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Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Arbeitnehmenden

Die demografische Alterung wird nicht spurlos an unserem Arbeitsmarkt vorbeigehen. Die Entwicklung wird zwar sehr langsam verlaufen, doch wird sie den Arbeitsmarkt tief greifend verändern. Die Erwerbsbevölkerung wird knapper und älter. Dass die Schweiz eine niedrige Arbeitslosigkeit hat, verdankt sie nicht zuletzt einem flexiblen Arbeitsmarkt und einer effizienten Stellenvermittlung. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, müssen die Arbeitsvermittlung und die arbeitsmarktlichen Massnahmen an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.

In den kommenden Jahren wird die Erwerbsbevölkerung im Durchschnitt älter. Während im Jahr 2000 noch 16,4% der Arbeitnehmenden zwischen 55 und 64 Jahre alt waren, werden es im Jahr 2025 bereits 22,1% sein (vgl. Grafik 1). Diese Entwicklung stellt die öffentliche Arbeitsvermittlung und die arbeitsmarktlichen Massnahmen (AMM) vor eine Herausforderung. Der Bundesrat hat deshalb im Dezember 2005 im Rahmen des Massnahmenpakets «Partizipation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer» das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD) beauftragt, die Arbeitsvermittlung und die AMM an diese Entwicklung anzupassen.

Der schweizerische Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich


Die mit dieser Aufgabe betraute Arbeitsgruppe hat eine Analyse der heutigen Situation an den Anfang ihrer Arbeiten gestellt. Der schweizerische Arbeitsmarkt gilt im internationalen Vergleich als sehr flexibel und das Arbeitsvermittlungssystem als effizient. Nicht zuletzt auch aus diesem Grunde schneidet heute unsere Volkswirtschaft beim internationalen Vergleich der Arbeitsmarktpartizipation gut ab. Allerdings besteht langfristig die Gefahr, dass die Schweiz von ihrer Spitzenposition verdrängt wird (vgl. Grafik 2). Eine wichtige Ursache dieser negativen Entwicklung hängt mit dem Umstand zusammen, dass Frühpensionierungen in der Vergangenheit vermehrt in Anspruch genommen wurden. Aufgrund demografischer Faktoren wird die ältere Bevölkerung im Verhältnis zur jüngeren Bevölkerung weiter zunehmen. Das Arbeitsangebot dürfte somit auch in der Schweiz knapper werden. Entsprechend besteht hinsichtlich der arbeitsmarktlichen Integration älteren Arbeitnehmender Handlungsbedarf. Im Gegensatz zur Schweiz konnten die Partizipationsraten in den nordischen Ländern gesteigert werden. Als Vorbild dient insbesondere Finnland, wo heute ältere Arbeitnehmende gegenüber früher deutlich bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz besitzen. Mit einem im Jahr 2000 lancierten Reformprogramm Zum finnischen Programm Finpaw siehe Weiss, J. Ilmarinen, J. E.: «Erhaltung der Arbeitsfähigkeit älterer Arbeitnehmender: Ein internationaler Vergleich», S. 12ff des Monatsthemas dieser Ausgabe «Die Volkswirtschaft». hat Finnland bedeutende Fortschritte erzielt und dank der eingeleiteten Reformen die Partizipation älterer Arbeitnehmender erhöhen können.  Auch bezüglich des Niveaus der Arbeitslosigkeit muss sich die Schweiz ihre weltweite Spitzenposition für die Zukunft sichern. Die Arbeitslosenquote der älteren Arbeitnehmenden gehört zu den niedrigsten in Europa. Jedoch erzielten in den letzten Jahren andere Länder – wie z.B. Finnland – deutliche Fortschritte. Dank Massnahmen im Bereich der Arbeitsvermittlung konnte dort die Arbeitslosigkeit der älteren Bevölkerung deutlich verringert werden (vgl. Grafik 3).

Wo besteht Handlungsbedarf?


