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Landwirtschaft: 30 Jahre Direktzahlungen – eine Bilanz

Direktzahlungen sind das zentrale Instrument der Schweizer Agrarpolitik: Sie sichern den Landwirten ein Einkommen und helfen, ökologische Ziele zu erreichen. Doch die Bestimmungen sind über die Jahre umfangreicher und komplexer geworden.

Landwirtschaft: 30 Jahre Direktzahlungen – eine Bilanz

Direktzahlungen machen die Landwirtschaft ökologischer. Pflanzenschutzroboter auf einem Salatfeld in Galmiz FR. (Bild: Keystone)

Vor 30 Jahren stiess die Agrarpolitik an ihre Grenzen. Damals gab es Preis- und Abnahmegarantien für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Milch und Brotgetreide, die teils eine Überproduktion zur Folge hatten. Die Garantien führten zu höheren Ausgaben beim Bund und wirkten sich negativ auf die Umwelt aus. In der Folge wurden sie schrittweise abgebaut und stattdessen produktionsunabhängige Direktzahlungen gestützt auf Artikel 31a und 31b des Landwirtschaftsgesetzes eingeführt. Diese gelten gemeinwirtschaftliche Leistungen ab, wie beispielsweise die Pflege und Offenhaltung der Kulturlandschaft und die Erhaltung der Biodiversität, und werden in Form von Finanzhilfen direkt an Landwirtschaftsbetriebe ausbezahlt. Die Direktzahlungen ermöglichten den Wandel von der «alten» zur «neuen» Agrarpolitik und unterstützten die Landwirtschaft auf ihrem Weg zu mehr Markt und Ökologie.

Schrittweiser Ausbau des Direktzahlungssystems

Im Jahr 1993 wurden erstmals Direktzahlungen für ökologische Ausgleichsflächen, für den biologischen Landbau und die integrierte Produktion sowie für das Tierwohl ausgerichtet. 1999 trat das neue Landwirtschaftsgesetz in Kraft. Ein wichtiger Meilenstein dieses Gesetzes war die Einführung des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) als Grundvoraussetzung. Um Direktzahlungen zu erhalten, müssen Betriebe Anforderungen in den Bereichen Biodiversitätsflächen, Düngung, Fruchtfolge im Ackerbau, Bodenschutz, Tierhaltung und Pflanzenschutz einhalten.

Mit der Agrarpolitik 2014–2017 (AP 14-17) wurden die Direktzahlungen nochmals besser auf die agrarpolitischen Ziele der Bundesverfassung ausgerichtet und weiter ausgebaut. Die wichtigsten Änderungen per 2014 waren der Abbau der tierbezogenen Direktzahlungen und der Ausbau flächenbezogener Versorgungssicherheitsbeiträge. Ferner wurden die Mittel zur Erreichung der ökologischen und landschaftspflegerischen Ziele aufgestockt und Beiträge vom Tal- ins Berg- und Alpgebiet umgelagert.

Infolge der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» setzte der Bundesrat per 2023 weitere Bestimmungen in Kraft: Wirkstoffe mit erhöhten Risikopotenzialen sind seither im ÖLN verboten, und neue Produktionssystembeiträge wurden eingeführt. Weitere Neuerungen wie die Zusammenlegung von regionalen Projekten der Landschaftsqualität und der Vernetzung von Biodiversitätsflächen hat das Parlament mit der letzten agrarpolitischen Reform (Agrarpolitik 22+) beschlossen, die in den kommenden Jahren umgesetzt wird. Im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte stiegen die Ausgaben für Direktzahlungen von 1,2 auf 2,8 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Die Direktzahlungen des Bundes stiegen auf rund 2,8 Milliarden Schweizer Franken (1993–2023)

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Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) / Die Volkswirtschaft

Direktzahlungen führen zu positiven Einkommen

Wie wirken sich Direktzahlungen auf das Einkommen der Landwirtschaftsbetriebe aus? Artikel 5 des Landwirtschaftsgesetzes enthält das Ziel, dass nachhaltig wirtschaftende und ökonomisch leistungsfähige Betriebe im Durchschnitt mehrerer Jahre Einkommen erzielen sollen, die mit den Einkommen der übrigen erwerbstätigen Bevölkerung in der Region vergleichbar sind. Agroscope ermittelt daher im Auftrag des Bundes aus den Buchhaltungsdaten von rund 2500 Landwirtschaftsbetrieben die Einkommenssituation in der Landwirtschaft.

Die durchschnittlichen Erträge pro Betrieb belaufen sich im Jahr 2022 auf 389’900 Schweizer Franken, wovon 78’900 Schweizer Franken Direktzahlungen sind – das sind rund 20 Prozent (siehe Abbildung 2). Nach Abzug der durchschnittlichen betrieblichen Aufwände von 310’300 Schweizer Franken resultiert ein Einkommen von 79’700 Schweizer Franken pro Betrieb. Das durchschnittliche Einkommen, das aus diesen Buchhaltungsdaten errechnet wird, ist somit praktisch identisch mit den Direktzahlungen.

