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Nachfolgeplanung in Klein- und Mittelunternehmen

Für die meisten Klein- und Mittelunternehmen (KMU) stellt sich früher oder später die Frage einer Nachfolge. Obwohl die Bedeutung einer unkomplizierten, steuerlich günstigen Geschäftsübergabe praktisch unbestritten ist, fehlten bisher empirisch belegte Zahlen zur Schweiz. In einer für die Gesamtschweiz als repräsentativ zu bezeichnenden Studie wurde diese Lücke – zumindest teilweise – geschlossen. Die Resultate zeigen: Nur eines von zehn Unternehmen sieht in der Nachfolge eine Bedrohung. Wichtigstes Ziel der Nachfolge ist das Überleben des Unternehmens. Die meisten Nachfolger sind nach wie vor die Söhne der Unternehmer. Und: Die steuerlichen Rahmenbedingungen bei der Nachfolge in der Schweiz sind besser als ihr Ruf.

Für die Studie1 wurden Anfang 2005 10 000 Fragebogen an Adressen aus der ganzen Schweiz versandt. Insgesamt wurden 1342 Fragebogen ausgewertet. Die Studie darf für die Schweiz als repräsentativ betrachtet werden, auch wenn die Kleinstunternehmen (bis 10 Mitarbeitende) gegenüber den anderen Unternehmensgrössenklassen untervertreten sind. Befragt wurden sowohl vor einer Nachfolgelösung stehende Unternehmen als auch solche, die bereits eine Nachfolgelösung gefunden haben.

Knapp jedes fünfte Unternehmen steht vor Übergang


Von den gut 300000 Unternehmen in der Schweiz stehen in den nächsten fünf Jahren 18,5% vor einer Nachfolgeregelung. Dies geht aus der Umfrage und den Berechnungen in Tabelle 1 hervor. Rechnet man die Anzahl betroffener Unternehmen mit einer – konservativ geschätzten – durchschnittlichen Anzahl Mitarbeitender von 7,9 pro Unternehmen hoch, bedeutet das, dass in den kommenden fünf Jahren 450000 Arbeitsplätze von einer Nachfolgelösung betroffen sind. Das entspricht etwa jedem siebten Arbeitsplatz in der Schweiz.

Für die Mehrheit keine direkte Bedrohung


Nur eines von zehn Schweizer Unternehmen sieht in der Nachfolge eine direkte Bedrohung. Dabei nehmen die Dienstleistungsunternehmen die Bedrohung leicht stärker wahr als die produzierenden Unternehmen. Letzteres kann sicher zu einem guten Teil auf die besondere personelle Bedeutung des Vorgängers bzw. des Nachfolgers bei der Dienstleistungserbringung zurückgeführt werden, die typischerweise regelmässig stärkeren Einfluss auf das Unternehmensgeschehen hat als in der produzierenden Branche. Etwas bedrohlicher als in der Deutschschweiz2 wird die Nachfolge in der Westschweiz und im Tessin gesehen – wenn auch auf immer noch relativ tiefem Niveau. Diese regionalen Unterschiede können mit einem sorgloseren Umgang der West- und Südschweizer mit der persönlichen Vorsorge erklärt werden. Während sich in der Romandie 42% und im Tessin 40% der Befragten vorsorglich um den Fall eines Unfalls oder eines plötzlichen Todes gekümmert haben, sind es in der deutschen Schweiz deutlich mehr, nämlich 57%. Dabei kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich bei diesem Befund um eine den Deutschschweizern nahe liegendere Kontrollneigung handelt oder ob die Notwendigkeit zur Vorsorge im Westen der Schweiz wissentlich übergangen wird.

