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Wirtschaftliche Auswirkungen des Terrorismus

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Terroranschläge richten immer wieder gewaltige menschliche Not und kolossale Schäden an. Nebst dem Verlust an Menschenleben und der direkten Vernichtung von Infrastruktur wirkt sich Terrorismus über eine Senkung ausländischer Ressourcenzuflüsse, erhöhte Unsicherheit und eine damit einhergehende Verzerrung der Ressourcenallokation im Inland negativ auf die Wirtschaft aus. Darüber hinaus entstehen indirekte Kosten als Folge von Sicherheitsmassnahmen. Die wirtschaftlichen Schäden sind beträchtlich, stellen jedoch nur einen Teil der Auswirkungen von Terrorismus dar. Noch bedeutender sind die Auswirkungen des durch Terrorismus verursachten menschlichen Leids.

Für viele Leute gilt der Terrorismus als Geisel der Menschheit im 21. Jahrhundert. Terroristen gelingt es immer wieder, gewaltige menschliche Not und kolossale Schäden anzurichten. Jüngste Beispiele sind die Anschläge von New York, Bali, Madrid, Beslan, London und Scharm el Scheich. Terrorismus ist jedoch weder eine neue Erscheinung noch auf islamistische Gruppen beschränkt. Gerade in Europa wüteten zahlreiche politisch und separatistisch motivierte Terrorkampagnen wie die der RAF in Deutschland, der Roten Brigaden in Italien, der ETA in Spanien und der IRA in Nordirland. Die Erfahrungen daraus erlauben, Schlüsse bezüglich der wirtschaftlichen Folgen von Terrorismus zu ziehen. Im Folgenden soll aber auch dargelegt werden, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen nur ein kleiner Teil der gesamten Auswirkungen sind.

Ökonomen untersuchen schon seit vielen Jahren die unterschiedlichen Auswirkungen von Terrorismus auf die Wirtschaft. Bevor diese im Detail besprochen werden, lohnt es sich zu vergegenwärtigen, wie Terrorkampa-gnen und einzelne Anschläge grundsätzlich auf die Wirtschaft des betroffenen Landes einwirken können. Erstens sind der Verlust an Menschenleben und die Zerstörung von Infrastruktur zu nennen. Beispiele sind die Auswirkungen der Anschläge vom 11. September 2001 oder der zahlreichen Anschläge auf Ölpipelines. Neben Schmerz und Trauer führen Todesopfer zu einem Verlust von Humankapital. Die direkten Kosten der Anschläge vom 11. September 2001 werden auf 25 bis 60 Mrd. Dollar geschätzt. Weitere Kosten entstehen, wenn durch die Zerstörung wichtiger Produktionsfaktoren die Produktionsmöglichkeiten in nachgelagerten Bereichen nicht mehr ausgelastet werden. Diese direkten Kosten hängen jedoch stark von den spezifischen Umständen und oft auch von zufälligen Einflüssen ab; sie werden deshalb nicht weiter behandelt. Zweitens senkt Terrorismus häufig die ausländischen Ressourcenzuflüsse, insbesondere durch eine Reduktion des Tourismus und der ausländischen Direktinvestitionen.  Drittens bewirkt die erhöhte Unsicherheit eine Veränderung des Konsum-, Spar- und Investitionsverhaltens von Individuen, was die Ressourcenallokation im Inland verzerrt.  Viertens sind die indirekten Kosten als Folge erhöhter Sicherheitsmassnahmen zu nennen. Sicherheitsmassnahmen bedeuten einen wirtschaftlich unproduktiven Einsatz knapper Ressourcen und erhöhen die Transaktionskosten. Eine zentrale Rolle spielen diese indirekten Kosten im Bereich des Aussenhandels. Die beobachtbaren Konsequenzen etwa auch auf den Kapitalmärkten sind häufig eine Kombination dieser Effekte.

