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Diffusion innovativer Energietechnologien aus der Sicht der Ökonomie

Eine rasche Verbreitung innovativer Energietechnologien kann zur Steigerung der Energieeffizienz oder zum verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger beitragen und eine nachhaltige Entwicklung stark unterstützen. Das in der Schweiz reichlich vorhandene Know-how und die weltweit dynamisch wachsenden Absatzmärkte für innovative Energietechnologien bieten zudem grosse Exportchancen. In diesem Kontext stellt sich die Frage, welche Faktoren die Diffusion innovativer Energietechnologien bestimmen und wann eine Förderung mit öffentlichen Mitteln angebracht erscheint. Mit solchen und anderen Fragen beschäftigt sich insbesondere die ökonomische Diffusionsforschung.

Der hohe Anteil fossiler Energieträger am weltweiten Energiebedarf – im Jahr 1999 80% (91000 TWh) der weltweiten Primärenergieversorgung und 64% (9400 TWh) der Stromerzeugung – bringt enorme umwelt-, klima-, energie- und geopolitische Herausforderungen mit sich. Es besteht aber auch eine grosse Kapitalintensität der Energiesysteme. So hat die Internationale Energieagentur (IEA) 2003 in einer Aufsehen erregenden Studie und auf Basis des für den World Energy Outlook 2002 verwendeten Referenzszenariosfestgestellt, dass in den Jahren 2001-2030 insgesamt 16500 Mrd. US-$ allein in die Energieversorgungsinfrastruktur investiert werden müssen.Diese unvorstellbare Summe beinhaltet einerseits Kapazitätserweiterungen und andererseits den Ersatz alter und zukünftiger neuer Anlagen, welche bis 2030 ebenfalls am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sein werden.

Enormes Potenzial für innovative Energietechnologien


Auch die Schweiz steht vor einem riesigen (Re-)Investitionsbedarf im Energiebereich. Dazu zählen die erwartete Stromversorgungslücke ab 2020 durch Abschaltung der Kernkraftwerke Mühleberg sowie Beznau 1 und 2, die Erreichung der Zielvorgaben von EnergieSchweiz, Umwälzungen im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes und die Empfehlung des Bundesrates, langfristig auf eine «2000-Watt-Gesellschaft»und einen CO2 -Ausstoss von 1 Tonne pro Kopf und Jahrhinzuarbeiten. Aus den genannten Beispielen werden das unglaubliche globale und schweizerische Potenzial für die Diffusion innovativer Energietechnologien und die Tragweite des Themas für die Exportchancen der Schweizer Wirtschaft in diesem Bereich deutlich.Aus energiepolitischer Sicht stellt sich die Frage, welche Rolle bestimmte innovative Energietechnologien am Markt in Zukunft spielen werden bzw. sollten, um die genannten Herausforderungen erfolgreich meistern zu können. Dabei ist etwa an den Ersatz veralteter Anlagen in der traditionell zentralisierten Energiewirtschaft, den verstärkten Einsatz von Energieeffizienztechnologien beim Endverbraucher oder der stärkeren Verbreitung neuartiger, häufig dezentraler erneuerbarer Energietechnologien zu denken. Ambitionierte energie-, umwelt- und klimapolitische Zielsetzungen werfen drei zentrale Fragen zur Technologiediffusion auf:  – Mit welcher Geschwindigkeit und mit welcher ökonomischen Effizienz können neue Energietechnologien den Markt durchdringen?  – Warum setzen sich manche Technologien am Markt schneller und andere langsamer bzw. gar nicht durch, selbst wenn sie vorderhand hoch rentabel erscheinen?  – In welchem Ausmass kann ein (zeitlich befristeter) Einsatz öffentlicher Gelder gerechtfertigt werden, um die von den herrschenden Rahmenbedingungen und unzähligen, teils interdependenten Einzelentscheidungen beeinflusste Diffusionsgeschwindigkeit bereits kommerziell verfügbarer neuer Energietechnologien zu erhöhen?   Die Dynamik der Verbreitung neuer Energietechnologien hat Auswirkungen auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft). Während die ökonomische Nachhaltigkeit (stetiges Wirtschaftswachstum) im Kontext Energie meist mit der Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz der Energieversorgung gleichgesetzt wird, sind die beiden Begriffe soziale und ökologische Nachhaltigkeit schwerer zu fassen. Dabei sind es bis heute nach wie vor weniger die (temporären) Knappheiten der nicht erneuerbaren Energieressourcen als die umweltrelevanten Auswirkungen und sozialen Nebenwirkungen eines entweder übermässigen oder zu geringen Energiekonsums, welche die Nachhaltigkeit der Energieversorgung gefährden.

