Suche

Abo

Innovationsförderung in der Praxis

Innovationsförderung in der Praxis

Entwickelte Volkswirtschaften wie die Schweiz stehen unter ständigem Innovationsdruck. Die einzelnen Wirtschaftszweige sind der permanenten Gefahr der Verlagerung und Verdrängung aufgrund des Strukturwandels ausgesetzt. Nur durch laufende Erneuerungen können Unternehmen hier bestehen und Arbeitsplätze anbieten. Innovationen sind deshalb für die Erhaltung des Wohlstands in unserem Land von zentraler Bedeutung. Einen entsprechend hohen Stellenwert sollte folglich auch die Innovationsförderung geniessen. Der Fokus dieses Artikels liegt mehrheitlich auf der Innovationsförderung bei Jungunternehmen.

Der Wohlstand der Schweiz basiert auf der Innovationskraft unserer Wirtschaft. Als entwickelte Volkswirtschaft müssen wir akzeptieren, dass jährlich ein Teil der Arbeitsplätze durch Strukturwandel verschwindet – sie werden überflüssig oder wandern in Länder mit geringeren Faktorkosten ab. Als Ausgleich brauchen wir neue Arbeitsplätze mit höherer Wertschöpfung, um unser hohes Lohnniveau aufrechterhalten zu können. Solche Arbeitsplätze entstehen durch Innovationen in Unternehmen. So hat beispielsweise GlycArt – ein im Jahre 2000 gegründetes Spin-off des Institutes für Biotechnologie der ETHZ – im Bereich der Verbesserung der Wirksamkeit von Antikörpern eine Wertschöpfung von ca. 3,5 Mio. Franken pro Mitarbeiterjahr erreicht.

Unterstützung von Unternehmensgründungen


Voraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens ist die Kombination von drei Elementen:  – überzeugende Geschäftsidee;  – notwendiges Startkapital;  – Management-Team, das die operative Umsetzung vornimmt.   Genau an dieser Stelle greift die Innovationsförderung. Ihr Zweck ist unter anderem die professionelle Unterstützung von Unternehmensgründungen. Nicht jede Geschäftsidee führt jedoch zum Erfolg. Häufig ist der kreative Prozess des späteren Unternehmensgründers nicht mit der ersten Idee abgeschlossen. Vielmehr dient sie als Ausgangspunkt einer Entwicklung, bis schliesslich eine ausgereifte, marktfähige Geschäftsidee vorliegt. In dieser Phase können professionelle Innovationsförderer aufgrund ihrer Erfahrung beim Abschätzen von Marktchancen unterstützend zur Seite stehen und somit diesen kreativen Prozess strukturiert fördern. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Unternehmensgründung braucht es Zugang zu Kapital. Hier können Innovationsförderer nicht nur die Gründung an sich ermöglichen, sondern dem Gründer die Last der Kapitalbeschaffung ein Stück weit abnehmen, sodass sich dieser auf die Umsetzung seiner Geschäftsidee fokussieren kann. Schliesslich braucht es ein Management-Team, welches durch komplementäre Fähigkeiten den Ideengeber unterstützt und die neue Unternehmung trägt. Ein solches Team kann durch externes Coaching zu einer besseren, schlagkräftigeren Einheit aufgebaut werden.  Innovationsförderung wirkt also unterstützend bei der Durchführung von Unternehmensgründungen, da sie durch eine professionelle Betreuung in der Gründungsphase das Risiko reduziert und durch gezieltes Coaching aus einem einzelnen oder aus mehreren Erfindern Unternehmer mit den erforderlichen Managementfähigkeiten macht.