Tourismus und ausländische Direktinvestitionen


Terroristen suchen immer wieder Touristen als Ziele. Anschläge gegen touristische Ziele sind relativ einfach durchzuführen, erlangen aufgrund der Opfer aus zahlreichen Ländern eine hohe Medienaufmerksamkeit und können die Wirtschaft des betroffenen Landes erheblich schädigen. In Spanien griff die ETA wiederholt Touristen an. Gemäss einer Studie für die Periode 1970-1988 mit jährlich durchschnittlich 13 Anschlägen schreckte ein typischer Terroranschlag über 140000 Touristen vom Besuch des Landes ab. Für 1988 mit 18 Anschlägen bedeutete dies eine Reduktion der Touristenströme um rund 30%. Ähnliche Resultate finden sich für Griechenland, Israel, Italien und die Türkei. Auch Investoren werden in ihrer Entscheidung durch Terrorismus beeinflusst. Terroristische Aktivitäten erhöhen die Kosten für die Direktinvestoren, sodass das entsprechende Land an Attraktivität verliert. Da Investoren zwischen vielen Ländern wählen können, wird der Fluss des ausländischen Kapitals schon durch wenige terroristische Anschläge erheblich beeinflusst. In Spanien hat der Terrorismus gemäss einer Untersuchung die jährlichen Direktinvestitionen im Zeitraum 1975/76-1991 um durchschnittlich 14% vermindert und so die Kapitalbildung eingeschränkt. Überdies wird als Folge die Übertragung des technologischen Wissens gehemmt, was wiederum das Wachstum negativ beeinflusst. Im gleichen Zeitraum fanden auch in Griechenland zahlreiche Anschläge linker Terroristen gegen ausländische Firmen statt. In der Folge gingen die ausländischen Direkt-investitionen durchschnittlich um 12% zurück.

Konsum-, Spar- und Investitionsverhalten


Neben ausländischen Direktinvestitionen wird die Kapitalbildung wesentlich durch die private Sparquote bestimmt. Verursachen Terrorismus und politische Gewalt Unsicherheit bezüglich der Wahrung der Eigentumsrechte an Sach- und Finanzkapital, so ist anzunehmen, dass die Sparquote sinkt. Dies wurde für Israel im Zeitraum ab dem Ausbruch der ersten Intifada im Jahre 1987 nachgewiesen. Eine Erhöhung der Zahl der Todesopfer auf beiden Seiten der Konfliktparteien führte zu einem Anstieg des Konsums und damit zu einem Rückgang der Sparquote. Eine vollständige Beendigung des Konfliktes würde zu einem Konsumrückgang von etwa 5% bis 7% oder einer Verdoppelung der israelischen Sparquote führen. Der Rückgang der Direktinvestitionen und der Sparquote wirkt sich negativ auf die Investitionen und somit auf das Wirtschaftswachstum aus. Terrorismus beeinflusst aber nicht nur die Höhe der Investitionen, sondern auch die Zusammensetzung der Investitionsnachfrage. Ebenfalls für Israel konnte gezeigt werden, dass Bauinvestitionen besonders stark zurückgehen. Sie nähmen bei einer Beendigung des Terrorismus um rund 28% zu, die Investitionen in Maschinen und Ausrüstungen um 15%.

Aussenhandel


Terrorismus – und vor allem die damit einhergehende Erhöhung der Sicherheitsmassnahmen – fügt auch dem internationalen Handel erhebliche Schäden zu. Eine Analyse der Handelsströme zwischen mehr als 200 Ländern in den Jahren 1960-1993 zeigt, dass bei einer Verdoppelung der Zahl der terroristischen Angriffe das Handelsvolumen zwischen zwei Ländern um 4% zurückgeht. Damit werden die aus der entsprechenden Spezialisierung entstehenden Wohlfahrtsgewinne stark reduziert.

