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Ein Sieben-Punkte-Programm für Innovation und Wachstum

Ein Sieben-Punkte-Programm für Innovation und Wachstum

Betrachtet man das schweizerische Innovationssystem sowohl von der Input-Seite (Humanressourcen, Finanzierung, Wissensbasis) als auch von der Output-Seite (wissenschaftliche Erkenntnisse, erfolgreiche Umsetzungen usw.), so befindet sich unser Land immer noch in einer guten Situation. Dies darf aber den Blick für tiefer liegende Probleme nicht verstellen. Auf der politischen Agenda stehen wichtige Vorlagen, wie die BFT-Botschaft und das Hochschulrahmengesetz, wo die Weichen neu zu stellen sind. Was muss angesichts von hohen Arbeitskosten sowie einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung getan werden, damit die Schweiz im Wettbewerb mit anderen dynamischen Volkswirtschaften Schritt halten kann? Dazu ein paar grundsätzliche programmatische Überlegungen.

1. Die vorgelagerten Schulen müssen aufgewertet werden. Sie müssen die Grundlage für das Leben legen, weshalb der Vermittlung von Basiswissen in Deutsch, den gängigen Fremdsprachen und vor allem in Mathematik und den Naturwissenschaften überragende Bedeutung zukommt. Notwendig sind neue Anreize im institutionellen Gefüge unserer Schulen (Schulautonomie, Wettbewerb, höhere Leistungsansprüche, aber individuellere Betreuung usw.).  2. Die Berufsbildung ist ein Rückgrat für die Leistungskraft unserer KMU-dominierten Wirtschaft. Wenn dies auch in Zukunft so sein soll, ist eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen notwendig (z.B. Ausbildungsverbünde), um die Ausbildungsinhalte laufend mit den sich wandelnden Anforderungen der Berufsbilder abzustimmen. 3. In der breiten Gesellschaft ist das Konzept des lebenslangen Lernens noch nicht angekommen, auch wenn viele gut qualifizierte Personen regelmässig an solchen Veranstaltungen teilnehmen. Das Problem liegt bei den weniger Qualifizierten. Hier braucht es neben einer gezielten Aufklärungsarbeit und einer Sensibilisierung durch die Unternehmen auch entsprechende Anreize, um die Weiterbildung auf breiter Basis zu stärken. 4. Wir brauchen Hochschulen, die im internationalen Wissenswettbewerb bestehen können. Wettbewerb bedeutet Differenzierung und nicht ein einheitliches Ausbildungsangebot. Das verlangt ein grösstmögliches Mass an Autonomie. Spitzenleistungen müssen zum institutionellen Ziel unserer universitären Hochschulen gemacht werden. Unsere Hochschulen (vor allem die Fachhochschulen) sind noch allzu stark in einem staatlich-administrativen Planungssystem gefangen, das eine eigene Profilierung erschwert. Und höhere Studiengebühren bleiben eine heilige Kuh der schweizerischen Hochschulpolitik. Damit wird nicht nur auf ein wirksames Element der Nachfragesteuerung, sondern auch auf eine zusätzliche Einnahmequelle verzichtet.  5. Nationalfonds und KTI sind und bleiben die Pfeiler der staatlichen Forschungsförderung. Es ist die Rolle des Nationalfonds, optimale Voraussetzungen für hoch stehende Grundlagenforschung zu schaffen, die den Grundstein legt für Innovationen. Der KTI obliegt die Verbreitung und Anwendung von neuen Technologien durch eine möglichst enge Koppelung von Hochschulen/Wirtschaft. Sie muss flexibel, professionell und unbürokratisch sein. Das ist weit wichtiger als ihr Status. Da Kooperationen immer mehr zum vorherrschenden Innovationsmuster werden, verdient der KTI-Ansatz für push- und pullseitige Wissens- und Technologietransferzentren eine Chance. Dringend zu verbessern ist die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Forschungsschwerpunkten und den Kompetenzzentren der Fachhochschulen sowie zwischen den schweizerischen und den europäischen Forschungsaktivitäten. 6. All dies braucht entsprechende staatliche Finanzmittel und eine Ausgabenstruktur, welche die Priorität von Bildung und Forschung reflektiert. Sie braucht aber auch eine schlankere Struktur unseres Bildungs- und Forschungssystems. Was wir sicher nicht brauchen, sind neue Innovationsräte und/oder -kommissionen. Denn am grünen Tisch lässt sich nicht feststellen, welche Technologien und Innovationen zukunftsträchtig und wettbewerbsfähig sind. Ein Bildungs- und Forschungsdepartement macht nur im Rahmen einer grundlegenden Reorganisation der Bundesverwaltung Sinn. 7. Der technologische Wandel findet in allererster Linie innerhalb bestehender Unternehmen statt. Daneben braucht eine Volkswirtschaft aber auch einen stetigen Strom von Neugründungen; vor allem technologieorientierte, schnell wachsende KMU sind ein wichtiges Element in der Erneuerung von Volkswirtschaften. Darin liegt eine wesentliche Funktion von Start-up-Unternehmen, weshalb der steuerlichen Behandlung von Risikokapital besondere Bedeutung zukommt.  Humankapital ist nicht nur ein wichtiger Standortfaktor im globalen Innovationswettbewerb, sondern auch der Schlüssel zu einem höheren Wachstumspfad.

Zitiervorschlag: Rudolf Walser (2005). Ein Sieben-Punkte-Programm für Innovation und Wachstum. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.