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Energieeffizienz – Grundlage einer zukunftssicheren Energieversorgung

Energieeffizienz - Grundlage einer zukunftssicheren Energieversorgung

Erdölabhängigkeit der Schweiz? Eigentlich heisst das Problem «Abhängigkeit der Schweiz von nicht erneuerbaren Energien», da der Ersatz von Erdöl durch andere nicht erneuerbare Energieträger keine zukunftsverträgliche Perspektive ist. Um die hohen Risiken der Verknappung fossiler Energieträger, fataler Klimaveränderungen und radioaktiver Verseuchung zu vermindern, muss unser Verbrauch an nicht erneuerbaren Energien drastisch reduziert werden. Dieses Ziel wird mit den Begriffen «Nachhaltigkeit» oder «2000-Watt-Gesellschaft» beschrieben. Schlüssel dazu sind Energieeffizienz und erneuerbare Energien.

Seit 1973 steigt der Energieverbrauch der Schweiz nicht mehr progressiv, aber doch stetig an – bis 2004 um 30%. Haben denn die energiepolitischen Programme – Gesamtenergiekonzeption, Impulsprogramme, Energie 2000, EnergieSchweiz – nichts bewirkt? Gewiss gibt es Erfolge; sie wurden aber durch das Wachstum von Mobilität, Wohn- und Arbeitsflächen, Anzahl und Leistung der Geräte sowie der Bevölkerung überdeckt. Eine entscheidende Rahmenbedingung hat sich nämlich nicht geändert: Die Energiepreise spiegeln nicht die vollständigen Kosten, welche auch Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen und Risiken zukünftiger Schäden und Verknappungen umfassen. Energie ist also nach wie vor viel zu billig.

Reduktion des Energiebedarfs: Möglich und gangbar


Eine nachhaltige Energiezukunft der Schweiz – auch als «2000-Watt-Gesellschaft» beschrieben – bedeutet gegenüber heute eine Verminderung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Energien in der Schweiz um zwei Drittel innert 30 bis 50 Jahren. Allein durch vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien – wie Sonnenstrahlung, Biomasse, Wind oder Wasserkraft – lässt sich dies unmöglich erreichen. Der Schlüssel heisst Erhöhung der Energieeffizienz, also die Reduktion des Energiebedarfs für eine gegebene Energiedienstleistung. Am Beispiel des Ersatzes von Heizöl sei dies illustriert: Ein gut unterhaltenes Einfamilienhaus aus den Fünfzigerjahren braucht heute 3000 Liter Heizöl pro Jahr, inkl. Warmwasser. Eine nächste Erneuerung könnte folgende Schritte umfassen: – Wärmedämmung von Fassade (inkl. neue Fenster), Kellerdecke und Dach nach neuesten Erkenntnissen sowie eine Komfortlüftung verringern den Heizwärmebedarf so stark, dass 600 kg Holzpellets mit dem Heizwert von 300 Litern Heizöl für die Beheizung ausreichen (Minergie-P-Standard).  – Sonnenkollektoren sowie eine in die Lüftungsanlage integrierte Kleinstwärmepumpe liefern die Energie für das Warmwasser. Der jährliche Stromverbrauch für Lüftung und Warmwasser beträgt damit 1000 kWh, weniger als die alte Heizung für Pumpe und Brenner benötigte. Selbstverständlich sinken die Energiekosten drastisch. Bei heutigen Energiepreisen können die Mehrinvestitionen gegenüber einer «gewöhnlichen» Erneuerung nicht ganz aus der Einsparung amortisiert werden. Berücksichtigt man jedoch die Zukunftssicherheit sowie Komfortvorteile, so sieht eine solche Investition sehr attraktiv aus. Volkswirtschaftlich ergeben sich enorme Vorteile: Die Wertschöpfung bleibt weit gehend in der Schweiz, der Energieimport entfällt. Weil immer noch viele Bauherrschaften und Planende minimale Investitionen anstreben und sich an den Minimal-Bauvorschriften orientieren, wird der grösste Teil der Neubauten und Renovationen so gebaut, als wäre die (Energie-)Perspektive nicht länger als fünf Jahre. Gewisse Rahmenbedingungen stützen leider diese kurzsichtige Betrachtungsweise, etwa die Überwälzung der Energiekosten auf die Mieterschaft und die fehlende Trans-parenz bezüglich der Energiekosten eines Mietobjekts. Der in der EU vorgesehene Gebäude-Energie-Ausweis (Deklaration des Gesamtenergieverbrauchs von Gebäuden) wird hier Verbesserungen bringen; er soll auch in der Schweiz eingeführt werden.

Rahmenbedingungen sind anzupassen


Die Rahmenbedingungen müssen deshalb so geändert werden, dass zukunftsgerichtetes Handeln heute attraktiver wird: – Die Energiepreisentwicklung muss planbar und zukunftsgerichtet sein; dazu ist die CO2-Abgabe ein guter Ansatz. Externe Kosten für Umwelt- und Gesellschaftsschäden müssen in den Energiepreisen enthalten sein. – Transparenz bei den Energiekosten von Mietobjekten ist nötig; Vollkosten über die Lebensdauer von Geräten und Anlagen sind zu deklarieren.   Energieeffizienz wird dadurch automatisch ein höchst interessantes Ziel technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen. Eine zügige Einführung entsprechender Vorschriften ist dringend; bis dahin müssen Energieeffizienz und Effizienzprodukte durch Information, Vorschriften und finanzielle Unterstützungen gefördert werden.

Zitiervorschlag: Juerg Nipkow (2006). Energieeffizienz – Grundlage einer zukunftssicheren Energieversorgung. Die Volkswirtschaft, 01. März.