anlagenotstand konfrontiert.

Silver Economy: Demografischen Wandel beachten


Seit einigen Jahren wird Technologie zunehmend als eine Bedrohung empfunden. Roboter, Algorithmen und Programme stehen im Ruf, Arbeitsplätze zu vernichten und menschliche Arbeitskräfte überflüssig zu machen. Das hat Folgen. Aus Anlegersicht ist es wichtig, sich zu überlegen, wie sich dies auf zukünftige Regulierungen und Besteuerungen auswirken könnte. Diesbezüglich sind insbesondere Technologien und Innovationen, die neue Arbeitsplätze schaffen, die Produktivität erhöhen und bessere Produkte und Dienstleistungen ermöglichen, wichtig. Die Digitalisierung ebnet den Weg für Innovationen. Internetplattformen wie Amazon, Alphabet und Alibaba sowie Anbieter von Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Technologien werden zu den grössten Nutzniessern dieser Entwicklung zählen. Die unglaubliche Menge an Daten, die weiterhin stark wächst, wird auch Renditemöglichkeiten in den Branchen Cybersicherheit und Datenverwaltung eröffnen. Auch Anbieter von Halbleitern und Robotern werden von der vierten industriellen Revolution profitieren. Und Gesundheitstechnologie, das Internet und das Humangenomprojekt zur Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes bieten Investitionschancen für die Zukunft des Gesundheitswesens.

Die zunehmende Alterung der Bevölkerung ist ein demografischer Trend, der oftmals mit Europa in Verbindung gebracht wird. Die Geburtenraten sind hier seit Jahrzehnten rückläufig und liegen in vielen Ländern bereits unterhalb des Reproduktionsniveaus von 2,1 Kindern pro Frau. Ein solches Niveau wäre erforderlich, damit die Bevölkerung nicht schrumpft. Gleiches gilt aber auch für Japan und China. In China hat die Einkindpolitik eine rapide Überalterung zur Folge. Immer mehr Pensionierte kommen auf immer weniger ökonomisch aktive Personen, wodurch der Abhängigkeitsquotient sinkt. Dadurch entstehen enorme Herausforderungen, aber auch Chancen für jene Unternehmen, welche die Wünsche und Bedürfnisse der älteren Bevölkerung bedienen. Bereiche wie Konsum, Gesundheitsdienstleister, Immobilien und Finanzdienstleister werden massgeblich beeinflusst. So profitieren etwa Anbieter von Freizeitaktivitäten und Ferien, vor allem Kreuzfahrtanbieter. Ein weiterer grosser Gewinner dieser Entwicklung ist der Gesundheitssektor, treten doch bei der älteren Bevölkerung vermehrt chronische Erkrankungen auf. Ausserdem werden Gesundheits- und Lebensversicherungen zur Deckung und Finanzierung im Alter gebraucht. Neue Wohnformen wie begleitetes Wohnen fördern die Unabhängigkeit, verzögern einen eventuell erforderlichen Umzug ins Pflegeheim und tragen somit zur Eindämmung von Gesundheitskosten bei.

Die neuen Werte der Millennials


Die Millennials sind zahlenmässig eine der grössten Generationen der Geschichte. Sie sind einflussreich und bilden schon bald die wichtigste Konsum-, Anleger- und Wählergruppe. Nachhaltigkeit, saubere Energie und «Impact Investing» sind den Millennials wichtig und dürften in den kommenden Jahren noch weiter an Bedeutung gewinnen. Als sogenannte Digital Natives, die mit Informationstechnologien aufgewachsen sind, brechen sie traditionelle Modelle auf und verändern das Konsumverhalten. Der Wohlstand ist im bisherigen Verlauf der Geschichte von Generation zu Generation fast stetig gestiegen. Die Millennials sind nun aber die erste Generation, die wieder ärmer als ihre Eltern sein könnte. Tiefere Löhne und höhere Selbstbeschäftigungsquoten erhöhen ihre Preissensitivität. Die Ungleichheit führt bei ihnen zum Bedürfnis nach Vermögensumverteilung. Erschwingliches Wohnen wird zur Priorität. Die vorwiegend urbane Millennial-Generation richtet ihre Immobiliennachfrage automatisch nach Mikroappartements aus.

Diese Trends werden die Anlagewelt in Zukunft massgeblich prägen und aufgrund ihrer Tragweite schon heute alle Aufmerksamkeit erfordern.

Zitiervorschlag: Nannette Hechler-Fayd'herbe (2017). Megatrends verändern Anlagestrategien. Die Volkswirtschaft, 23. November.