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Swisscom: Sicht des Unternehmens zur Privatisierungsvorlage

Swisscom: Sicht des Unternehmens zur Privatisierungsvorlage

Welche Haltung soll eine Unternehmensleitung einnehmen, wenn sich ihr Hauptaktionär – der im vorliegenden Fall der Staat ist – von den Aktien der Gesellschaft trennen will? Die Position ergibt sich aus der Eigenverantwortlichkeit des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft. Die Organe von Swisscom müssen im Unternehmensinteresse handeln und sollten weder eine politisch motivierte Position einnehmen noch persönliche Anliegen verfolgen. Dabei kann eine Berücksichtigung der politischen Situation angesichts der verschiedenen Anspruchsgruppen unter Umständen angezeigt sein. Die mehrfache Begründung des Bundesrates, warum der Bund nicht mehr der ideale Eigentümer von Swisscom sei, lässt sich auf dem Hintergrund der technologischen Veränderungen und der Marktentwicklung im Telekommunikationsbereich unternehmerisch gut nachvollziehen.

Konvergenz als treibende Kraft in der Industrie


Das Verhalten der Nutzer von Telekommunikationsdiensten befindet sich in einer Phase intensiver Veränderung. Fernmelde- und Rundfunkdienste werden häufiger, individueller, mobiler und interaktiver genutzt. Die Digitalisierung und Paketvermittlung erlauben ein technisches Zusammenwachsen von Endgeräten, Diensten und Netzen. Diese Entwicklung erkennt man an den Handys, am Internetzugang und an technisch unterstützten Büroarbeiten. Die Konvergenz ist jedoch nicht nur hier, sondern auch in der Infrastruktur sichtbar. Telekommunikationsnetze wachsen zusammen und verschmelzen mit der Informationstechnologie. Es treten Funktionen hinzu, wie man sie von den Betriebssystemen der Personalcomputer her kennt. Sie ermöglichen das reibungslose und optimierte Zusammenwirken von Hardware und Anwendungsprogrammen.  Eine Vielzahl von Netzen, IT-Plattformen und Anwendungen erhöht die Komplexität der Planung und des Betriebs. Dadurch bietet sich aber auch die Chance, umfassende Dienste für Privatkunden und massgeschneiderte Lösungen für Geschäftskunden zu produzieren. Diese Chance hat Swisscom in besonderer Weise. Denn sie ist ein Unternehmen, das «unten» viele Infrastrukturen vereinigt und «oben» ein Vollsortiment an Produkten und Dienstleistungen anbietet. Je mehr unterliegende Plattformen und übergeordnete Dienste ein Telekommunikationsunternehmen besitzt, desto mehr lohnt sich der Ausbau der Infrastruktur im Interesse von Schnelligkeit, Flexibilität und Integration.

Integriertes Vollsortiment und Flexibilitätsbedürfnis


Wie andere Telekomgesellschaften sieht sich auch Swisscom damit konfrontiert, dass Wettbewerb und Regulierung zu sinkenden Erträgen führen, welche sich im traditionellen Fernmelde- und Rundfunkgeschäft nicht ausreichend kompensieren lassen. Swisscom ist darauf angewiesen, basierend auf ihren Stärken neue Geschäftsfelder im In- und Ausland bearbeiten zu können.  Als Basis dient das bestehende Fernmelde- und Rundfunkgeschäft. Hier ist das Unternehmen vor allem ein führender Anbieter von infrastrukturgestützten Diensten. Sie sind es, welche Swisscom als Grundversorgerin prädestinieren. Mehr und mehr wächst das Angebot jedoch über die Anschlüsse und den Transport von Nachrichten hinaus und erfasst benachbarte Bereiche wie Informationstechnologie, Medien und Unterhaltung oder Kundenkarten. Diese neuen Geschäftsfelder sollen nach dem Plan von Swisscom an Bedeutung gewinnen. Mit der Zeit wird dies nicht nur die Ertragsverhältnisse, sondern auch den Charakter des Unternehmens verändern. Die Netze sind auch in Zukunft eine unverzichtbare Basis für die Entwicklung des Unternehmens, da sie die Funktionalität und Qualität der Fernmeldedienste unterstützen. Doch sie werden das Kundenerlebnis nicht mehr gleich prägen wie heute. Auf sich allein gestellt ist das Betreiben von Netzen wachsenden Risiken ausgesetzt, die sich in einem integrierten Unternehmen wesentlich besser tragen lassen.