Kapitalmärkte


Nach Terroranschlägen wird in den Medien häufig über die kurzfristigen Auswirkungen auf die Aktienmärkte berichtet. Schmälert Terrorismus die Gewinnaussichten von Firmen in den betroffenen Gebieten, sollte sich dies in den Aktienpreisen niederschlagen. Diese langfristigen Auswirkungen werden in verschiedenen Studien untersucht. Für Israel kann bezogen auf die Jahre 1990-1993 gezeigt werden, dass ohne den Gewaltausbruch nach dem Scheitern des Friedensprozesses im Jahre 2000 der wichtigste Tel Aviver Aktienindex im Jahre 2003 um etwa 35% höher notiert hätte. Aber auch einzelne Anschläge haben negative Effekte, besonders wenn sie innerhalb der Grünen Linie stattfinden. Vor allem Selbstmordanschläge und Anschläge mit einer hohen Opferzahl haben längerfristige Nachwirkungen.  Ähnliche Auswirkungen wurden für den spanischen Aktienmarkt anlässlich eines unilateralen Waffenstillstandes der ETA zwischen September 1998 und November 1999 nachgewiesen. Als der Waffenstillstand glaubwürdig wurde, wiesen die Aktien von hauptsächlich im Baskenland tätigen Unternehmen im Vergleich mit den übrigen spanischen Firmen eine positive relative Performance auf. Desgleichen kamen die Aktien dieser Firmen auf eine negative relative Performance, als das Ende des Waffenstillstandes absehbar wurde. Die kumulierten ausserordentlichen Erträge in den jeweiligen Perioden betrugen zusammengenommen über 10%.

Gesamtwirtschaftliche Schäden


Die aufgeführten Auswirkungen legen nahe, dass die wirtschaftliche Entwicklung durch den Terrorismus insgesamt negativ beeinflusst wird. Bei der Abschätzung der gesamten wirtschaftlichen Kosten ist es schwierig zu bestimmen, wie die Entwicklung des Sozialprodukts ohne Terrorismus verlaufen wäre. Um dieses Problem anzugehen, wurde in einer Studie das von vielen terroristischen Anschlägen geplagte Baskenland mit einer «synthetischen Einheit» verglichen. Diese setzt sich aus denjenigen Regionen Spaniens zusammen, die ähnliche wirtschaftliche Eigenschaften wie das Baskenland aufweisen. Vergleicht man die tatsächliche Entwicklung des baskischen Sozialprodukts mit der Entwicklung des Sozialprodukts der synthetischen Einheit, sieht man, dass der Terrorismus im Baskenland das dortige Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung seit 1970 um etwa 10% vermindert hat. Der Unterschied zwischen der tatsächlichen und hypothetischen Entwicklung wird darüber hinaus bei einer Zunahme des Terrorismus grösser.

Wirkung in nicht direkt betroffenen Ländern


Terrorismus hat auch Auswirkungen über das direkt betroffene Land hinaus. Terroranschläge beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung der Nachbarländer und ganzer Regionen. Bezüglich der Tourismusnachfrage beispielsweise können sowohl Substitutionsals auch Spillover-Effekte nachgewiesen werden. Griechenland, Israel und die Türkei gewinnen Marktanteile, wenn in einem der jeweils anderen Länder die Terrorismusaktivität zunimmt. Doch nur 11% der durch Terrorismus reduzierten Tourismusnachfrage wird in eines der anderen beiden Länder abgelenkt. Die übrigen Touristen meiden die Region gänzlich. Ebenso können im Bereich des internationalen Handels die indirekten Kosten erhöhter Sicherheitsmassnahmen für die Handelspartner gravierender ausfallen als für das die Sicherheitsmassnahmen einsetzende Land.

