Suche

Abo

Patente und Innovation: Die beiden Seiten derselben Medaille

Patente und Innovation: Die beiden Seiten derselben Medaille

Die Schweiz zählt im europäischen Vergleich zu den führenden Nationen im Innovationsbereich. Dies verdankt sie insbesondere den hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung der Schweizer Unternehmen. Um diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben, bedarf es auch in Zukunft wirksamer und attraktiver Rahmenbedingungen, die Innovationen ermöglichen und Forschungsinvestitionen angemessen schützen. Ein starker Patentschutz ist dabei eine unabdingbare Voraussetzung. Vor diesem Hintergrund ist die laufende Patentgesetzrevision von grosser Bedeutung. Sie präzisiert die Voraussetzungen für die Patentierung von biotechnologischen Erfindungen, verhindert spekulative Patente im Bereich der Gensequenzen und garantiert die Forschungsfreiheit.

Starker Patentschutz ist ein Schlüsselfaktor für Innovation


Mit ihren hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) trägt die Pharmaindustrie massgeblich zum Spitzenrang des Forschungsplatzes Schweiz bei. Ihre Innovationen leisten zudem einen wichtigen Beitrag zum medizinischen Fortschritt und zu einem qualitativ hoch stehenden Gesundheitswesen. Im Jahre 2004 haben sich die Ausgaben der Pharmaunternehmen für F&E in der Schweiz erneut erhöht und betrugen rund 3,8 Mrd. Franken – rund sechsmal so viel wie der hier erzielte Umsatz. Um diese Investitionen zu schützen und auch in Zukunft Anreize für Innovationen zu schaffen, ist ein starker Patentschutz erforderlich. Dies gilt im besonderen Masse im Pharmabereich, weil Schweizer Pharmafirmen ihre Forschungstätigkeit zu 100% aus eigenen Mitteln finanzieren und somit das ganze Forschungs- und Entwicklungsrisiko alleine tragen. Die Pharmabranche war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Motor für das Wirtschaftswachstum in unserem Land. So nahm die reale Wertschöpfung in den Jahren 2000 bis 2004 im Durchschnitt jährlich um 9% zu. Die Branche hat seit 1990 ihre Exporte um über 400% gesteigert und fast 10000 neue und hoch qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen, die sowohl in den grossen globalen Pharmafirmen wie auch in neuen Start-up-Betrieben entstanden sind. Patente sind die Grundlage für die Zusammenarbeit von Unternehmen mit Hochschulen oder Biotechfirmen. Erfindungen sind in der Grundlagenforschung häufig nicht direkt wirtschaftlich nutzbar, bilden aber den ersten Schritt zur angewandten Forschung. Unternehmen haben entsprechend ein Interesse, an der ersten Forschungsfront dabei zu sein. Patente schaffen für solche Kooperationen den Anreiz für Investitionen in Forschungsprojekte. Sie gewähren letztlich, dass das erworbene Wissen transferiert und kommerziell verwertet werden kann. Unbestritten ist, dass es bei der Patentierung von biotechnologischen Erfindungen eine strenge Überprüfung der Patentkriterien braucht. Wer hingegen den Schutz solcher Erfindungen in Frage stellt, gefährdet letztlich Investitionen in Forschung und Entwicklung, die gerade in der Schweiz zu einem grossen Teil von der Privatwirtschaft geleistet werden.

Uneingeschränkter Patentschutz, aber Reichweite eng gefasst


Mit der Patentgesetzrevision soll das Schweizer Patentrecht den technologischen und internationalen Entwicklungen angepasst werden. Von den drei Tranchen der Revision gab es insbesondere im zweiten Teil strittige Punkte, in welchem die Patentierung biotechnologischer Erfindungen präzisiert wird. Vertreter der Wissenschaften, der Biotech- und der Pharmaindustrie haben zur zentralen Frage des Stoffschutzes einen Kompromiss ausgearbeitet, der den Bedenken von allen Seiten Rechnung trägt und vom Bundesrat übernommen worden ist. Er bietet einerseits einen angemessenen Schutz der Innovation zur Forschungsförderung, behindert aber andererseits die Forschung nicht. Im Gegensatz zum geltenden Recht sollen Sequenzen und Teilsequenzen von natürlich vorkommenden Genen nicht mehr patentierbar sein, auch nicht in isolierter Form. Diese Einschränkung gilt auch für Gensequenzen tierischen oder pflanzlichen Ursprungs. In Zukunft sollen nur noch Sequenzen patentierbar sein, welche von natürlichen Sequenzen abgeleitet sind, sofern sie technisch bereitgestellt werden und ihre Funktion konkret beschrieben wird (z.B. cDNA, RNA, Polypeptide, Proteine). Der Kompromissvorschlag geht indes noch weiter und schiebt unangemessen breiten Patentansprüchen einen Riegel vor. So gilt der Patentschutz nur für diejenigen Gensequenzen, welche die im Patent konkret beschriebene Funktion erfüllen. Mit dieser Einschränkung werden spekulative Patente verhindert.

