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Empfehlungen der OECD zur Marktöffnung – zu allgemein und juristisch nicht fundiert

Empfehlungen der OECD zur Marktöffnung - zu allgemein und juristisch nicht fundiert

Die OECD setzt sich im Kapitel Marktöffnung kritisch mit dem öffentlichen Beschaffungswesen und seiner kantonalen Fragmentierung auseinander, allerdings ohne die harmonisierende Wirkung des Konkordates der Kantone zu beachten. Sie plädiert u.a. für einen weiteren Abbau der technischen Handelshemmnisse, die Förderung internationaler Standards und den Abschluss von weiteren Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen. Zudem kritisiert der Bericht die Anwendung von spezifischen Zöllen – anstelle von weltweit üblichen Wertzöllen – und empfiehlt weitere Verbesserungen der Zollabfertigung. Schliesslich spricht sich die OECD im Bericht für die Stärkung des Wettbewerbs in den Bereichen Elektrizität, Telekommunikation und Automobilhandel aus.

Die Empfehlungen der OECD zur Marktöffnung werden im Folgenden kurz kommentiert.  – Schaffung von Anhörungsmöglichkeiten für ausländische Unternehmen in der Rechtsetzung: Diese Empfehlung zielt auf eine Verbesserung der Rechtstellung ausländischer Unternehmen im politischen Prozess. Sie erstaunt, denn der Bericht stellt fest, dass diesbezüglich keine Probleme bestünden und sich ausländische Gesellschaften über Verbände und Handelskammern an Konsultationen beteiligen könnten. Im Bereich der technischen Handelshemmnisse besteht übrigens im Rahmen des WTO-Rechts die Pflicht der vorgängigen Anhörung ausländischer Regierungen.  – Schaffung von besonderen Rekursmöglichkeiten für ausländische Unternehmen: Ausländische und inländische Unternehmen sind bezüglich Rechtsschutz in der Schweiz gleichgestellt. Es besteht kein Anlass, hier besondere Rechte einzuführen. Das Problem ist ein Allgemeines, indem der Rechtschutz im Bereich des Aussenwirtschaftsrechts und des Wettbewerbs generell noch zu wenig entwickelt ist.  – Erhöhte Verhandlungstransparenz bei Präferenzabkommen: Es ist nicht einzusehen, inwieweit eine erhöhte Transparenz in den Verhandlungen diskriminierende Wirkungen von Präferenzabkommen beseitigen kann. Ihre Vermeidung ist eine politische Frage und müsste in der Empfehlung münden, das Schwergewicht auf die multilaterale Ordnung zu legen.  – Einführung von Regulierungsfolgenabschätzungen (RFA): Die RFA konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Verhältnismässigkeitsprinzips und vermögen die Abwägung konfligierender Zielnormen weder zu beseitigen noch zu lösen. Erneut – und unnötigerweise – wird die besondere Anhörung ausländischer Unternehmen vorgeschlagen. – Vermehrte Marktöffnung ausserhalb des EU-Raumes: Der Bericht betont die Notwendigkeit einer allgemeinen Marktöffnung. Im Bereich der technischen Standards ist dies leichter gesagt als getan. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Angleichung von Normen auf den primären Wirtschaftsraum konzentriert und die Aushandlung von darüber hinausgehenden «Mutual Recognition Agreements» (MRA) auf Schwierigkeiten stösst. Die Empfehlung kann dahin verstanden werden, auch hier das Schwergewicht auf die Förderung internationaler Standards und die multilaterale Ordnung der WTO zu legen.  – Stärkung der Klagerechte der Wettbewerbskommission: Unter diesem Titel plädiert der Bericht für eine weitere Stärkung des Wettbewerbsrechts, ohne hierzu nähere Ausführungen zu machen. Die jüngste Reform des Kartellgesetzes bleibt unberücksichtigt. Das Problem des Rechtsschutzes müsste weiter gefasst werden und auf eine stärkere Rolle der Gerichte bei der Durchsetzung von wettbewerbsrelevanten Erlassen – unter Einschluss der internationalen Abkommen und ihrer direkten Anwendbarkeit – zielen.

Fazit


Die Empfehlungen erweisen sich als zu allgemein oder aber rechtlich nicht vertretbar. Um auf die wirklich relevanten Bereiche zu stossen, muss auf die andern Kapitel des Berichts zurückgegriffen werden: Die Notwendigkeit der Liberalisierung der Dienstleistungen im regionalen und globalen Kontext unter Einschluss der Finanzdienstleistungen und des Service Public, die Einführung und Verstärkung des Herkunftsprinzips (Cassis-de-Dijon-Prinzip) im Binnenmarkt wie auch im Rahmen des europäischen Wirtschaftsraumes, das Stützungsniveau der Landwirtschaft und die im gesamten Bericht nicht thematisierte Frage des landwirtschaftlichen Zollschutzes sowie im Bereich des Wettbewerbsrechts die zu Recht verlangte Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit namentlich mit der Europäischen Kommission. Schliesslich zeigt sich, dass die Ausfertigung des OECD-Berichts einer stärkeren juristischen Begleitung bedurft hätte. So wenig sich Innen- und Aussenwirtschaft trennen lassen, so wenig kann auch auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Recht und Ökonomie verzichtet werden.

Zitiervorschlag: Thomas Cottier (2006). Empfehlungen der OECD zur Marktöffnung – zu allgemein und juristisch nicht fundiert. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.