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Volkswirtschaftliche Chance – einfach nicht verpassen

Volkswirtschaftliche Chance - einfach nicht verpassen

Die Schweiz hat letztes Jahr für den Import von Erdölprodukten ganze 6 Mrd. Franken ausgegeben. Das ist dreimal mehr als noch Mitte der Neunzigerjahre. Dass Erdöl immer teurer wird, überrascht nicht, ganz im Gegenteil: Die Erdölreserven werden knapper und müssen kostenaufwändiger erschlossen werden. Bei gleich-zeitiger Zunahme des weltweiten Verbrauchs werden die Preise in Zukunft noch stärker steigen. Dieses zusätzliche Geld, das ins Ausland fliesst, könnten wir in der Schweiz investieren, wenn wir die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen endlich schaffen würden. Im Interesse der Bevölkerung und des Wirtschaftsraumes Schweiz müssen jetzt die dazu nötigen politischen Entscheide getroffen werden und die Wende schaffen.

Die Abhängigkeit von Krisengebieten bei der Erdölversorgung wird in den nächsten Jahrzehnten stärker werden. Das kann uns sehr teuer zu stehen kommen und uns in den Ruin treiben. Wenn wir unsere Lebensqualität und unseren Wohlstand für die nächste Generationen sichern wollen, müssen wir handeln und unsere Erdölabhängigkeit abbauen. Der Nutzen wäre in der Tat gross, wenn Erdöl durch erneuerbare Energien und Energieeffizienz substituiert würde: Zum einen würde unsere Gesundheit von einer Senkung des Ölverbrauchs unmittelbar profitieren, liessen sich doch dadurch der Gehalt an Feinpartikeln, Stickoxiden und anderen Schadstoffen in der Luft massiv reduzieren. Zum anderen liesse sich die Umweltkosten als Folge der hohen CO2-Emissionen senken. Allein die Überschwemmung vom letzten Sommer hat die Schweiz 2,5 Mrd. Franken gekostet.

Erdölabhängigkeit kann verringert werden


Alle Zeichen sprechen dafür, dass wir die Erdölabhängigkeit verringern müssen. Die Folgen eines Zuwartens wären fatal. Einerseits verpassen wir auf diese Weise die Chance, neue Technologien in der Schweiz zu entwickeln. Andererseits ist gerade im Gebäudebereich jede falsche Sanierung oder jeder schlechte Neubau mindestens 30 Jahre Klimawirksam. Die notwendigen technischen Lösungen zur Verbesserung der Energieeffizienz – bei gleichzeitiger Wahrung der Lebensqualität – sind vorhanden. Die ETH Zürich hat dazu die Idee einer «2000-Watt-Gesellschaft» entwickelt. Das bedeutet, dass wir mit nur einem Drittel der heutigen Energiemenge auskommen könnten. Die Attraktivität der Energieerzeugung aus neuen erneuerbaren Quellen ist auch aus ökonomischer Sicht deutlich gestiegen. Die Erfahrungen aus Deutschland, Österreich und Spanien zeigen, dass durch diese Energiequellen ein immer grösserer Anteil des Gesamtbedarfs abgedeckt werden kann, sofern der politische Wille vorhanden ist.

Zwei Weichenstellungen – Umsetzung CO2-Gesetz und Stromversorgungsgesetz


Dieses Jahr stehen in der Schweiz zwei politische Geschäfte an, welche bezüglich unserer Erdölabhängigkeit von entscheidender Bedeutung sind: die Umsetzung des CO2-Gesetzes und das Stromversorgungsgesetz. Die ETH Zürich rechnet vor, dass die Schweizer Volkswirtschaft mit der Einführung der Lenkungsabgaben einen jährlichen Nettonutzen von etwa 200 Mio. Franken generieren würde. Es wäre deshalb unverständlich, wenn die Lenkungsabgabe auf Treibstoffen durch eine private Steuer wie den Klimarappen ersetzt und damit die Lenkungsabgabe weiter auf die lange Bank geschoben würde. Die Umsetzung des CO2-Gesetzes würde damit definitiv zum Trauerspiel werden. Auch die Lenkungsabgabe auf Brennstoffen hatte Mitte Januar dieses Jahres in der zuständigen Umweltkommission des Nationalrats einen schweren Stand und wurde von dieser an den Bundesrat zurückgewiesen. National- und Ständerat können diesen Entschluss noch korrigieren. Trotzdem wurde auch hier die Einführung eines volkswirtschaftlich effizienten Anreizinstrumentes weiter verzögert. Es scheint, dass in den bisherigen Beratungen die betriebswirtschaftlichen Anliegen der Erdölbranche höher gewichtet wurden als die volkswirtschaftlichen Innovationsmöglichkeiten des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Der Verzicht auf die Lenkungsabgabe würde jedenfalls unsere Erdölabhängigkeit noch verstärken.  Das Stromversorgungsgesetz mit der damit verbundenen Änderung des Energiegesetzes ist eine zweite wichtige Weichenstellung. 17 europäische Länder haben bereits mit Erfolg die so genannte Einspeisevergütung für neue erneuerbare Energien eingeführt. Sie ist ein Anreizsystem, welches die Produktionskosten senkt und die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig macht. Der Nationalrat hat sich in der Herbstsession 2005 dafür ausgesprochen. Das Instrument erlaubt, das grosse Potenzial in der Schweiz auch auszuschöpfen. Nicht zuletzt deswegen wird dieses Instrument auch vom Schweizerischen Bauernverband und vom Schweizerischen Baumeisterverband unterstützt.

Zitiervorschlag: Adrian Stiefel (2006). Volkswirtschaftliche Chance – einfach nicht verpassen. Die Volkswirtschaft, 01. März.