Angst, Trauer und Schmerz – Versuch einer Quantifizierung


Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind aber nur ein Teil der Auswirkungen von Terrorismus. Angst, Trauer und Schmerz bei der davon betroffenen Bevölkerung werden damit kaum erfasst. In unserer gegenwärtigen Forschung versuchen wir, dieses vom Terror sowie von dessen Abwehr bewirkte menschliche Leid zu erfassen.  In einer Studie für Frankreich, Irland und das Vereinigte Königreich im Zeitrum 1973/75-1998 konnten wir das Ausmass aufzeigen, in welchem terroristische Anschläge die subjektive Lebenszufriedenheit der Bevölkerung schmälern. Dazu wird die Entwicklung der von Individuen in jährlichen Umfragen angegebene Lebenszufriedenheit in den terrorgeplagten Regionen Paris, London und Nordirland mit der Entwicklung in den friedlichen Regionen verglichen. Zusätzlich kennt man die positiven Effekte eines höheren Einkommens auf die Lebenszufriedenheit.  Damit lässt sich berechnen, auf wie viel Einkommen eine in einer terrorgeplagten Region wohnhafte Person verzichten würde, wenn die Terrorismusaktivität auf das Niveau in den friedlichen Regionen gesenkt werden könnte. Für eine durchschnittliche Person sind dies rund 14% des jährlichen Einkommens im Falle von Paris, 32% im Falle Londons und 41% im Falle Nordirlands. Für den Nordirlandkonflikt gilt zu bedenken, dass dieser zu verschiedenen Zeiten beinahe die Ausmasse eines Bürgerkrieges annahm und politische Gewalt nicht auf Terrorismus beschränkt war.  Auch wenn die Zahlen mit Vorsicht zu interpretieren sind, zeigen sie doch, dass die Gesamtkosten von Terrorismus die rein wirtschaftlichen Auswirkungen um ein Mehrfaches übertreffen.

Folgerungen für die Politik


Die erörterten Auswirkungen verdeutlichen, dass der Terrorismus für das Wirtschaftgeschehen und die Gesellschaft von grosser Bedeutung ist. Entsprechend müssen Anstrengungen unternommen werden, dem Phänomen wirksam zu begegnen. Dabei soll-te jedoch nicht einseitig auf Abschreckung mittels militärischer und polizeilicher Mittel gesetzt werden. Vielmehr gilt es, auch die tie-fer liegenden Ursachen von Terrorismus zu beseitigen und potenziellen Terroristen friedliche Mittel zur Verfügung zu stellen, mit welchen sie ihre Anliegen verfolgen können. Gerade der Nordirlandkonflikt zeigt, dass mit der Einbindung der Paramilitärs und ihren politischen Organisationen Frieden möglich wird. Auch gilt es sich davor zu hüten, im Rahmen der Terrorismusbekämpfung die Wirtschaft zu stark zu regulieren. Die dezentrale Entscheidungs- und Produk-tionsstruktur einer Marktwirtschaft ist das beste Mittel, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Terrorismus zu begrenzen.

Kasten 1: Literaturhinweise – Abadie, Alberto und Javier Gardeazabal (2003). The Economic Costs of Conflict: A Case Study of the Basque Country. American Economic Review 93(1): 113-132.- Drakos, Konstantinos und Ali M. Kutan (2003). Regional Effects of Terrorism on Tourism in Three Mediterranean Countries. Journal of Conflict Resolution 47(5): 621-641.- Eldor, Rafi und Rafi Melnick (2004). Financial Markets and Terrorism. European Journal of Political Economy 20(2): 367-386.- Enders, Walter und Todd Sandler (1991). Causality between Transnational Terrorism and Tourism: The Case of Spain. Terrorism 14(1): 49-58.- Enders, Walter und Todd Sandler (1996). Terrorism and Foreign Direct Investment in Spain and Greece. Kyklos 49(3): 331-352.- Fielding, David (2003). Counting the Cost of the Intifada: Consumption, Saving and Political Instability in Israel. Public Choice 116(3-4): 297-312.- Fielding, David (2003). Modelling Political Instability and Economic Performance: Israeli Investment During the Intifada. Economica 70(277): 159-186.- Frey, Bruno S. (2004). Dealing with Terrorism: Stick or Carrot? Cheltenham und Northampton: Edward Elgar.- Frey, Bruno S., Simon Luechinger und Alois Stutzer (2004). Calculating Tragedy: Assessing the Costs of Terrorism. IEW Working Paper Nr. 205, Universität Zürich.- Frey, Bruno S., Simon Luechinger und Alois Stutzer (2004). Valuing Public Goods: The Life Satisfaction Approach. IEW Working Paper Nr. 184, Universität Zürich.- Nitsch, Volker und Dieter Schumacher (2004). Terrorism and International Trade: An Empirical Investigation. European Journal of Political Economy 20(2): 423-433.

Zitiervorschlag: Frey, Bruno S.; Lüchinger, Simon; Stutzer, Alois (2005). Wirtschaftliche Auswirkungen des Terrorismus. Die Volkswirtschaft, 01. November.