Deutlich verbessertes Umfeld zur Firmengründung


Im Jahr 2004 wurden 34443 Firmen neu ins Schweizerische Handelsregister eingetragen – so viele wie noch nie.1 Wie war dies möglich? Unter anderem wegen der steigenden Professionalisierung der Innovationsförderung, wodurch ein professionelles Umfeld für Unternehmensgründungen geschaffen werden konnte. In den letzten Jahren hat zudem eine Reihe von Paradigmawechseln entlang verschiedener Dimensionen stattgefunden, welche sich förderlich für Unternehmensgründungen auswirken. Im Bereich der Kapitalbeschaffung entstanden mehr Finanzierungsmöglichkeiten durch Venture-Capital- und Private-Equity-Gesellschaften, welche Unternehmen in der risikoreichen Startphase unterstützen. Diese wiederum werden von privaten Anlegern getragen, die vermehrt bereit sind, in solche Geschäfte zu investieren. Weiter hat sich ein breites Coaching-Angebot etabliert, das häufig sehr günstig oder sogar kostenlos Zugang zu grossen Erfahrungsschätzen bietet. Häufig sind es aktuelle oder ehemalige Unternehmer und Topmanager, die in ihrer Freizeit solche Coaching-Dienstleistungen erbringen. Zu den genannten Dienstleistungen kommt der Schutz des geistigen Eigentums (Patente und Vertragsabschlüsse), weshalb die Hilfestellung durch Rechtsanwälte mitunter in einer sehr frühen Phase der Unternehmensgründung gefragt ist. Oft werden solche Dienstleistungen – wie z.B. Patentdatenbanken – innerhalb eines Start-up-Netzwerks angeboten.  Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist zudem die öffentliche Meinung über Unternehmensgründer. Noch vor wenigen Jahren hat man sie als Exzentriker abgetan und im Falle eines Scheiterns als unfähige Pleitiers disqualifiziert; heute werden Gründer in einem weit wohlwollenderen Licht gesehen. Die Medien berichten regelmässig positiv über herausragende Jungunternehmer, Förderpreise schiessen wie Pilze aus dem Boden. Ein Misserfolg führt mittlerweile nicht mehr zur gesellschaftlichen Ächtung, sondern wird als kalkulierbares Risiko akzeptiert.

Beispiele erfolgreicher Innovationsförderung


Über die letzten Jahre gab es vermehrt Beispiele erfolgreicher Innovationsförderung in der Schweiz. Einige Initiativen unterstützen Unternehmer vor und während der Gründung ihres Unternehmens, wie der von McKinsey gemeinsam mit der ETH Zürich ins Leben gerufene Businessplan-Wettbewerb «Venture-Companies for Tomorrow». Andere – wie der Swiss Economic Award und der Prix Vigier – prämieren erfolgreiche Jungunternehmen einige Jahre nach dem Start und gewähren ihnen so nebst finanzieller Unterstützung auch einen höheren Bekanntschaftsgrad in der Öffentlichkeit. Daneben gibt es Venture Funds, wie der Venture Incubator (von McKinsey gemeinsam mit der ETH Zürich und acht Schweizer Grossunternehmen lanciert), die in viel versprechende Jungunternehmen investieren. Unsere eigene Erfahrung mit dem Venture Businessplan-Wettbewerb hat gezeigt, dass die gezielte Unterstützung von Jungunternehmern bei der Erarbeitung ihrer Geschäftsideen und Businesspläne einen wesentlichen Beitrag zur Innovationslandschaft Schweiz leisten kann: Seit 1998 wurden in vier Austragungen insgesamt 780 Geschäftsideen erfasst. Aus diesen wurden 325 Businesspläne erarbeitet und schliesslich unter professioneller Begleitung von Coaches rund 135 Firmen mit ca. 1300 Arbeitsplätzen gegründet. Darunter befinden sich so bekannte Erfolgsbeispiele wie GlycArt und Dartfish.  Daneben gibt es noch weitere Initiativen von Instituten und Grossfirmen – wie z.B. Novartis Venture Fund – sowie unzählige Seminare, Wettbewerbe, Wirtschaftsforen bis hin zu Venture Dinners. Sie alle gestalten die Landschaft der Innovationsförderung in der Schweiz und führen letztlich zu mehr erfolgreichen Unternehmensgründungen. Innovationsförderung ist zunehmend auch ein Thema für internationale Grossunternehmen. So hat etwa Procter&Gamble ein «Innovation Committee» ins Leben gerufen, das sich aus Direktoren der Firma zusammensetzt. Und General Electric (GE) hat innerhalb der Divisionen die Entwicklung neuer Ideen institutionalisiert. Mit dem «Imagination Breakthrough»-Programm hat GE systematisch über 80 Geschäftsinnovationen entwickelt, die innert drei Jahren je 100 Mio. US-$ an Umsatz generieren sollten. Grossunternehmen übernehmen einzelne Aspekte der Innovationsförderung bei Start-ups. Allerdings muss der für Grossunternehmen erfolgreiche Ansatz berücksichtigen, dass strategische Konsistenz und Prozessdisziplin einen höheren Stellenwert haben.