Einheitliche Ziele der Nachfolgeregelung


Recht einheitlich zeigen sich die Ziele der Nachfolgeregelung. Hier stehen die Ziele «Langfristige Sicherung des Bestandes des Unternehmens» sowie «Selbstständigkeit und Unabhängigkeit des Unternehmens» auf den ersten beiden Plätzen einer Auswahl von 13 möglichen Zielen. Dieses Resultat deckt sich mit den Erfahrungen mit Unternehmern. Die möglichst langfristige Sicherung des Unternehmens steht vor allem anderen, auch wenn weitere Ziele ebenfalls wichtig sein können. Auf Platz drei liegt das Ziel «Finanzielle Absicherung der Familie»; im Dienstleistungssektor wird es sogar als das wichtigste eingestuft. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass es offenbar in der Westschweiz und im Tessin weniger wichtig ist als in der Deutschschweiz.

An wen werden die Unternehmen übergeben?


Die Schweiz ist ein Land von Familienunternehmen. In einer erstmals im Jahr 2004 dafür durchgeführten Untersuchung Frey, Urs; Halter, Frank; Zellweger, Thomas (2004). kamen die Autoren zum Schluss, dass – bei gleicher Grundgesamtheit wie bei der hier besprochenen Nachfolgestudie – 88% aller Unternehmen in der Schweiz Familienunternehmen sind. Diese Bedeutung der Familienunternehmen vorausgesetzt, konnte in der Nachfolgestudie vermutet werden, dass entsprechend viele Unternehmen ihre Nachfolge innerhalb der eigenen Familie sehen. Auf die Frage, in welchem Kreis die Übergabe idealerweise stattfinden soll, gaben knapp 58% aller Unternehmer an, dass sie eine familieninterne Unternehmensnachfolge bevorzugen würden. Für 21% stand ein Verkauf an Dritte im Vordergrund; für 17% kommt eine unternehmensinterne Nachfolge (Management-Buy-Out) und für 4% eine unternehmensexterne (Management-Buy-In) in Frage. Ein Gang an die Börse – also ein «Going Public» – kann vernachlässigt werden (0,3%). Hierin unterscheiden sich die beiden Sektoren Dienstleistung und Produktion und die verschiedenen Regionen der Schweiz nur unwesentlich.

Familiäre Nachfolge bevorzugt


Bei einer vorgesehenen familieninternen Nachfolge kommt in 83% der Fälle ein Sohn und in nur 13% eine Tochter in Frage. Andere Familienmitglieder (3%) und Ehepartner (0,6%) spielen eine untergeordnete Rolle. Die grosse Dominanz der Söhne als Nachfolger relativiert sich erwartungsgemäss mit Blick auf die Sektoren: Während im produzierenden Sektor die Übergabe an die Söhne mit knapp 88% bevorzugt wird, sind es im Dienstleistungssektor noch zwei Drittel. Mit anderen Worten: Bei immerhin einem Drittel der Dienstleistungsunternehmen ist eine Tochter als Nachfolgerin vorgesehen. Die Bedeutung der familieninternen Nachfolge widerspiegelt sich auch bei der Frage an die bereits übernommenen Unternehmen: 65% der Übernehmer stammen aus den jeweiligen Familien; 15% waren Management-Buy-Out-Fälle, 14% Management-Buy-In-Fälle und 6% Dritte. Der Hauptgrund für familienexterne Lösungen liegt übrigens zum grössten Teil beim fehlenden Interesse der Kinder an einer Übernahme (52% aller Nennungen von Gründen).

Gründe für den Misserfolg


Nicht jede Nachfolgelösung verläuft erfolgreich. Der meistgenannte Grund für das Scheitern einer Nachfolgelösung ist die Finanzierung (32%). Als weitere Gründe folgen divergierende Preisvorstellungen (was etwas überrascht, kommen doch viele Übergeber ihren Nachfolgern finanziell oft überaus entgegen) und «andere Gründe» (was die Vielschichtigkeit der Frage widerspiegelt). Einer der am wenigsten genannten Gründe war «fehlende Akzeptanz der Mitarbeiter».

