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Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung – die Rolle der Finanzmarktaufsicht

Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung - die Rolle der Finanzmarktaufsicht

Die Terroranschläge gegen die USA vom 11. September 2001 waren nicht nur für die internationale Gemeinschaft, sondern auch für die Finanzwelt ein Schock. Neben den kurzfristigen Auswirkungen auf die Börsen wurden die Finanzmarkt-Akteure mit einer neuen, langfristigen Herausforderung konfrontiert: der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Es besteht kein Zweifel, dass der Terrorismusfinanzierung über den Umweg des Bankensystems – und insbesondere den Schweizer Finanzplatz – kein Raum gelassen werden darf. Dies ist der Auftrag, den sich die Eidg. Bankenkommission (EBK) gegeben hat. SR 955.022.

Die Anschläge vom 11. September 2001 hatten den aktiven Einbezug der Finanzintermediäre und der Aufsichtsbehörden in die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zur Folge. Im Gegensatz zu den seit längerer Zeit bestehenden Präventivmassnahmen in der Geldwäscherei-Bekämpfung erschien die Rolle, welche die Bankenwelt spielen konnte und musste, nach diesen Attentaten in einem neuen Licht.  Es stellten sich umgehend zwei Fragen: Hatten die Terroristen im Wissen um die Attentate Insider-Transaktionen auf den Finanzmärkten getätigt? Und: Erfolgte die Finanzierung der Attentate vom 11. September 2001 über das Bankensystem oder wurden andere Kanäle benutzt? Die Finanzwelt musste zwingend eine schnelle Antwort auf diese Fragen geben. Die internationale Gemeinschaft hat – auf Initiative der USA – rasch den Entschluss gefasst, eine Kampagne für die Trockenlegung der finanziellen Ressourcen des internationalen Terrorismus zu lancieren. Nach der Erklärung des Präsidenten der USA, George W. Bush, vom 24. September 2001 Verfügbar unter: www.whitehouse.gov, Rubriken «News», «September 2001», «September 24, 2001», «Executive Order on Terrorist Financing». veröffentlichten die USA erstmals eine Liste von Personen und Organisationen, welche mit Terrorismus in Verbindung stehen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Listen übernommen und die Mitgliedstaaten dazu angehalten, diese in ihren Ländern nachzuführen.

Finanzplatz Schweiz unter Druck


Als internationaler Finanzplatz hatte die Schweiz im Rahmen der getroffenen Massnahmen eine führende Rolle bei der Suche nach den Urhebern und Tätern der Anschläge vom 11. September 2001 sowie insbesondere bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung einzunehmen. In den Tagen nach dem Einsturz der «Twin Towers» in New York waren der Finanzplatz Schweiz und dessen Akteure einem enormen internationalen Druck ausgesetzt. Es galt zu zeigen, dass das Schweizer Bankgeheimnis Terroristen keinerlei Schutz gewährt.  In ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde über das schweizerische Banken- und Börsenwesen war die Eidg. Bankenkommission (EBK) stark in die entsprechenden Abklärungen involviert. Zum einen koordinierte sie die Aktionen der US-amerikanischen und der Schweizer Behörden mit den Instituten, die unter Aufsicht der EBK stehen. Zum anderen leitete sie die Namenlisten mit verdächtigen Personen und Organisationen den Banken und Effektenhändlern in der Schweiz weiter. Die EBK forderte die Banken und Effektenhändler auf, Geschäftsbeziehungen mit auf den Listen aufgeführten Personen oder Organisationen der Meldestelle für Geldwäscherei (Money Laundering Reporting Office Switzerland, MROS) zu melden und die ent-sprechenden Vermögenswerte gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanz-sektor (GwG) vom 10. Oktober 1997 SR 955.0. zu blockieren. Die von der Meldestelle für Geldwäscherei – insbesondere in ihrem 7. Jahresbericht von 2004 Verfügbar unter: Vgl. Bericht vom 14. März 2002 «Kampf gegen die Finanzierung des Terrorismus: Auswirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die Tätigkeit der Eidg. Bankenkommission», verfügbar unter: www.ebk.admin.ch , «Archiv», «Aktuelles 2002», «Bericht der EBK: kein Hinweis auf Insiderdelikte durch Terroristen».

