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Weichenstellung bei der schweizerischen Ostzusammenarbeit

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Am 24. März dieses Jahres hat das eidgenössische Parlament das neue Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas (BG Ost) mit grosser Mehrheit gutgeheissen. Im Ständerat wurde das BG Ost mit 37:1 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) und im Nationalrat mit 127:53 Stimmen (bei 14 Enthaltungen) verabschiedet. Nach dem Zustandekommen des Referendums gegen diese Vorlage wird das Schweizer Volk am 26. November 2006 Gelegenheit haben, über die Fortführung der schweizerischen Ostzusammenarbeit zu entscheiden. Diese Ostzusammenarbeit umfasst einerseits die traditionelle Transitionshilfe und andererseits den so genannten Erweiterungsbeitrag zugunsten der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten. Bei einer Ablehnung des BG Ost durch das Volk würde nicht nur die Rolle der Schweiz als mitverantwortlicher und solidarischer Partner bei den Bemühungen um ein friedliches und prosperierendes Europa ernsthaft in Frage gestellt, sondern auch die erfolgreiche Weiterführung des bilateralen Weges mit der EU.

Seit 1990 fördert die Schweiz den Übergang der ehemals kommunistischen Staaten in Osteuropa und Zentralasien zu Demokratien mit sozialer Marktwirtschaft (Transitionshilfe). Dieser Übergang oder Transitionsprozess ist noch nicht überall abgeschlossen und bedarf nach Ansicht von Bundesrat und Parlament weiterhin der Unterstützung durch die Schweiz. Der Bundesrat hat im Mai 2004 gegenüber der EU seine Absicht bekundet, unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch das Parlament und das Volk, einen Beitrag an die Kosten ihrer jüngsten Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten zu leisten. Am 1. Mai 2004 sind Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern der Europäischen Union beigetreten. Dieser Beitrag soll sich – ebenso wie die Fortführung der traditionellen Transitionshilfe für Südosteuropa und Zentralasien – auf das auf zehn Jahre befristete neue BG Ost stützen. Beim Referendum über das BG Ost stehen somit zwei Instrumente der schweizerischen Aussenpolitik zur Disposition, die im Folgenden kurz beschrieben werden.

Transitionshilfe


Die Schweiz hat für die Unterstützung des Transitionsprozesses der ehemals planwirtschaftlich organisierten Ein-Parteien-Staaten im sowjetischen Einflussbereich in marktwirtschaftlich verfasste, demokratische Rechtsstaaten bisher insgesamt 3450 Mio. Franken aufgewendet; das entspricht jährlich durchschnittlich rund 200 Mio. Franken. Sie hat damit seit dem Fall der Berliner Mauer einen wichtigen Beitrag zu Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in Europa geleistet. Mit den von ihr finanzierten Projekten und Programmen verfolgt die Schweiz zwei Hauptziele: – die Förderung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte sowie den Aufbau und die Festigung stabiler demokratischer Institutionen; – die Förderung einer wirtschaftlich und sozial nachhaltigen Entwicklung, die auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen beruht.  Die Transitionsunterstützung wird von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) umgesetzt. In dreizehn Ländern sind gemeinsame Kooperationsbüros von Deza/Seco vor Ort für die Begleitung der Projekte verantwortlich. Die Transitionsunterstützung der Schweiz geniesst sowohl bei den Empfängerländern als auch in der internationalen Gemeinschaft ein hohes Ansehen. Eine von unabhängiger Seite durchgeführte Evaluation Vgl. Arbeitsgemeinschaft Nadel (ETHZ) und Terra Consult; 12 Jahre Ostzusammenarbeit, Bilanz der öffentlichen schweizerischen Zusammenarbeit mit Osteuropa und der GUS 1990-2002, unabhängiger Expertenbericht, Bern, August 2003. aus dem Jahr 2003 hat bestätigt, dass die Massnahmen effizient und wirkungsvoll sind. Trotz grosser Reformanstrengungen und bedeutender ausländischer Unterstützung – in erster Linie durch die EU – ist der politische und wirtschaftliche Systemwandel in Osteuropa noch nicht abgeschlossen. Während die mitteleuropäischen und baltischen Staaten in ihrem Reformprozess weit fortgeschritten sind und die bisher erzielten Erfolge mit ihrem EU-Beitritt festigen konnten, stehen die Länder Südosteuropas (Balkan), die Ukraine, Moldawien sowie die ehemaligen Sowjetrepubliken im Südkaukasus (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) und in Zentralasien (Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan) weiterhin vor sehr grossen Herausforderungen. Die Auflösung der alten Strukturen hat einen wirtschaftlichen Einbruch (Transitionsrezession) verursacht, von dem sich viele dieser Länder noch nicht erholt haben. Folgen dieses Einbruchs sind eine Verarmung grösserer Bevölkerungsschichten, der Zusammenbruch der Sozialwerke, wachsende Kriminalität, bewaffnete Konflikte und damit zusammenhängend eine hohe Auswanderungsrate. Die Weiterführung der ausländischen Hilfe ist in diesen Ländern notwendig, wenn der Transitionsprozess vorangebracht und friedensgefährdende Rückschläge vermieden werden sollen. Die Debatten in den eidgenössischen Räten haben gezeigt, dass eine überwiegende Mehrheit der Parlamentarier diese Einschätzung teilt und die Fortsetzung der Unterstützung der Transitionsländer durch die Schweiz klar befürwortet. Die grosse Mehrheit der oben erwähnten Staaten wird der EU wegen der geografischen Lage nicht oder wegen des Rückstands in der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung erst in ferner Zukunft beitreten können. Von einem baldigen Beitritt ist im Falle Bulgariens und Rumäniens (beide voraussichtlich Anfang 2007) sowie Kroatiens auszugehen.