Von der Idee zum erfolgreichen Unternehmen


Auf dem Weg von der ersten Idee zur erfolgreichen Unternehmung gibt es einige Schlüsselmomente, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden und in denen eine professionelle Innovationsförderung unterstützend wirken kann. Am Anfang steht die Auswahl der Ideen. Nicht jede Innovationsidee ist auch eine ausgereifte Geschäftsidee. Hier kann eine professionelle Innovationsförderung frühzeitig Feedback geben und somit helfen, Ressourcen fokussiert einzusetzen und Misserfolge zu minimieren. Der zweite Schritt ist die Verbindung der Idee mit einem Businessplan. Die Stringenz, die eine Innovationsförderung mit ihren Anforderungen an einen Businessplan verlangt, hilft auch auf dieser Stufe, frühzeitig die Spreu vom Weizen zu trennen und Ressourcen zu fokussieren. Letztlich ist ein vollständiger, glaubwürdiger Businessplan die Grundlage für die Investoren und somit für die Kapitalbeschaffung. Und ohne diese ist eine erfolgreiche Unternehmensgründung kaum möglich. Des Weiteren kann Innovationsförderung dabei helfen, die Geschwindigkeit eines Start-ups zu erhöhen, da viele Hürden aus dem Weg geräumt werden können. Je schneller ein neu gegründetes Unternehmen dem Markt ausgesetzt ist, desto schneller erhält es auch Feedback vom Markt und kann sein Angebot optimieren. Es erfolgt eine Fokussierung von Ressourcen aufgrund einer frühen Rückmeldung. Gerade die relativ geringe Aufbaugeschwindigkeit war früher oft eine Schwäche von Schweizer Start-ups.

Wandel als Chance verstehen


Für Unternehmen gilt gleiches wie für Volkswirtschaften: Stagnieren sie, werden sie überholt und verlieren damit ihre Fähigkeit, Wohlstand zu erzeugen. Wäre die Schweiz bei der Textilindustrie stehen geblieben, hätten wir heute den Lebensstandard von Vietnam. Nur durch dauernde Innovationen kann unser heutige Wohlstand erhalten und im Idealfall verbessert werden. In diesem Sinne wirkt Innovationsförderung auch der Erhaltung von obsoleten Strukturen entgegen. Denn Innovationen fördern den strukturellen Wandel: Es wird in neue Strukturen statt in die Erhaltung bestehender Arbeitsplätze investiert. Je mehr es der Schweiz gelingt, ihre Innovationskraft weiter zu entwickeln, desto eher kann der hohe Lebensstandard gehalten oder sogar ausgebaut werden. Die Ausgangslage der Schweiz ist grundsätzlich positiv zu werten. Einige der Branchen mit den höchsten Innovationsraten – wie Pharma und Biotechnologie – sind in der Schweiz gut vertreten. Zudem stellen sich einige der aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft – z.B. die zunehmende Lebenserwartung – sehr akzentuiert, was wiederum positiven Druck hin zu Innovationen erzeugt.

Handlungsbedarf für gezielte Optimierungen


Allerdings gibt es auch Schwachstellen in der Schweizer Innovationslandschaft. So hat zum Beispiel der Finanzsektor in der Schweiz nicht sehr viele Start-ups generiert, obwohl die Branche gut entwickelt ist. Die grossen Innovationszentren in diesem Bereich sind im Ausland zu finden – in New York und London. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass eine starke, international renommierte Finanzausbildung bisher in der Schweiz fehlte. Diese Lücke wird durch die Initiative Swiss Finance Institute nun geschlossen. Wichtig ist zudem, dass der Transfer von den Bildungsstätten zur Wirtschaft gelingt. Hier sind in vielen Bereichen grosse Bemühungen sichtbar, die auch bereits deutliche Fortschritte brachten. Trotzdem besteht nach wie vor Handlungsbedarf für weitere Optimierungen. Verschiedene Schweizer Universitäten – z.B. Uni Basel, Uni Zürich und die beiden ETH – haben in der jüngsten Zeit ihre Technologietransferstellen massiv ausgebaut und auf einen hohen Stand gebracht. Ausschlaggebend ist auch der Ausbau der gezielten Förderung von Unternehmensgründern. Dies kann vor allem durch ein weltweit führendes Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten sowie durch möglichst leichten Zugang zu Risikokapital erreicht werden. Dabei sollten die flankierenden Massnahmen – wie die häufige Medienpräsenz von Jungunternehmerinnen und -unternehmern – aufrechterhalten bleiben.

Das Wagnis eingehen!


Die Hindernisse auf dem Weg zu einer erfolgreichen Unternehmensgründung in der Schweiz haben in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Die Chancen einer erfolgreichen Gründung haben sich durch die Verfügbarkeit von erfahrenen Coaches während des Gründungsprozesses sowie durch den leichteren Zugang zu interessanten Partnern und zum Kapitalmarkt deutlich vermehrt. Zudem ist das Sozialprestige von Firmengründern im Gegensatz zu früher markant gestiegen. Somit kann potenziellen Unternehmensgründern nur ans Herz gelegt werden, den Schritt zum Unternehmer zu wagen und das erforderliche Risiko einzugehen.

Zitiervorschlag: Thomas Knecht (2005). Innovationsförderung in der Praxis. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.