Technologiediffusion als multidisziplinäres Forschungsgebiet


Die theoretische, empirische und historische Analyse der Diffusion von Innovationen im Allgemeinen und innovativen Technologien im Speziellen stellt in zahlreichen Wissenschaftsdisziplinen ein wichtiges Forschungsgebiet dar.7 In der Ökonomie versteht man unter dem Begriff «Technologiediffusion» die zeitliche Dynamik der Verbreitung einer Innovation (Produkt, Prozesstechnologie, Methode der Unternehmensorganisation) innerhalb eines Wirtschaftsraumes, während der Begriff «Technologieadoption» die Übernahme einer Innovation durch einen einzelnen, wirtschaftlich denkenden und handelnden Entscheidungsträger bezeichnet. Die seit vielen Jahren sehr gut etablierte Ökonomie des technischen Wandels setzt sich typischerweise mit Erfindungen und deren Schutz durch Patente sowie mit Innovationen und deren Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum auseinander. Demgegenüber ist die Erforschung von Diffusionsprozessen noch ein vergleichsweise junges Forschungsgebiet in der Ökonomie, obwohl die theoretischen Wurzeln bis zu den frühen Werken Joseph Schumpeters zurückreichen.Erst US-amerikanische Untersuchungen von Zvi Grilichesim Bereich der Agrarökonomie (Diffusion einer speziellen Getreidesorte) und von Edwin Mansfieldim Bereich der Industrieöknomie (Diffusion verschiedener Prozesstechnologien in ausgewählten Branchen des produzierenden Sektors) haben diesem Forschungszweig in der ökonomischen Literatur endgültig einen fixen Platz eingeräumt. Die Fragestellungen, mit denen sich die ökonomische Technologiediffusionsforschung beschäftigt, sind in der Regel sowohl betriebswirtschaftlich als auch volkswirtschaftlich – und damit auch für die Wirtschaftspolitik – von grosser Bedeutung. Typische Fragen sind etwa: Welche ökonomisch relevanten Faktoren beeinflussen die Geschwindigkeit, mit der sich eine bestimmte technologische Innovation am Markt ausbreitet? Wirken diese Faktoren diffusionshemmend oder -beschleunigend, und was sind die daraus resultierenden wirtschaftlichen Konsequenzen für die betroffenen Akteure? Welche Unterschiede in der Diffusionsdynamik neuer Technologien gibt es zwischen einzelnen Unternehmen, Branchen und ganzen Volkswirtschaften, und wie lassen sich diese ökonomisch erklären?  Häufig wird auch nach Erklärungen gesucht für Unterschiede in der Diffusion von Produkt- und Prozessinnovationen, räumliche Diffusionsmuster, die Diffusion multipler (komplementärer oder konkurrierender) Technologien sowie dem Einfluss angebots- und nachfrageseitiger Aspekte und deren Interaktion. In den letzten Jahren galt das Augenmerk verstärkt der Relevanz folgender Effekte:  – Kostendegressionen, etwa infolge von Lern- und Skaleneffekten;  – Netzwerkeffekten: Der Nutzen bzw. Gewinn eines Anwenders einer neuen Technologie hängt von der Anzahl der übrigen Anwender ab;  – Spillover-Effekte: unfreiwillige Informationsflüsse zwischen Konkurrenten im selben Markt, welche die Verbreitung neuer Technologien begünstigen können.   Nachfolgend sollen einige weitere, aus der ökonomischen Perspektive interessante Aspekte angesprochen werden, welche die Dynamik der Diffusion innovativer Energietechnologien beeinflussen können.

Marktversagen am Beispiel der externen (sozialen) Kosten


Marktversagen ist eine besonders wichtige Ursache für eine langsame Diffusion innovativer Energietechnologien. Ein solches liegt etwa vor, wenn Kosten der Nutzung von Energietechnologien nicht von den Nutzern selbst, sondern von der Gesellschaft als Ganzes getragen werden müssen (sog. externe bzw. soziale Kosten). Dazu zählen energierelevante Kosten des anthropogenen Klimawandels, Folgekosten von Schadstoffemissionen, Kosten nicht versicherter Risiken oder Kosten der Natur- und Landschaftsbeeinträchtigung, für die der Verursacher nicht oder nur teilweise aufkommen muss. In vielen Fällen sind diese Kosten allerdings nur schwer zu quantifizieren. Grafik 1 zeigt, wie die Diffusion neuer Energietechnologien durch deren Internalisierung früher stattfinden kann.