Erweiterungsbeitrag


Der Bundesrat hat die am 1. Mai 2004 vollzogene Erweiterung der EU als historischen Schritt zur endgültigen Überwindung der europäischen Teilung infolge des Zweiten Weltkriegs begrüsst. Zudem hat er die Integration der neuen EU-Mitgliedstaaten in die gemeinschaftlichen europäischen Strukturen als grossen Beitrag zur Sicherung von Frieden, Stabilität und Wohlstand auf dem gesamten Kontinent anerkannt. Die EU-Erweiterung ist für die Gemeinschaft mit hohen Kosten verbunden. Bis zum Ablauf der vereinbarten Übergangsfristen müssen die neuen EU-Mitgliedstaaten sämtliche im Gemeinschaftsrecht («acquis communautaire») festgelegten Normen und Standards erfüllen, was umfangreiche Investitionen erfordert (vgl. Tabelle 1 für den Umweltbereich). Zwar steigt die Wirtschaftskraft der neuen EU-Staaten stetig an, doch erreicht ihre reale Kaufkraft pro Kopf erst etwas mehr als die Hälfte des EU-Durchschnitts. Gemäss einem Bericht der UNO zum Thema «Angleichung der neuen Mitgliedstaaten an den durchschnittlichen Entwicklungsstand der EU-15» (vgl. www.nobe.pl/cee.htm, Central and Eastern Europe 2000-2040) braucht beispielsweise Polen auch bei einem anhaltend hohen Wirtschaftswachstum noch mehr als 40 Jahre, um seinen beträchtlichen Rückstand wettzumachen. Aus diesem Grund unterstützt die EU den Aufholprozess ihrer neuen Mitglieder mit erheblichen finanziellen Mitteln. Dies geschieht über die zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (Kohäsion) geschaffenen drei Instrumente: den Europäischen Kohäsionsfonds, den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung sowie den Europäischen Sozialfonds. In der kommenden Haushaltperiode 2007-2013 werden sich die entsprechenden Aufwendungen auf jährlich durchschnittlich 33 Mrd. Franken belaufen. Auch die drei zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehörenden Efta-Staaten Norwegen, Liechtenstein und Island unterstützen diese Anstrengungen. Norwegen zum Beispiel stellt während fünf Jahren (2004-2009) umgerechnet insgesamt 1,6 Mrd. Franken zugunsten der neuen EU-Mitgliedstaaten bereit.  Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat seine Absicht, sich solidarisch an den Lasten der EU-Erweiterung zu beteiligen, in einem Memorandum of Understanding mit der EU konkretisiert. In diesem völkerrechtlich unverbindlichen Dokument, das am 27. Februar 2006 unterzeichnet wurde, erklärt die Schweiz ihre Bereitschaft, zur Unterstützung vorrangiger Projekte in den zehn neuen EU-Mitgliedstaaten insgesamt 1 Mrd. Franken zur Verfügung zu stellen. Die Aufteilung dieses Betrages auf die zehn Staaten basiert im Wesentlichen auf der Bevölkerungsgrösse und dem realen Pro-Kopf-Einkommen (vgl. Grafik 1). Finanziert werden sollen Projekte in den Bereichen: – Sicherheit, Stabilität und Unterstützung von Reformen; – Umwelt und Infrastruktur; – Förderung des Privatsektors sowie – menschliche und soziale Entwicklung.  Die Auswahl der Projekte erfolgt gemeinsam durch die Schweiz und den entsprechenden Partnerstaat. Der Erweiterungsbeitrag wird innerhalb von fünf Jahren verpflichtet, wobei die Finanzierungsentscheide durch die Schweiz getroffen werden. Entsprechend dem Zeitbedarf für die Durchführung der bewilligten Projekte wird für die vollständige Auszahlung des Beitrages von einem Zeitraum von zehn Jahren ausgegangen (vgl.

