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Freie Fahrt für den Detailhandel!

Freie Fahrt für den Detailhandel!

Der Detailhandel ist im Umbruch, und zwar in rasantem Tempo. Internationale Ketten drängen auf den Schweizer Markt. Der Preisdruck steigt und die Margen sinken – sowohl für Lieferanten wie für Händler. Das ist zwar im Interesse der Konsumenten. Doch diese reagieren – u. a. aufgrund des noch wenig aufgehellten Arbeitsmarktes – verhalten. Der Konsument selber ist flexibel geworden. Er kauft die Jacke billig bei einer internationalen Bekleidungskette, holt sich die Musik im Internet oder fährt für den Wochenendeinkauf ins benachbarte günstigere Ausland. Und wenn unter der Woche die Zeit zum Einkauf fehlt, fährt man am Sonntag in den nächsten Tankstellenshop. Der Kampf um den Konsumenten hat sich verschärft, das Angebot wird immer differenzierter. Die Folge ist eine voranschreitende Flurbereinigung auf dem Schweizer Markt.

Zahlreiche Akteure des Schweizer Detailhandels sind bereits von der Bildfläche verschwunden. Andere – wie EPA, Waro oder Pick Pay – sind übernommen worden. Dieser Umbruch zeigt eines klar: Der Detailhandel hat sich in den letzten Jahren zu einer äusserst vitalen, schnell reagierenden Branche gewandelt, die vor grossen Herausforderungen steht. Sie ist gewillt, diese anzupacken. Doch auch die Politik ist gefordert, denn die volkswirtschaftliche Bedeutung des Detailhandels ist gewichtig: Im Jahr 2005 generierte er rund 75 Mrd. Franken Wertschöpfung und beschäftigte knapp 350 000 Erwerbstätige.

Baustelle Politik


Die Politik hat Mühe, mit dieser schnellen Veränderung Schritt zu halten. Viele Baustellen sind noch offen und drohen, es auch weiterhin zu bleiben. Folgende Schwerpunkte stehen dabei aus Sicht des Detailhandels im Mittelpunkt: – Ladenöffnungszeiten: In mehreren Kantonen wurden die Ladenöffnungszeiten liberalisiert, in anderen Kantonen sind Liberalisierungen geplant. Der Widerstand von Gewerkschaften wie auch seitens des Kleingewerbes ist regelmässig gross. Niemand verlangt, dass die Läden rund um die Uhr sieben Tage geöffnet sein sollen. Aber es ist eine Tatsache, dass sich die Gewohnheiten der Konsumenten geändert haben. Viele haben tagsüber keine Zeit und sind froh, wenn sie nach Büroschluss noch bis 20 Uhr einkaufen können oder samstags nicht noch alles vor 16 Uhr erledigen müssen. Wer dieses Bedürfnis negiert, darf eines nicht vergessen: Wir sollten die Entscheidung dem Kunden und nicht dem Gesetzgeber überlassen. Wenn keine Nachfrage besteht, wird auch niemand öffnen. – Verkehrspolitik: Der Ständerat hat einen ersten richtigen Schritt zur Einschränkung des Verbandsbeschwerderechtes unternommen. Es ist zu hoffen, dass auch der Nationalrat den gleichen Weg einschlägt. Das an sich richtige Instrument ist leider in den letzten Jahren zu einem eigentlichen «Verkehrsverhalten-Erziehungsrecht» mutiert. Wir haben unbestritten ein Verkehrsproblem. Davon zeugen die langwierigen samstäglichen Staus in den Einkaufsgebieten städtischer Agglomerationen und in den Innenstädten. Untersuchungen in den wichtigsten Städten zeigen allerdings, dass der motorisierte Konsument weit kaufkräftiger ist als der ÖV-Kunde. Der Detailhandel läuft in den Innenstädten Gefahr, durch Einschränkungen des motorisierten Verkehrs und Parkplatzmangel Kunden an die Einkaufszentren zu verlieren. In der Verkehrspolitik sind deshalb praktikable Lösungen gefragt und keine Radikalismen. – Hochpreisland Schweiz: Viel einfacher ist es da, am Samstagmorgen ins Auto zu steigen und ins benachbarte Ausland zu fahren. Parkplätze stehen dort haufenweise zur Verfügung, und der Einkauf – vor allem von Lebensmitteln – schont auf den ersten Blick den Geldbeutel. Ob der Konsument am Ende des Tages tatsächlich Geld gespart hat, sei dahingestellt. Der zunehmende Gang ins Ausland zeigt aber eines deutlich: Die Hochpreisinsel Schweiz hat ein gravierendes Problem! Im Parlament setzt sich diese Erkenntnis langsam durch. Es liegt nun beim Gesetzgeber, Parallelimporte zu erleichtern und den Agrarprotektionismus beschleunigt abzubauen. Dass die Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips nun durch zahlreiche Ausnahmeregelungen zum Papiertiger zu verkommen droht, stimmt nachdenklich. Die Politik muss kohärenter werden. Es macht wenig Sinn, die Zollschranken gegenüber der EU beim Arbeitsmarkt aufzuheben, um sie bei den Agrarprodukten geschlossen zu halten. – Dauerklage Bürokratie: Eine permanente Klage bleibt wohl die administrative und regulative Belastung durch den Staat. Als Paradebeispiel sei hier der administrative Dschungel «Mehrwertsteuer» genannt. Ansätze zur Behebung des Missstandes sind vorhanden und werden von der Wirtschaft kräftig unterstützt.  Der Schweizer Detailhandel hat enormes Potenzial. Er braucht aber einen freien Rücken, um sich entfalten zu können. Dazu hat auch die Politik ihren Beitrag zu leisten.

Zitiervorschlag: Sandro Salvetti (2006). Freie Fahrt für den Detailhandel!. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.