Freiraum schaffen – Umtriebe abbauen
Unternehmen sind auf Freiräume angewiesen. Nur so kann der Wirtschaftstandort Schweiz nachhaltig gestärkt werden. Trotz dieser konstanten Forderung sieht sich die Wirtschaft mit immer dichteren Regulierungen konfrontiert. Im Brennpunkt stehen Auflagen und Vorschriften, welche mit unverhältnismässigem Aufwand und Kosten verbunden sind oder nur Partikularinteressen dienen. Ein grosses Potenzial zur Entlastung ist aber auch eine effizientere Verwaltung. Konkrete Schritte für ein umfassendes elektronisches Verwaltungsangebot schaffen bereits kurzfristig einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Unternehmen von administrativen Umtrieben. Gefragt ist – last, but not least – auch ein praxisnahes Verhalten der Behörden.
Die Verwesentlichung von Regulierungen zeigt ein gemischtes Bild: Die vom Ständerat gutgeheissenen Änderungen bei Umweltverträglichkeitsprüfungen etwa sind – sofern auch der Nationalrat dies unterstützt – ein gutes Beispiel für die Entlastungen der Unternehmen im Sinne der Schaffung von Wachstumsmöglichkeiten. Hingegen würde beispielsweise die Revision des Datenschutzgesetzes zusätzliche Bürokratie ohne Nutzen bringen, wenn bei automatisierten Entscheiden noch eine spezielle Information erfolgen müsste. Das kritische Hinterfragen von bestehenden und neuen Regulierungen auf Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit bleibt eine Daueraufgabe. Die Erfahrung zeigt, dass die Unternehmen vor allem bei der Abrechnung der Mehrwertsteuer, Umweltschutzauflagen, den Sozialversicherungen und statistischen Meldungen an die Behörde (z.B. Meldung von leer stehenden Büro- und Wohnflächen) administrativ besonders belastet sind. Hier besteht der grösste Handlungsbedarf. Mit einer elektronischen Abwicklung können der Aufwand reduziert und die Effizienz für Unternehmen wie Verwaltung gesteigert werden.
Rückstand im E-Government
Bei den Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) nahm die Schweiz im Jahr 2004 mit Pro-Kopf-Ausgaben von über 2500 Euro, welche sich zu einem Anteil von über 7,5% des Bruttoinlandprodukts summieren, im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein, namentlich was die Infrastruktur und Gerätschaft angeht.1 Paradoxerweise besteht jedoch ein Rückstand bei der effektiven Anwendung von elektronischen Applikationen.2 Gerade in der Vernetzung der Gerätschaft liegen freilich der wesentliche Vorteil elektronischer Mittel und die Wachstum schaffenden Effekte. Handlungsbedarf besteht vorab in der öffentlichen Verwaltung. So waren im Jahr 2004 lediglich 60% der grundlegenden Verwaltungsangebote elektronisch verfügbar.3 Zum Vergleich: Verwaltungen in diesbezüglich fortgeschrittenen Ländern wie Schweden, Österreich oder dem Vereinigten Königreich erreichten eine elektronische Abdeckung des grundlegenden Verwaltungsangebots von fast 90%. Die elektronische Abwicklung von Geschäftsfällen ist gar nur vereinzelt möglich (z.B. elektronische Anmeldung einer Einzelfirma, nicht aber einer Aktiengesellschaft). Der föderalistische Aufbau der schweizerischen Verwaltung bewirkt eine Verzettelung mit 26 kantonalen Angeboten sowie Tausenden von Gemeindelösungen und erschweren die Zugänglichkeit. Zum Erhalt ihres eigenen Einflusses oder aus Datenschutzgründen stehen weite Teile der traditionellen Verwaltung zudem dem Aufbau eines elektronischen vernetzten Konkurrenzangebots skeptisch gegenüber. Gewiss besteht für Behörden kein unmittelbarer Wettbewerbsdruck, um Verwaltungsprozesse zum Vorteil ihrer «Kunden» zu vereinfachen. Jedoch wirkt eine Verwaltung, welche IKT nicht konsequent einzusetzen vermag, in der heutigen Informationsgesellschaft wie ein altersgeschwächter Papiertiger.
Formularserver: Ein Projekt im Rahmen von ePower
Angesichts des Rückstandes in der schweizerischen Informationsgesellschaft haben Wirtschaftsvertreter und Parlamentarier gemeinsam eine ePower-Initiative lanciert. Dabei sollen unter anderem bis 2008 sämtliche Verwaltungsprozesse auf allen Stufen elektronisch verfügbar gemacht werden. Zur Umsetzung arbeitet Economiesuisse gemeinsam mit der Bundeskanzlei und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) an der Schaffung eines Formularservers, der eine umfassende Sammlung von Musterformularen bereitstellen wird und die elektronische Abwicklung von Verwaltungsprozessen mit den Unternehmen ermöglichen soll. Dieser Formularserver ist Bestandteil eines umfassenden Angebots, welches die Vereinfachung der Regulierung für schweizerische Unternehmen von der Gründung bis zu den laufenden Behördenkontakten mittels IKT anstrebt. Die administrative Vereinfachung kann indes nicht genügen. Der Abbau von überholten Vorschriften bringt nach wie vor die grösste Entlastung für die Unternehmen.
Zitiervorschlag: Pletscher, Thomas (2006). Freiraum schaffen – Umtriebe abbauen. Die Volkswirtschaft, 01. Februar.