Gesetzgeberische Massnahmen


Auf internationaler Ebene wurden seitens internationaler Organisationen zahlreiche Diskussionen lanciert, in die auch die EBK aktiv mit einbezogen wurde. Die wichtigsten regulatorischen Massnahmen sind: – die Spezial-Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) vom 31. Oktober 2001; Verfügbar unter: www.fatf-gafi.org, «Key Topics», «FATF Standards», «Terrorist Financing», «Nine Special Recommendations on Terrorist Financing». – die Stellungnahme des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht vom April 2002; Verfügbar unter: Verfügbar unter: www.wolfsberg-principles.com, «Translations», «German», «Wolfsberg-Erklärung zur Unterdrückung der Terrorismusfinanzierung».  In der Schweiz wurde auch der Ratifikation der UNO-Konvention zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ein neuer Impuls verliehen. Die EBK achtete insbesondere auf die Umsetzung der angeführten internationalen Empfehlungen, welche in das bestehende Geldwäscherei-Abwehrdispositiv integriert wurden.

Aktuelle aufsichtsrechtliche Anforderungen


Die auf die Finanzintermediäre anwendbaren Bestimmungen können als Präventivmassnahmen qualifiziert werden, welche verhindern sollen, dass zur Terrorismusfinanzierung bestimmte Vermögen in die Schweiz gelangen. Sie sind zu unterscheiden von den insbesondere im Strafgesetzbuch (StGB) SR 311.0. vorgesehenen so genannt repressiven Massnahmen, wie zum Beispiel der am 1. Oktober 2003 in Kraft getretene Art. 260quinquies StGB betreffend Finanzierung des Terrorismus, für dessen Anwendung die Strafbehörden zuständig sind.  Im Rahmen ihrer am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Verordnung zur Verhinderung von Geldwäscherei (GwV EBK) SR 955.022.
11 Vgl. «Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers) vom 30. Juni 1993», BBl 1993 III 277 ff.
12 SR 946.231.
13 SR 946.203.
14 Verfügbar unter: www.un.org , Rubrik «Search», Eingabe «S/2004/679», «Links to Documents».0 hat die EBK insbesondere folgende Präventivmassnahmen umgesetzt: – Gleichsetzung der terroristischen Organisationen mit den kriminellen Organisationen (Art. 1 lit. c GwV EBK): Mangels einer gesetzlichen Definition der terroristischen Organisationen wurde ein Verweis auf die gesetzliche Definition der kriminellen Organisationen gemäss Art. 260ter StGB vorgesehen. Gemäss Botschaft des Bundesrats vom 30. Juni 1993 SR 955.022.
11 Vgl. «Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers) vom 30. Juni 1993», BBl 1993 III 277 ff.
12 SR 946.231.
13 SR 946.203.
14 Verfügbar unter: www.un.org , Rubrik «Search», Eingabe «S/2004/679», «Links to Documents».1 war der Tatbestand der Kriminellen Organisation von Art. 260ter StGB von Anfang an nicht nur auf mafiose, sondern auch auf terroristische Organisationen zugeschnitten. – Verbot von Geschäftsbeziehungen mit terroristischen Organisationen (Art. 5 GwV EBK): Diese Grundsatzbestimmung beruht auf der Tatsache, dass auch die Entgegennahme von Vermögenswerten krimineller oder terroristischer Organisationen den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllt. Ein Finanzintermediär, der dies vorsätzlich tut, kann sich sogar der Unterstützung einer kriminellen Organisation strafbar machen.  – Meldepflicht bei Verbindungen eines Klienten zu einer terroristischen Organisation (Art. 25 GwV EBK): Es handelt sich um eine Präzisierung der Meldepflicht im Fall eines Hinweises auf Verbindungen zu terroristischen Aktivitäten. Die Meldepflicht von Art. 9 GwG bleibt grundsätzlich anwendbar, entsteht aber bei Vorliegen von blossen Hinweisen auf eine direkte oder indirekte Verbindung zwischen einer Transaktion oder einer Geschäftsbeziehung und einer terroristischen Organisation. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Name einer der in eine Geschäftsbeziehung verwickelten Personen auf einer von der UNO oder vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) herausgegebenen Liste mutmasslicher Terroristen erscheint. Es ist zu präzisieren, dass diese Meldepflicht unabhängig von einer allfälligen Meldepflicht im Zusammenhang mit Wirtschafts- und Finanzsanktionen der Schweiz in Anwendung des Bundesgesetzes über die Durchsetzung von Sanktionen (Embargogesetz) SR 955.022.
11 Vgl. «Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers) vom 30. Juni 1993», BBl 1993 III 277 ff.
12 SR 946.231.
13 SR 946.203.
14 Verfügbar unter: www.un.org , Rubrik «Search», Eingabe «S/2004/679», «Links to Documents».2 besteht. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung handelt es sich hauptsächlich um Massnahmen gemäss der Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, Al-Kaida oder den Taliban. SR 955.022.
Vgl. «Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers) vom 30. Juni 1993», BBl 1993 III 277 ff.
SR 946.231.
SR 946.203.
Verfügbar unter: www.un.org , Rubrik «Search», Eingabe «S/2004/679», «Links to Documents».  Mit dieser punktuellen und verhältnismässigen Regulierung, welche an bewährte Mechanismen anknüpft, hat die EBK eine klare Botschaft vermittelt: Der Finanzplatz Schweiz ist für finanzielle Aktivitäten, welche einen Bezug zum Terrorismus aufweisen, nicht attraktiv.