Anforderungen an das Aktionariat von Swisscom


Aufgrund der Marktsituation und der Positionierung des Unternehmens muss sich Swisscom darauf verlassen können, weder zum Spielball der Politik noch zum Objekt kurzfristigen Gewinnstrebens privater Akteure zu werden. Swisscom ist an Aktionären interessiert, die langfristig orientiert sind und dem Konzern eine intakte unternehmerische Zukunft als vertikal integrierte Unternehmensgruppe und Vollsortimentsanbieterin ermöglichen wollen. Eine für Swisscom schädliche Entwicklung wäre hingegen die Zerschlagung des Unternehmens in unabhängige Netzbetriebe, etwa mit dem Festnetz in der einen und dem Mobilfunknetz in der anderen Gesellschaft. In diese – verfehlte – Richtung geht die Idee einer öffentlich-rechtlichen Netzgesellschaft. Die Strategie von Swisscom steht einer solchen Aufteilung oder getrennten Führung der Unternehmensteile entgegen. Es besteht die Gefahr, dass der Unternehmenswert nicht mehr gesteigert, sondern sogar zerstört würde. Zur langfristigen Orientierung zählt auch, dass das Aktionariat bereit ist, die Entwicklung des Unternehmens durch Investitionen zu fördern, was nicht ohne Risiken möglich ist. Swisscom sollte unternehmerisch erwünschte Allianzen, Akquisitionen und Beteiligungen eingehen können. Dafür – wie auch für die Einführung neuer, zukunftsträchtiger Technologien – braucht Swisscom einen ausreichenden finanziellen Spielraum. Dieser hat jeweils aus der Abwägung zwischen den Aktionärsinteressen an der Ausschüttung erarbeiteter Mittel und den Bedürfnissen der Unternehmung für Investitionen zu resultieren.

Befürwortung der Abgabe der Bundesmehrheit aus unternehmerischer Sicht


Swisscom befürwortet die vollständige oder – falls politisch nicht anders möglich – zumindest die teilweise Abgabe der Bundesbeteiligung. Die mehrfache Begründung des Bundesrates, warum der Bund nicht mehr der ideale Eigentümer von Swisscom sei, lässt sich unternehmerisch gut nachvollziehen. Heute ist davon auszugehen, dass die Telekommunikation zu einem normalen Wirtschaftszweig mit intensivem Wettbewerb geworden ist, auch wenn dieser mit Blick auf Versorgungsziele und zur Förderung von Konkurrenz noch stark reguliert bleibt. Weil Swisscom immer weniger durch die Grundversorgung oder einen Service Public allein gekennzeichnet wird, könnte die Kontrolle des Bundes zunehmend unpassend oder sogar hinderlich werden.  Sollten sich – abhängig von der Art der Veräusserung der Bundesmehrheit und von politischen Anliegen – flankierende Massnahmen als notwendig erweisen, steht Swisscom diesen offen gegenüber. Sie dürfen dem Unternehmen allerdings nicht schaden. Dies wäre der Fall, wenn eine öffentlich-rechtliche oder eine regulierte privatrechtliche Netzgesellschaft etabliert würde. Denn eine solche Netzgesellschaft würde Swisscom – im Vergleich mit ihren Konkurrenten, die über eigene Netze verfügen – ungerechtfertigt benachteiligen. Die Grundversorgung ist nach Auffassung von Swisscom durch das Fernmeldegesetz (FMG) in jedem Fall gut abgesichert.

Politischer Einfluss auf die Führung von Swisscom auch nach geltendem Recht nicht gesichert


In der aktuellen Diskussion zur Abgabe der Bundesbeteiligung bestehen zum Teil hohe Erwartungen an die Möglichkeiten des Bundes, als Mehrheitsaktionär auf das Unternehmen politischen Einfluss nehmen zu können. In gewissen Kreisen wird argumentiert, mit dem Bund als Mehrheitsaktionär seien die landesweite Grundversorgung mit Fernmeldediensten besser gesichert und weitere volkswirtschaftlich erwünschte Effekte leichter zu erzielen. Rechtlich gesehen sind solche Erwartungen nicht im Einklang mit der geltenden Governance. Das Aktienrecht weist die Oberleitung der Gesellschaft zwingend dem Verwaltungsrat zu, was nicht zuletzt den Interessen der Minderheitsaktionäre dienen soll und vom Telekommunikationsunternehmungsgesetz (TUG) bestätigt wird. Was der Bund als «strategische Ziele» bezeichnet, sind seine eigenen Ziele, welche er durch Ausübung seiner aktienrechtlichen Möglichkeiten verfolgen möchte. Vgl. Art. 6 Abs. 3 TUG. Eingriffe in strategische oder gar operative Belange und das Verfolgen nicht unternehmerischer Zwecke finden im TUG keine Stütze. Statt inhaltliche Abweichungen im öffentlichen Interesse vorzusehen, lässt es das TUG bei organisatorischen Anordnungen und Verweisungen auf das Obligationenrecht bewenden.  Schon heute ist Swisscom also verpflichtet, ausschliesslich unternehmerische Interessen zu verfolgen. Dies schliesst ein, dass das Unternehmen alle Kunden in den Landesregionen betreuen will, Innovationen fördert und auf einen guten Ruf als führendes schweizerisches Telekommunikationsunternehmen Wert legt. Die Motive dazu sind unternehmerisch, weil sich Swisscom auf diese Weise im Markt gut positionieren kann. Auf die interessante Positionierung dürften nicht nur heutige, sondern auch künftige Aktionäre Wert legen.

Zitiervorschlag: Philip Kuebler (2006). Swisscom: Sicht des Unternehmens zur Privatisierungsvorlage. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.