Bedeutung der Erbenholdingfrage…


In der hier dargestellten Befragung wurde auch das Thema der Erbenholding (in Verbindung mit einem Verkäuferdarlehen) angesprochen, das in der politischen Diskussion in der Schweiz ziemliche Wellen geworfen hat. Tatsächlich ist der entsprechende Bundesgerichtsentscheid4 umstritten und aus Sicht der betroffenen Unternehmen bestimmt einschneidend und benachteiligend. Allerdings betrifft diese Frage gemäss unseren Untersuchungen nur 15% aller Nachfolgelösungen (vgl. Grafik 1).

… und der steuerlichen Rahmen-bedingungen


Aus neutraler Sicht ebenso überraschend ist die geringe Bedeutung der steuerlichen Rahmenbedingungen (vgl. Grafik 2). Nur praktisch jedes fünfte der bereits übergebenen Unternehmen sah sich laut den Umfrageergebnissen in seinem unternehmerischen Handeln im Rahmen ihrer Nachfolgevorhaben durch die steuerlichen Rahmenbedingungen eingeschränkt (ex post). Das Resultat überrascht angesichts der oft gehörten Diskussion über das Thema. Offenbar ist die Lage in der Schweiz diesbezüglich doch nicht gar so schlecht. Dem steht die Einschätzung der vor der Übergabe stehenden Unternehmen (ex ante) gegenüber. Sie erwarten als wichtigstes Angebot für die Erleichterung ihrer Übergabe Steuererleichterungen. Offenbar wird die Steuerfrage von den noch nicht übergebenen Unternehmen als problematischer eingestuft, als sie im konkreten Fall von den bereits übergebenen Unternehmen beurteilt wird. Die hier gemachten Überlegungen möchten eines nicht: Anlass zur unbedachten Sorglosigkeit geben. Die Lösung der Nachfolgefrage ist nach wie vor eine der vordringlichen Aufgaben des unternehmerischen Alltags. Richtig angegangen, kann sie aber gelöst werden, wenn die folgenden fünf Punkte beachtet werden:  – Das Überleben des Unternehmens (und damit die Beschäftigung der Mitarbeitenden) steht am Anfang. Bedingung dafür ist die Marktfähigkeit des Unternehmens. – Die Nachfolge ist eine strategische Aufgabe. Sie darf nicht vernachlässigt und muss rechtzeitig angegangen werden. Panik ist dabei der falsche Ratgeber; aber auch die tendenzielle Unterschätzung durch den Unternehmer bedarf der kritischen Auseinandersetzung im Expertengremium. – Der eigentliche Prozess der Nachfolge kann länger dauern als ursprünglich geplant (fünf bis zehn Jahre). – Die Nachfolgeproblematik hat grundsätzlich vier fachliche Dimensionen: eine betriebswirtschaftliche (finanzielle), eine gesellschaftsrechtliche, eine erbrechtliche und eine steuerrechtliche. Diese Dimensionen sind miteinander in Einklang zu bringen, was meist des Beizugs von Spezialisten bedarf. Diesen operativen Fragen übergeordnet und vorgelagert sind normative und strategische Grundsatzüberlegungen. – Die fachlichen Dimensionen werden überlagert von der persönlichen und emotionalen Ebene, wie sie namentlich in Familienunternehmen typisch sind.

Grafik 1 «Errichtung einer Akquisitionsholding»

Grafik 2 «Einschränkungen des unternehmerischen Handels durch steuerliche Rahmenbedingungen»

Kasten 1: Literatur – Frey, Urs; Halter, Frank; Zellweger, Thomas: Nachfolger gesucht! Empirische Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für die Schweiz. PriceWaterhouseCoopers, Zürich 2005.- Frey, Urs; Halter, Frank; Zellweger, Thomas: Bedeutung und Struktur von Familienunternehmen in der Schweiz, Schweizerisches Institut für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St.Gallen (KMU-HSG), 2004.Die Publikationen sind im Internet als PDF verfügbar unter: www.kmu.unisg.ch , www.cfb.unisg.ch , www.pwc.ch .

Zitiervorschlag: Urs Fueglistaller (2006). Nachfolgeplanung in Klein- und Mittelunternehmen. Die Volkswirtschaft, 01. Februar.