Abb. 2: Direktzahlungen machen rund 20 Prozent der Erträge eines Landwirtschaftsbetriebs aus

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Quelle: Agroscope / Die Volkswirtschaft

Die Komplexität nimmt zu

Die Ziele der Landwirtschaftspolitik wurden fortlaufend erweitert. Im Gleichschritt mit den gestiegenen gesellschaftlichen Ansprüchen und Erwartungen wurde das Direktzahlungssystem im Laufe seiner 30-jährigen Weiterentwicklung ebenfalls ausgebaut und differenziert. Beispielsweise wurden neue Massnahmen aufgenommen wie die Landschaftsqualitäts- und Ressourceneffizienzbeiträge. Der ÖLN wurde mit Vorgaben aus anderen Gesetzgebungen wie der emissionsarmen Ausbringung von flüssigen Hofdüngern ergänzt. Parlamentarische Vorstösse fordern regelmässig zusätzliche Massnahmen vom Bundesrat. So werden seit 2018 für Bisons Tierwohlbeiträge ausbezahlt, weil sie gleichbehandelt werden sollen wie Rindvieh. Für die Zuckerrübenproduktion nach den Standards des Biolandbaus oder der integrierten Produktion wurde 2022 ein Zusatzbeitrag eingeführt, um die ökologische Produktion zu stärken.

Zwar konnten die Ziele der Agrarpolitik mit den Direktzahlungen besser erreicht werden, allerdings machten die Ergänzungen das System auch komplex. Hinzu kommt, dass die kantonalen Vollzugsstellen und privaten Kontrollstellen exakt kontrollierbare Bestimmungen verlangen. So musste beispielsweise das Bundesamt für Landwirtschaft die Anforderung an Zufluchtsmöglichkeiten auf der Geflügelweide mit detaillierten Weisungen präzisieren. Auch bäuerliche Organisationen stellen Forderungen für mehr Unterstützungen und nach praxisangepassten, differenzierteren Bestimmungen, sodass das Direktzahlungssystem weiter ausgebaut wurde. Letztlich können einmal eingeführte Fördermassnahmen kaum mehr aufgehoben werden, weil die politische Gegenwehr sehr gross ist.

Die Folgen dieses Ausbaus und der Schwierigkeit, einmal eingeführte Massnahmen aufzuheben, sind mehr Regulierungen und mehr administrativer Aufwand für die Betriebe und den kantonalen Vollzug. Es gilt auch zu beachten, dass die Direktzahlungen nur ein Teil der Regulierungen sind. Viele Vorschriften kommen von anderer Seite: Private Labelorganisationen geben Anforderungen für die landwirtschaftliche Produktion vor, und Abnehmer von Agrarerzeugnissen stellen höhere Anforderungen an die Produkte. Ebenfalls nehmen Vorschriften aus anderen Gesetzgebungen zu oder werden verschärft wie beispielsweise in der Raumplanung, im Gewässerschutz, im Umwelt- oder Veterinärrecht.

Lösungen der künftigen Agrarpolitik

Der Bundesrat hat im Postulatsbericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» vom Juni 2022 Ansätze aufgezeigt, wie das Direktzahlungssystem weiterentwickelt und vereinfacht werden kann. Beispielsweise könnte die ohnehin fortschreitende Digitalisierung genutzt werden, um einmal erhobene Daten mehrfach zu nutzen oder Kontrollen zu vereinfachen. Direktzahlungen könnten nur noch nach den erreichten Ergebnissen der Betriebe ausgerichtet und im Gegenzug können detaillierte Handlungsanweisungen oder Vorschriften an die Betriebe reduziert werden.

Hebel, das System zu vereinfachen, sind die Reduktion der Anzahl und der Differenzierung der geförderten Massnahmen. Der Bund kann sich auch aus bestimmten Bereichen zurückziehen, wenn die Ziele durch mehr Selbstverantwortung der landwirtschaftlichen Betriebe erreicht werden können. Anstelle von jährlichen Direktzahlungen fürs Tierwohl könnten einmalig Investitionen in tierwohlfreundliche Ställe stärker gefördert werden.

Das Parlament hat dem Bundesrat den Auftrag gegeben, den Postulatsbericht zu konkretisieren und bis spätestens Ende 2027 eine Botschaft zu unterbreiten. Dabei ist besonders wichtig, Direktzahlungen zu vereinfachen und den administrativen Aufwand zu reduzieren. Für die nächsten Jahre stehen daher die Stabilität der Bestimmungen zu den Direktzahlungen und die Umsetzung der bereits bestehenden gesetzlichen Aufträge oder überwiesener parlamentarischer Vorstösse im Zentrum.

Zitiervorschlag: Christian Hofer (2024). Landwirtschaft: 30 Jahre Direktzahlungen – eine Bilanz. Die Volkswirtschaft, 04. April.