Der defizitären IV wieder auf die Beine helfen
Die Reformen der 5. IVG-Revision sind wichtig und sehr dringend, aber auch schwierig zu realisieren. Mit der bundesrätlichen Vorlage sollen die Verfahren der Invalidenversicherung (IV) gestrafft, die Zunahme der Neuberentung gedämpft, die negativen Anreize korrigiert, die Kosten gesenkt und eine Sanierung der IV vorgenommen werden. Der Schweizerische Arbeitgeberverband unterstützt die 5. IVG-Revision, meldet jedoch auch Vorbehalte an.
Der Schweizerische Arbeitgeberverband bringt zwei Vorbehalte an: – Erstens ist die Revision zu stark auf die Einnahmen ausgerichtet; rund 80% der Sanierung erfolgt über die Zusatzfinanzierung. – Zweitens darf das Konzept zur Früherkennung und verbesserten Eingliederung nicht zu bürokratisch werden; die arbeitsvertragliche und arbeitsmarktliche Entscheidungsfreiheit der Arbeitgeber muss gewahrt bleiben. Die 5. IVG-Revision, die nun ans Parlament geht, besteht aus drei Teilvorlagen. Als Erstes sollte die Verfahrensstraffung behandelt werden. Der Grund: 2003 standen den 12000 Rentenanmeldungen 12000 Einspracheverfahren gegenüber – der Aufwand für die IV und Gerichte ist immens! Die Flut von IV-Einspracheverfahren ist zu begrenzen, ohne den Rechtsschutz der Versicherten abzubauen. Ein Mittel hierzu ist der Ersatz des Einsprachedurch das Vorbescheidsverfahren. Ein anderes wäre, eine massvolle Kostenpflicht vor dem kantonalen Versicherungsgericht einzuführen. Das soll – analog eines Selbstbehalts – die Versicherten und ihre Anwälte dazu bringen, die Anforderungen an die Erheblichkeit der Einsprachen zu erhöhen. Auch sollen die IV-Verfahren verkürzt werden, indem der Fristenstillstand für das Verwaltungsverfahren aufgehoben und das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht beschleunigt wird. Kurz: Mit diesen Massnahmen könnten sowohl der Verfahrensaufwand gesenkt als auch der Sachverhalt zügiger festgestellt werden, was auch im Interesse der Versicherten liegt.
Umfassendes Teilpaket zur IV-Konsolidierung genügt nicht
Mit der eigentlichen 5. IVG-Revision will der Bundesrat die Zahl der Neurenten um 20% reduzieren. Dazu ist ein neues System der Früherfassung und -intervention sowie die Beseitigung negativer Eingliederungsanreize vorgesehen. Geringere IV-Defizite werden – notabene nebst echten Sparmassnahmen – einesteils durch die Erhöhung der Lohnbeiträge von 1,4 auf 1,5 AHV-Lohnprozente angestrebt, andernteils durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,8 Prozentpunkte; dies bei gleichzeitig befristeter Senkung des Bundesanteils an den IV-Ausgaben von 37,5% auf 36,9 %. Das ist im ersten Fall bedauer-lich, im zweiten paradox. Daneben schlägt der Bundesrat bei der Früherfassung und Wiedereingliederung sehr weit gehende, in persönliche und arbeitsrechtliche Belange eingreifende Massnahmen und Kompetenzen der IV-Stellen vor. Diese sind grundsätzlich zu unterstützen. Nur muss die Freiwilligkeit des Meldeverfahrens bei der Früherkennung sichergestellt bleiben, und es darf keine Beschränkung des Arbeitsvertragsrechtes resultieren. Schliesslich ist aus Arbeitgebersicht die unberechtigte Erhöhung des IV-Beitragssatzes von 1,4% auf 1,5% zu streichen. Dieses Revisionspaket ist zwar einschneidend, doch wird es nur sehr langfristig zu einer deutli-chen Senkung der IV-Defizite führen.
IV-Zusatzfinanzierung nur mit dem Bundesgold
Die Teilvorlage zur Zusatzfinanzierung sollte das Parlament aus taktischen Gründen erst am Schluss beraten. Politisch umstritten, hängt sie von der Wiederherstellung des Vertrauens in die IVG-Revision und die IV ab. Deren finanzielle Lage gefährdet nämlich die Liquidität des AHV-Fonds bereits kurzfristig sehr stark. So beträgt das Ertrag bringende und frei verfügbare Vermögen zurzeit nur noch rund 45% statt der gesetzlich vorgeschriebenen 100% einer Jahresausgabe. Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer liessen sich die Schulden bis ins Jahr 2024 tilgen. Für die angestrebte Trennung des IV- vom AHV-Ausgleichsfonds analog der EO dauert dies jedoch zu lange. Die Frist wie auch die benötigte Erhöhung der Mehrwertsteuer liessen sich verringern, würden die 7 Mrd. Franken Bundesanteil aus den Goldreserven der IV zugeschlagen. Dadurch könnten gleichzeitig der Ertrag aus Anlagen substanziell verbessert und die Sanierung der IV mit Lohnprozenten vermieden werden. Die 5. IVG-Revision ist schwierig, wichtig und dringend. Nur mit glaubwürdigen Sanierungsmassnahmen kann das Vertrauen in die IV wieder hergestellt werden. Dadurch würde auch der unerlässliche Konsolidierungseffekt möglich.m
Zitiervorschlag: Schuppisser, Hans Rudolf (2005). Der defizitären IV wieder auf die Beine helfen. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.