Schutz vor Trittbrettfahrern


Der uneingeschränkte Stoffschutz ist unerlässlich für einen angemessenen Schutz der F&E-Investitionen, insbesondere der Erstentwicklungskosten. Eine Relativierung des Stoffschutzes würde viele Patente praktisch wertlos machen und Trittbrettfahrern ermöglichen, mit minimalem Aufwand von den enormen F&E-Investitionen des Patentinhabers zu profitieren. Ist ein Medikament einmal zur Marktreife entwickelt worden und findet ein Dritter eine neue medizinische Indikation, so kann dieser ohne grossen Aufwand eine Kopie auf den Markt bringen. Niemand kann verhindern, dass diese Kopie auch für die erste patentierte Indikation verwendet wird. Es gibt keinen Grund, weshalb der Stoffschutz nicht auch für Gensequenzen (mit den erwähnten Einschränkungen) gelten soll. Der Kompromissvorschlag «Stoffschutz, aber enge Reichweite» bringt keine Ausweitung, sondern eine klare Einschränkung der Patentierung von biotechnologischen Erfindungen. Mit der Unterstützung des Kompromissvorschlages hat der Bundesrat ein deutliches Signal an die Forschungsgemeinschaft, die Industrie und die zahlreichen kleineren Biotechnologie-Unternehmen gegeben, dass er auch in Zukunft einen angemessenen Patentschutz gewähren will.

Breites Forschungsprivileg garantiert Forschungsfreiheit


Das im Entwurf vorgeschlagene breite Forschungsprivileg gewährleistet, dass die Forschungs- und Lehrfreiheit nicht eingeschränkt wird. Während also der Stoffschutz eine Erfindung angemessen schützt, garantiert das breite Forschungsprivileg die Freiheit von Forschung und Lehre. Selbst wenn eine Erfindung patentiert ist, dürfen Dritte daran forschen und sie beispielsweise als Ausgangspunkt für neue Erfindungen benutzen – ohne Zustimmung des Patentinhabers. Ein Patent behindert deshalb die Forschung nicht. Die kommerzielle Nutzung einer Erfindung hingegen ist allein dem Patentinhaber vorbehalten. Dient eine biotechnologische Erfindung als Instrument zur Forschung, so sieht die Vorlage einen Lizenzanspruch für dessen Benützung vor. Dieser erleichterte Zugang zu Patentlizenzen ist vor allem in der Grundlagenforschung von zentraler Bedeutung. Mit dem breiten Forschungsprivileg übernimmt die Schweiz eine Vorreiterrolle. Kein anderer wichtiger Forschungsplatz – weder in Europa noch in den USA – kennt ein so weit gehendes Privileg.

Angabe der Quelle von genetischen Ressourcen


In Patentanmeldungen sollen neuerdings Angaben über die Quelle der verwendeten genetischen Ressourcen und des entsprechenden traditionellen Wissens, auf denen die Erfindung beruht, offen gelegt werden müssen. Diese Massnahme soll zu mehr Transparenz führen. Solche und ähnliche Regelungen werden zurzeit in verschiedenen internationalen Foren diskutiert; die Schweiz hat selber einen entsprechenden Vorschlag in der World Intellectual Property Organization (Wipo) eingebracht. Falls die internationale Gemeinschaft diese Regelung genehmigt, soll sie selbstverständlich auch für die Schweiz gelten. Um eine internationale Harmonisierung in der Gesetzgebung zu gewährleisten, sollte die Schweiz den laufenden internationalen Verhandlungen aber nicht vorgreifen und von einer Vorschrift im Alleingang absehen.

Zitiervorschlag: Eric Notegen (2006). Patente und Innovation: Die beiden Seiten derselben Medaille. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.