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Ein fahrlässiges Risiko für unsere hohe Versorgungsqualität

Ein fahrlässiges Risiko für unsere hohe Versorgungsqualität

Die Gewerkschaften erachten die Bundesmehrheit an der Swisscom wirtschafts-, versorgungs- und finanzpolitisch als ein Erfolgsmodell, das nicht aufgegeben werden darf. Die umsichtige Eignerstrategie des Bundes hat bisher einerseits für die technologisch hoch stehende, flächendeckende Versorgung der Schweiz gesorgt und andererseits dem Unternehmen die nötige Freiheit gelassen, sich erfolgreich am Markt – auch im Ausland – weiterzuentwickeln. Ein negatives Licht auf das Verhältnis zwischen Eigner und Unternehmen warfen erst die absichtlich unqualifizierten Novemberbeschlüsse des Bundesrats, welche die Verkaufspolitik brachten. Das ist gerade kein Grund, den bisher erfolgreichen Kurs zu verlassen. Die Gewerkschaften lehnen den Verkauf der Swisscom ab.

Die «Financial Times» qualifizierte die Swisscom-Politik des Bundesrates als «mutwillig unfähig». Dies, weil der Bundesrat offenbar demonstrieren will, dass er zur strategischen Unternehmensführung unfähig ist. Der Schaden für Swisscom, die Börsenverluste, die Ausfälle für die Bundeskasse, der Bruch gesetzlicher Spielregeln und der unsorgfältige Umgang mit Volksvermögen sind wohl einmalig. Solche Inkompetenz wäre auf Dauer wirtschaftspolitisch verheerend, hätten wir nicht über Jahrzehnte andere Erfahrungen gemacht – und deshalb die Gewissheit, dass es wieder anders kommen wird.

Starker Netzanbieter mit stabilem Mehrheitsaktionär


Eine zuverlässige Telecomversorgung braucht einen starken Netzanbieter mit einem stabilen Mehrheitsaktionär. Dafür eignet sich der Bund am besten. Ein Verkauf der Swisscom führt zwingend in die Abhängigkeit von Finanzhaien im Ausland oder der Deutschen Telekom. Beides schadet der Versorgungs- und Qualitätssicherheit. Eine moderne Volkswirtschaft muss auf höchste Qualität der Telecomdienste zählen können. Das ist in der Schweiz seit Jahrzehnten garantiert. Bis 1998 sorgte die PTT dafür, seither die Swisscom. Die 98% breitbandfähigen Anschlüsse in der Schweiz sind Weltspitze. Das ist in voll privatisierten Telekommärkten nicht der Fall. Die Swisscom muss das Breitband auf dem Kupferdraht noch verbessern und das Glasfaser-Netz ausbauen. ADSL – und bald auch VDSL – müssen allen zugänglich sein. Nur der Bund als strategischer Investor, der statt auf Profit zuerst auf Qualität schaut, kann langfristig dafür sorgen.

Grundversorgung wäre mit Privatisierung gefährdet


Eine Privatisierung der Swisscom kann die volkswirtschaftlich nötige Grundversorgung nicht sichern. Die Verpflichtung im Fernmeldegesetz (FMG) genügt ohne den konkreten Eignerauftrag gemäss Telecom-Unternehmensgesetz (TUG) nicht. Bisher ist nur die Swisscom zur landesweiten Versorgung fähig. Mit der Bundesmehrheit würde auch das TUG – und damit der Bundesauftrag – verloren gehen. Eine rein private Swisscom in ausländischen Händen kümmert sich kaum um die nicht rentable Grundversorgung in der Schweiz. Das FMG alleine garantiert die heutige Qualität nicht, denn es regelt nur die minimalen Voraussetzungen für die Grundversorgungskonzession. Es sieht vor, dass im freien Markt ein Anbieter zur Grundversorgung verpflichtet wäre, dafür aber entschädigt werden müsste. Das bedeutet: Ohne bundeseigene Swisscom müssten Steuergelder die Grundversorgung sicherstellen. Nach dem altbekannten Motto: Die Profite privat, die Kosten dem Staat. Die Telecomversorgung würde zum finanzpolitischen Zankapfel. Politische Budgetlaunen entschieden über Umfang und Qualität der Telecomversorgung in der Schweiz. Das wäre ein infrastruktur- und wirtschaftspolitischer Unsinn.

Bundesanteil rentiert


Der Swisscom-Verkauf macht auch finanzpolitisch keinen Sinn. Gemessen an den bisherigen Einnahmen wäre er ein Verlustgeschäft für die Steuernzahlenden. Weniger Zinskosten von höchstens 400 Mio. Franken wiegen die geringeren Einnahmen der Bundeskasse nie auf: Seit dem Börsengang 1998 hat Swisscom dem Bund insgesamt 9 Mrd. Franken – das sind im Jahresdurchschnitt 1,2 Mrd. Franken – eingebracht. Allein die Dividenden an den Bund bewegten sich zwischen 500 und 700 Mio. Franken jährlich. Die Aktienverkäufe 2005 brachten der Bundeskasse weitere 1,35 Mrd. Franken ein. Der Bundesanteil von über 60% rentiert! Swisscom ist ein stabil gewinnbringendes bundeseigenes Top-Unternehmen. Die Swisscom ist als eines der grössten Schweizer Unternehmen zudem wichtig für die Technologie-Arbeitsplätze und den technischen Fortschritt in der Schweiz. Die Privatisierung würde viele gute und qualifizierte Arbeitsplätze in einer dynamischen Branche gefährden. Das TUG verpflichtet die Swisscom zu einem Gesamtarbeitsvertrag. Er ist vorbildlich für die wirtschaftlich stabilisierende Sozialpartnerschaft hierzulande. Es gibt keinen Grund, daran zu rütteln, wollen wir die Prekarisierung in der Branche vermeiden.

Zitiervorschlag: Rolf Zimmermann (2006). Ein fahrlässiges Risiko für unsere hohe Versorgungsqualität. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.