Arbeitsmarktanalysen zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau und Arbeitsmarktpartizipation besteht. Je höher also die Qualifikation eines Arbeitnehmers, umso grösser ist seine Wahrscheinlichkeit, arbeitstätig zu sein. Umgekehrt nimmt das Arbeitslosenrisiko bei gut qualifizierten Arbeitnehmenden ab. Die Arbeitslosenquote von älteren Arbeitnehmenden (ab 50 Jahren) liegt zwar unterhalb der durchschnittlichen Arbeitslosenrate aller Altersklassen; jedoch bleiben gerade ältere Erwerbslose überdurchschnittlich lange arbeitslos.  Die Stellensuche gestaltet sich für ältere Arbeitnehmende aus verschiedenen Gründen schwierig: – Die moderne Arbeitswelt ist durch einen raschen technologischen Fortschritt und dem damit verbundenen starken Wandel der Qualifikationsanforderungen gekennzeichnet. Damit geht auch eine Beschleunigung der Entwertung des Wissens einher. Dies hat zur Folge, dass Wissen und Kompetenzen älterer Arbeitskräfte nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, wodurch deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt werden.  – Nach wie vor setzen viele Arbeitgeber wegen vermeintlich niedrigerer Kosten auf jüngere Arbeitskräfte.  – Vorurteile der Arbeitswelt gegenüber älteren Arbeitnehmenden erschweren deren Vermittelbarkeit.  – Aus Sicht des älteren Stellensuchenden belasten erhöhte Lohnvorstellungen sowie höhere Ansprüche an die Arbeitsbedingungen die eigenen Vermittlungschancen. – Eingeschränkte geografische sowie berufliche Mobilität beeinflussen die Vermittelbarkeit der älteren Arbeitnehmenden.  – Zudem sind ältere Erwerbstätige nach einem Stellenverlust häufig mit fehlender Motivation konfrontiert; dazu kommen oft auch Selbstzweifel («zum alten Eisen gehören»).  – Gesundheitliche Probleme vermindern die Leistungsfähigkeit von älteren Stellensuchenden.  – Ein essenzieller Faktor des Vermittlungsprozesses ist die Bewerbung: Eine nicht mehr adäquate Art der Stellensuche erschwert die Vermittelbarkeit der älteren Arbeitskräfte zusätzlich.

Vorgeschlagene Massnahmen zugunsten älterer Arbeitnehmender


Die vorgeschlagenen Massnahmen im Bereich Arbeitsvermittlung und AMM ergänzen diejenigen in den Bereichen «Sozialversicherungen» sowie «Arbeitsbedingungen und Gesundheit». Im Gegensatz zu den andern Bereichen herrscht hier zwar kein unmittelbar dringender Handlungsbedarf, doch müssen die Massnahmen in der näheren Zukunft an die Hand genommen werden, damit sie beim Eintritt der demografischen Alterung bereits erprobt und erwiesenermassen wirksam sein werden. Mit andern Worten: Es handelt sich um Massnahmen, die mittelbis langfristig konkretisiert und umgesetzt werden sollen.

Besuch von AMM nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung


Arbeitsmarktliche Massnahmen können einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Vermittlungsfähigkeit von älteren Stellensuchenden leisten und somit deren langfristige Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt fördern. In Zukunft sollen ältere Stellensuchende, welche ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erschöpft haben, aber noch an einer AMM teilnehmen, diese wenn immer möglich auch beenden können. Gerade der Abschluss einer AMM ermöglicht älteren Stellensuchenden die Steigerung der Arbeitsmarktfähigkeit.