Autonomer technischer Fortschritt: Ersatz für energiepolitische Massnahmen?


Technologischer Wandel kann auch ohne (energie-)politische Eingriffe erfolgen – sog. «autonomer technischer Fortschritt» – und zu signifikanten Energieeffizienzgewinnen führen. Manche Kritiker von Energieeffizienzpolitiken vertreten daher die Ansicht, dass der autonome technische Fortschritt die Hauptursache für Effizienzgewinne sei und politische Massnahmen in diesem Bereich relativ nutzlos seien. Indes haben zahlreiche Studien gezeigt, dass einschlägige Politikprogramme, z.B. zur Senkung des Energieverbrauches von Haushaltsgeräten mittels Einführung einer Energie-Etikette oder monetärer Anreize – wie etwa in den Niederlanden-, einen grossen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Technologiediffusion haben können.

Technische Standards und Heterogenität des Nutzens


In der Ökonomie ist die gängige Lehrmeinung, dass ökonomische Instrumente (z.B. Steuern, handelbare Zertifikate) mehr Anreizwirkung haben als technische Standards (z.B. Gütesiegel für Wärmepumpen, Mindest-Dämmstärken für Gebäude) oder Umweltstandards (z.B. Emissionsgrenzwerte). Begründet wird dies mit der Möglichkeit einer kostenminimierenden Verteilung der Lasten und der fortlaufenden Anreizwirkung, welche bei den meist nur alle paar Jahre revidierten Standards in der Regel nicht gegeben ist. Neuere Forschungen zeigen ein differenzierteres Bild: Standards führen zwar dazu, dass Akteure in ihrem Handeln eingeschränkt werden und zusätzliche Kosten entstehen; aber die Akteure ziehen aus der Adoption innovativer Energietechnologien auch unterschiedlichen Nutzen. So kann die Förderung von Energieeffizienzmassnahmen mittels Subventionen unter gewissen Voraussetzungen negative Effekte haben, ja gar zu einem Anstieg des Energieverbrauches führen. Der Einsatz von Energiesteuern kann die Attraktivität energiesparender Technologien auch reduzieren – beides kontraproduktive und gemeinhin unerwartete Ergebnisse.

(Impliziter) Diskontierungssatz und Energieeffizienz-Lücke


Der verwendete Diskontierungssatz ist ein wesentlicher Einflussfaktor in der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen in neue Energietechnologien. Häufig wird ein realer Kalkulationszinssatz von 4% bis 8% eingesetzt, wodurch sich beträchtliche unausgeschöpfte wirtschaftliche Potenziale nachweisen lassen («Energieeffizienz-Lücke bzw. -Paradoxon»). Kritiker betrachten diesen Kalkulationszinssatz indes als viel zu niedrig. Gegen diesen tiefen Satz sprechen die Transaktionskosten (z.B. Informationsbeschaffung, Bestellvorgang), die teilweise oder gar gänzliche Irreversibilität der Investition, das damit verbundene Investitionsrisiko sowie die Heterogenität der Technologieanwendungen und die daraus resultierende Streuung des Anwendernutzens.Nachträgliche Berechnungen der internen Zinssätze – etwa im Bereich der Diffusion von Effizienztechnologien in Haushalten und Dienstleistungsbetrieben – haben in der Tat immer wieder sehr hohe implizite Diskontierungssätze in der Grössenordnung von 20% bis 30% ergeben.Daraus wurde die Empfehlung abgeleitet, in Energieeffizienzprogrammen zumindest in gewissen Fällen deutlich höhere Kalkulationszinssätze zu berücksichtigen. Gleichzeitig sei zu versuchen, durch geeignete Massnahmen die Transaktionskosten und die Investitionsrisiken zu verringern.