Eine Patentlösung ist nicht in Sicht


Die seit dem 11. September 2001 in der Bankenwelt getroffenen aufsichtsrechtlichen Präventivmassnahmen haben hinsichtlich der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung Wirkung gezeigt. Dies gilt insbesondere für die Schweiz, die aufgezeigt hat, dass das Bankgeheimnis Terroristen und aus deren Aktivitäten herrührenden Vermögenswerten keinen Schutz gewährt. Die rückgängige Anzahl von Meldungen an die Meldestelle für Geldwäscherei muss als Nachweis gedeutet werden, dass der Bankensektor bezüglich solcher zweifelhafter Vermögenswerte ausgetrocknet worden ist.  Trotz der von verschiedenen Aufsichtsbehörden getroffenen Massnahmen werden auf der ganzen Welt leider weiterhin neue Terroranschläge verübt. Auch wenn in gewissen Ländern nicht derart strenge Vorschriften wie in der Schweiz bestehen, müssen die für die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung verantwortlichen internationalen und nationalen Instanzen vor Erlass neuer Bestimmungen die bis heute getroffenen Massnahmen kritisch überprüfen: – Im Gegensatz zur Geldwäschereibekämpfung, bei der Finanzintermediäre Vermögenswerte zweifelhafter Herkunft aufspüren, bevor diese gewaschen werden, zielt die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung auf die Identifizierung von Vermögenswerten ab, die zwar legaler Herkunft sind, aber für unerlaubte Zwecke verwendet werden sollen. Diese Aufgabe ist äusserst komplex, und die verwendeten Entdeckungsmechanismen – mit Ausnahme der angeführten Listen mutmasslicher Terroristen und terroristischer Organisationen – sind unsicher. Ohne die von staatlichen Behörden veröffentlichten Listen ist es für eine Bank sehr schwierig, mögliche verdächtige Transaktionen mit einer Verbindung zum Terrorismus zu identifizieren.  – Ein weiteres grosses Problem ist die Tatsache, dass die Durchführung eines Terroranschlages nur relativ bescheidene finanzielle Mittel benötigt. Gemäss einem Expertenbericht der UNO vom 31. Juli 2004 SR 955.022.
11 Vgl. «Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers) vom 30. Juni 1993», BBl 1993 III 277 ff.
12 SR 946.231.
13 SR 946.203.
14 Verfügbar unter: www.un.org , Rubrik «Search», Eingabe «S/2004/679», «Links to Documents». mussten nur gerade für die Anschläge vom 11. September 2001 Mittel von mehr als 100000 US-$ aufgebracht werden. Die Anschläge von Madrid im März 2004 und der Angriff auf die USS Cole in Aden im Oktober 2000 erforderten Geldbeträge in der Grössenordnung von 10000 US-$, diejenigen auf die amerikanischen Botschaften in Kenya und Tansania im August 1998 weniger als 50000 US-$. – Die weltweiten Geldströme fliessen nicht nur über die gut regulierten und überwachten Finanzplätze, sondern auch über zahlreiche alternative Kanäle, die nur schwer kontrollierbar sind. – Schliesslich werden im Rahmen der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung der Schutz der Persönlichkeitsrechte und in gewissen Fällen auch die Unschuldsvermutung auf eine harte Probe gestellt. Die Listen mit Namen von Personen und Organisationen, die eine mutmassliche Verbindung zum Terrorismus aufweisen, zirkulieren in institutionalisierter Weise auf der ganzen Welt, ohne dass die Betroffenen von einem Gericht schuldig befunden wurden oder sie gar die Möglichkeit hatten, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Für eine möglicherweise irrtümlich auf einer solchen Liste aufgeführte Person kann es unter Umständen äussert schwierig oder sogar unmöglich sein, von der Liste gestrichen zu werden.

Zitiervorschlag: Marc Siegel (2005). Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung – die Rolle der Finanzmarktaufsicht. Die Volkswirtschaft, 01. November.