EAZ für ältere Arbeitslose 12 Monate generell und höhere Zuschüsse an Arbeitgeber


Einarbeitungszuschüsse (EAZ) wirken sich positiv auf die Beschäftigungschancen der Geförderten aus und sind als wichtiges Instrument zur langfristigen Wiedereingliederung älterer Stellensuchenden anzusehen. Durch das Ausrichten von EAZ werden Arbeitgeber dazu motiviert, Arbeitsstellen auch mit schwerer vermittelbaren älteren Personen zu besetzen. Wenn ältere Stellensuchende auf diese Weise in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können, tragen EAZ auch zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit bei. Der dem Arbeitgeber entstehende Zusatzaufwand während der Einarbeitungsphase wird durch eine Reduktion der Lohnkosten abgegolten. EAZ könnten für ältere Arbeitslose generell – und nicht wie aktuell nur ausnahmsweise – für maximal 12 Monate bewilligt werden. Ausserdem wurde vorgeschlagen, die Höhe der Zuschüsse für ältere Personen anzuheben.

Stärkere Verankerung der Validierungsinstrumente im Rahmen der AMM


Hier geht es darum, im Betrieb oder im privaten Bereich erworbene Kompetenzen und Fachwissen zu validieren, d.h. durch ein eidgenössisch oder anderweitig anerkanntes offizielles Diplom ausweisen zu lassen. Der Nutzen dieser Anerkennung nicht formell erworbener Kompetenzen ist vielfältig. Zum einen erlaubt es der teilnehmenden Person, sich ein besseres Bild von sich selbst und den eigenen Fähigkeiten zu machen, und erleichtert die Neuorientierung. Zum anderen ermöglicht die Validierung den berufsbegleitenden Zugang zu einem anerkannten Diplom. Zusätzlich kann diese Anerkennung vor allem bei lernungewohnten Personen eine neue Lernmotivation bewirken. Die im Rahmen der AMM erworbenen Fähigkeiten sollen von einer unabhängigen Stelle validiert werden können. Die Validierungsinstrumente sollen stärker verankert und in der ganzen Schweiz eingesetzt werden.

Thematisierung der Gesundheit in den RAV und AMM im Rahmen des mehrjährigen Programms zur Gesundheitsförderung


Um auf die speziellen Bedürfnisse älterer Arbeitnehmender eingehen zu können, braucht es eine erhöhte Sensibilisierung innerhalb der regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) soll zusammen mit dem Verband schweizerischer Arbeitsämter (VSAA) ein entsprechendes Projekt ausarbeiten. Die RAV-Mitarbeitenden sollen durch gezielte Weiterbildungen auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden. Ausserdem sollen die kantonalen Arbeitsmarktbehörden sowie die AMM-Organisatoren in das mehrjährige nationale Programm zur Gesundheitsförderung einbezogen werden.

Stärkere Ausrichtung des Forschungsprogramms der Arbeitslosenversicherung auf die Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmender


In den kommenden Jahren soll das Forschungsprogramm des Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherungen stärker auf die Problematik der Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmender gerichtet werden. Diese Forschungen sollen den kantonalen Vollzugsbehörden konkrete Angaben über die zu wählenden Mittel, die zielführenden Strukturen und die bewährtesten Strategien liefern.

Fazit


Die Arbeitsvermittlung und die AMM werden in den kommenden Jahren vor grosse Herausforderungen gestellt werden. Da in unserem Land der Arbeitsmarkt gut funktioniert, ist keine grundlegende Neuausrichtung gefragt, sondern eine konsequente, aber dafür zielstrebig umgesetzte Anpassung an die neuen Gegebenheiten. Damit haben wir die Chance, bereits in wenigen Jahren über ein ausgereiftes und erprobtes Instrumentarium zu verfügen.

Grafik 1 «Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung, 1981-2025 Anteile der Altersklassen von Erwerbstätigen in %»

Grafik 2 «Erwerbsquoten der 55- bis 64-Jährigen im internationalen Vergleich»

Grafik 3 «Arbeitslosenquoten der 55- bis 64-Jährigen im internationalen Vergleich»

Zitiervorschlag: Peter Gasser, Antoine Lukac, (2006). Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Arbeitnehmenden. Die Volkswirtschaft, 01. April.