Technologisches Lock-in


Unter «Lock-in-Effekten» (Einschliesseffekten) versteht man ein Phänomen, bei dem innovative Technologien trotz ihrer technischen und wirtschaftlichen Überlegenheit etablierte Techniken nicht ohne Weiteres vom Markt verdrängen können. Laut dem Wirtschaftshistoriker Paul David kann es aus drei Gründen dazu kommen. Er erklärt das Prinzip am Beispiel der heute gebräuchlichen, aber von der Buchstabenanordnung her sehr ineffizienten Schreibmaschinen-Tastaturen und bezeichnet es als «QWERTY-nomics»: – technologische Abhängigkeiten: z.B. zwischen Hard- und Software oder zwischen Technologie und einschlägig geschulten Arbeitskräften; – hohe Skalenerträge: Neue Anwender profitieren vom günstigen Ertrags-Kosten-Verhältnis bereits seit langer Zeit etablierter Technologien; – (Quasi-)Irreversibilität der betreffenden Investition: schwieriger oder nicht vorgesehener Wiederverkauf.    Lock-in kann am ehesten durch gezielte Nischenpolitik begegnet werden.

Lernkurven


Lernkurven sind Kostenkurven, welche die bisher erzielten oder künftig erzielbaren Kostenreduktionen von Energietechnologien als Funktion der kumulierten Produktionsmenge bzw. installierten Leistung darstellen. Bei innovativen Energietechnologien fallen die erzielbaren Lerneffekte in der Regel markanter aus als bei etablierten Technologien – sie befinden sich noch «im steileren Ast» der Lernkurve (siehe Grafik 2). Deshalb ist ab einem gewissen Zeitpunkt mit einem Unterschneiden der Kostenbzw. Preiskurve der konventionellen Technologie zu rechnen (vgl. Grafik 1 oben). Dies gilt insbesondere dann, wenn bei Letzteren mit Preisanstiegen zu rechnen ist, so zum Beispiel aufgrund steigender Nachfrage, Knappheiten bei den Brennstoffen als Folge steigender Steuer- und Abgabenbelastung (z.B. CO2-Abgabe) oder strengerer gesetzlicher Auflagen (z.B. Feinstaubemissionen, zusätzliche Sicherheitseinrichtungen). In der Energiepolitik können mit Lernkurven Verschiebungen in der wirtschaftlichen Attraktivität von Energietechnologien grob abgeschätzt werden. Das Problem ist allerdings, dass Lernkurven als «Blackbox» grafisch eine Entwicklung nachzeichnen, die eigentlich das Resultat von Skaleneffekten, Veränderungen der Marktstruktur und äusserst komplexer Lernprozesse auf oder zwischen Anbieter- und Nachfragerseite sind. Zudem sind die empirisch geschätzten Lernraten15 nicht ohne Weiteres von einer Energietechnologie auf eine andere übertragbar. Wegen der meist schwachen Datengrundlage, der Abhängigkeit der Ergebnisse von der angewandten Schätzmethode sowie der Möglichkeit des plötzlichen Auftretens radikaler Innovationen sind sie mit grosser Vorsicht zu geniessen und nicht direkt extrapolierbar.

Finanzierung und finanzielles Risiko innovativer Energietechnologien


Finanzierungsaspekte spielen auch für die Marktdiffusion innovativer Energietechnologien eine wichtige Rolle. Insbesondere die Eigentümerstruktur und Finanzierungsform können einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Rentabilität und die Rentabilitätserwartungen ausüben. Mit Hilfe einfacher Investitionsrechnungen (Barwertmethode) wurde vor einigen Jahren für die USA nachgewiesen, dass die Gestehungskosten für Windkraftprojekte aufgrund der günstigeren Finanzierungsmöglichkeiten um bis zu 40% niedriger ausfallen, wenn es sich bei den Investoren um öffentlich-rechtliche Eigentümer handelt.Der Autor der Studie schliesst daraus, dass es für öffentlich-rechtliche Energieversorger günstiger ist, selbst derartige Anlagen zu errichten, statt mit unabhängigen privaten Stromerzeugern (sog. «Independent Power Producer», IPP) langfristige Lieferverträge abzuschliessen. Die häufig hohe Kapitalintensität innovativer Energietechnologien und hohe Transaktionskosten der Investoren (z.B. aufgrund mangelnden Fachwissens) können zudem die Marktdiffusion beträchtlich verlangsamen. Die Folge ist, dass Investitionen in innovative Energietechnologien statt über Anleihen oft nur über teures Risikokapital finanziert werden können. Weitere häufige Hindernisse für eine rasche Diffusion innovativer Energietechnologien sind die relative Kleinheit der Einzelprojekte (z.B. Errichtung dezentraler Energieerzeugungsanlagen) sowie die seitens der Finanzinstitute auferlegten höheren Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung.

Rolle von Zusatznutzen und Energie-Contracting


Unter Zusatznutzen versteht man qualitativ oder monetär abschätzbare Nutzenkomponenten der Anwendung von Energietechnologien, welche üblicherweise nicht in betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Überlegungen miteinbezogen werden (z.B. Lärmreduktion, Komfortverbesserungen, Erhöhung der Betriebs- und/oder Versorgungssicherheit). Werden diese im Investitionsentscheid adäquat berücksichtigt, so kann dies zu einer signifikanten Dynamisierung der Diffusion innovativer Energietechnologien führen. Da Investitionen in Energietechnologien meist nicht zum Kerngeschäft der potenziellen Investoren zählen, kennen Investoren den Zusatznutzen oft entweder nicht oder können ihn nicht richtig einschätzen. Energie-Contracting spielt deshalb für eine raschere Verbreitung innovativer Energietechnologien eine ganz wichtige Rolle.

Politikaspekte und Diffusion ausgewählter Energietechnologien in der Schweiz


In der Politik stellen innovative Energietechnologien eine grosse Hoffnung für die Erreichung bzw. den Erhalt eines nachhaltigen Energiesystems dar. Sowohl die Europäische Union (EU) als auch die Schweiz haben ambitionierte Ziele festgelegt, den Anteil der erneuerbaren Energieträger am Gesamtenergieverbrauch und die Energieeffizienz zu erhöhen.In vielen Ländern wird daher die Verbreitung innovativer Energietechnologien stark subventioniert, einerseits um einen selbsterhaltenden Diffusionsprozess in Gang zu bringen bzw. zu beschleunigen und andererseits um Lock-in-Situationen zu überwinden. Ein dritter Aspekt ist die leichtere politische Durchsetzbarkeit von Subventionen für umweltschonende Energietechnologien im Vergleich zur Internalisierung externer Effekte mittels Energiesteuern. Energiepolitiker sind gefordert, für eine optimale Diffusionsdynamik innovativer Energietechnologien zu sorgen. Einen Massstab für die optimale Verbreitungsgeschwindigkeit bietet die Wohlfahrtsökonomie. Sie widmet sich der Frage, ob die Kosten der Politik der öffentlichen Hand höher oder niedriger sind als die durch die Politik erzielten bzw. erzielbaren Wohlfahrtsgewinne. Ein zu langsamer Diffusionsprozess kann Wohlfahrtsverluste erzeugen, weil mit suboptimaler Produktivität produziert wird. Ein zu rascher Prozess kann hingegen zur Anschaffung einer weniger entwickelten oder überteuerten Technologie führen. Ein möglichst rascher Diffusionsprozess ist also – entgegen einer oft vertretenen Meinung – nicht unbedingt ökonomisch sinnvoll. Diffusionspolitik sollte sich daher mit der Frage beschäftigen, mit welchen Politikinstrumenten (Steuern, Förderungen, Informationskampagnen usw.) innovative Energietechnologien gefördert werden können, um kosteneffiziente Wohlfahrtsgewinne zu erzielen. Auch stellt sich die Frage, ob staatliche Institutionen besser als private Investoren dazu geeignet sind, Marktchancen abzuschätzen und Marktnischen zu erschliessen. Bei all diesen Überlegungen sollte im Idealfall nicht nur die Wohlfahrtssteigerung der Technologielieferanten und -anwender, sondern auch externe Effekte und Verteilungseffekte mit einbezogen werden. Im Rahmen des «Technologie-Monitoring» des Bundesamtes für Energie (BFE)werden die historische und erwartete techno-ökonomische Entwicklung von Schlüsseltechnologien sowie die Veränderung der Rahmenbedingungen (z.B. Strommarktliberalisierung) betrachtet. Zuletzt wurden auch Absatzpotenziale und Handlungsspielräume für die Technologieförderung evaluiert.Im Fokus des Monitoring standen dabei die motorische Wärmekraftkopplung (Motor-WKK bzw. Blockheizkraftwerke, BHKW), Brennstoffzellen, Wärmepumpen und Hochleistungswärmedämmungen. Die genannten Arbeiten stellen eine wichtige Grundlage dar, auf der die ökonomische Diffusionsforschung aufbauen kann. Dass die Diffusion und die Wachstumsdynamiken bei Schlüsseltechnologien (Windenergie, Pelletheizungen, Wärmepumpen, Motor-WKK, Photovoltaik und Solarkollektoren) in der Schweiz – im Vergleich zu Deutschland und Österreich – sehr unterschiedlich ausfallen, zeigt Grafik 3. Charakteristisch für viele am Markt erfolgreichen innovativen Energietechnologien sind stabile gesetzliche Rahmenbedingungen, das Vorhandensein von Förderungen sowie die – trotz hoher Wachstumsraten – meist sehr geringen Anteile am Gesamtenergiebedarf.

Grafik 1 «Marktdiffusion neuer Energietechnologien in Abhänigkeit vom Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit»

Grafik 2 «Lernkurven einer Auswahl innovativer Stromerzeugungs-Technologien»

Grafik 3 «Diffusion ausgewählter regenerativer Energie- und Effizienztechnologien in Deutschland,Österreich und der Schweiz, 1990–2004»

Kasten 1: Literaturhinweise – BFE (2001). Förderung des Exports im Bereich der Energietechnologien, Studie von Infras/Fraunhofer-ISI (R. Iten, B. Oettli, E. Jochem, W. Mannsbart) im Auftrag des Bundesamtes für Energie, Juli.- BFE (2003). Technologie-Monitoring, Studie von Eicher+Pauli/Econcept (H. Eicher, W. Ott, R. Rigassi) im Auftrag des Bundesamtes für Energie, Oktober.- David P.A. (1986). Clio and the Economics of QWERTY, American Economic Review, 75(2): 332-337.- EU (1997). Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger. Weissbuch für eine Gemeinschaftsstrategie und Aktionsplan, KOM(1997) 599 endgültig, 26. Nov. 1997, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel.- EU (2005). Grünbuch über Energieeffizienz oder Weniger ist mehr, KOM(2005)265 endgültig, 22. Juni 2005, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel.- Griliches Z. (1957). Hybrid Corn: An Exploration in the Economics of Technological Change, Econometrica, 25(4): 501-522.- Hasset K.A., Metcalf G.E. (1993). Energy Conservation Investment: Do Consumers Discount the Future Correctly? Energy Policy, 21(6): 710-716. – Hohmeyer O. (1989). Soziale Kosten des Energieverbrauchs. 2. Aufl., Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York.- IEA (2000). Experience Curves for Energy Technology Policy. IEA/OECD, Paris.- IEA (2002). World Energy Outlook 2002, OECD/IEA, Paris.- IEA (2003). Word Energy Investment Outlook. 2003 Insights, OECD/IEA, Paris- Madlener R., Schmid C. (2003). Adoption and Diffusion of Decentralised Energy Conversion Technologies: The Success of Engine Co-Generation in Germany, Energy & Environment, 14(5): 627-662.- Madlener R., Schneider M. (2004). Economic Modelling of the Diffusion of Wind Power in Germany: Comparison of Approaches and Policy Implications, Proceedings of the 3rd European Congress on the «Economics and Management of Energy in Industry» (ECEMEI 2004), Estoril-Lisbon, Portugal, 6-9 April 2004.- Mahapatra K., Madlener R., Gustavsson L. (2004). Economics of Diffusion of Pellet Heating Systems: System Boundaries, Alternative Model Specifications, and Policy Issues, Proceedings of the 2nd World Biomass Conference «Biomass for Energy, Industry and Climate Protection», 10-14 May 2004, Rome, Italy, Vol. II, S. 2190-2193.- Mansfield E. (1961). Technical Change and the Rate of Imitation, Econometrica, 29(4): 741-766.- Schumpeter J.A. (1912). Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig.- Sutherland R.J. (2003). The High Costs of Federal Energy Efficiency Standards for Residential Analysis. Policy Analysis No. 504, The Cato Institute, Wash. D.C.- Verhoef E.T., Nijkamp P. (2003). The Adoption of Energy-Efficiency Enhancing Technologies. Market Performance and Policy Strategies in Case of Heterogeneous Firms, Economic Modelling, 20(4): 839-871.- Wiser R. (1997) Renewable Energy Finance and Project Ownership, Energy Policy, 25(4): 15-27.- Wuppertal Institut et al. (2003). Energy Efficiency Programmes and Services in the Liberalised EU Markets. Background Document. Report prepared for the SAVE Programme. Wuppertal Institut, Wuppertal.

Zitiervorschlag: Reinhard Madlener (2006). Diffusion innovativer Energietechnologien aus der Sicht der Ökonomie. Die Volkswirtschaft, 01. März.