Kasten 1
Entsprechend der Auszahlungsperiode von zehn Jahren wird der Bundeshaushalt durch den Erweiterungsbeitrag von 1 Mrd. Franken über diesen Zeitraum jährlich mit durchschnittlich 100 Mio. Franken belastet werden. Die Finanzierung erfolgt budgetneutral: 60% dieses Betrages werden gemäss dem Entscheid des Bundesrates vom 16. Juni 2006 durch Kürzungen bei der Transitionshilfe kompensiert; 40 % werden aus dem Haushalt refinanziert, und zwar durch Minderausgaben bzw. Mehreinnahmen. Die Mehreinnahmen des Bundes aufgrund des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU (Bilaterale II) – jährlich schätzungsweise 50 Mio. Franken – fliessen in den Bundeshaushalt. Die 40%-Refinanzierung ist darum ohne zusätzliche Belastung der Schweizer Steuerzahlenden möglich. Da die Kürzungen bei der Transitionshilfe zu einem grossen Teil bei Ländern vorgenommen werden, welche nicht zur Kategorie der Entwicklungsländer gehören (Bulgarien, Rumänien, Russland), kann die Reduktion der öffentlichen Entwicklungshilfe auf ein Minimum beschränkt werden. Bei einem Gesamtvolumen der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz von jährlich 2,2 Mrd. Franken (2005) wird die Reduktion voraussichtlich weniger als 1% ausmachen.). Die Umsetzung des Erweiterungsbeitrags geschieht autonom durch die Schweiz in enger Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten. Sie ist nicht der EU-Kohäsionspolitik unterstellt. Bei der Auswahl und Durchführung der Projekte soll der EU-Kohäsionspolitik jedoch Rechnung getragen werden. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Vorgaben der EU betreffend das öffentliche Beschaffungswesen, staatliche Beihilfen und Eigenfinanzierungsanteile der lokalen Partner berücksichtigt und nicht unterlaufen werden sollen.

Schweizerische Interessenpolitik


Aufgrund ihrer geografischen Lage hängt das wirtschaftliche Wohlergehen der Schweiz sehr direkt von den guten Beziehungen zur EU und von der Vermeidung von konfliktträchtigen politischen Entwicklungen auf dem europäischen Kontinent ab. Das schweizerische Engagement in Osteuropa und in Zentralasien ist zum einen Ausdruck einer solidarischen Mitverantwortung für Prosperität und Stabilität in diesem Teil der Erde. Zum andern liegt es aber auch im wohlverstandenen Eigeninteresse unseres Landes. Für die Fortführung dieser konkreten Interessenpolitik sprechen namentlich die folgenden Argumente:

Sicherung der guten Beziehungen mit der EU


Der Erweiterungsbeitrag und die Transitionshilfe sind unter dem Aspekt einer angemessenen Lastenteilung bei der Unterstützung der Reformanstrengungen in Osteuropa wichtig für das gute Verhältnis zur EU. Der weitere Erfolg des bilateralen Weges hängt wesentlich davon ab, dass die Schweiz bei der Bewältigung von gesamteuropäischen Herausforderungen solidarisch mitwirkt und als verlässlicher Partner wahrgenommen wird. Nur dann können wir von der EU und ihren Mitgliedstaaten erwarten, dass sie unseren Anliegen auch künftig entgegenkommen und Hand zu Lösungen bieten. Wenn man bedenkt, dass Norwegen mit seinen 4,5 Mio. Einwohnern 60% mehr leistet als die Schweiz und unser Erweiterungsbeitrag nur etwas mehr als 0,5% der EU-Leistungen zugunsten der neuen Mitgliedstaaten ausmacht, kann man 1 Mrd. Franken verteilt auf zehn Jahre kaum als unverhältnismässig bezeichnen.

Wirtschaftliche Vorteile


Die EU ist nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich unser wichtigster Partner. Rund zwei Drittel unserer Exporte gehen in die EU. Die Aufrechterhaltung des freien Marktzugangs in die EU ist für die schweizerische Wirtschaft lebenswichtig. Der Erweiterungsbeitrag trägt dazu bei, diesen Marktzugang zu sichern und unsere Exporte in die gesamte EU und in die Transitionsländer weiter anwachsen zu lassen. Aus der Transitionshilfe ergeben sich für die Schweizer Wirtschaft direkte finanzielle Rückflüsse in Form von Lieferaufträgen und Mandaten. Die schweizerische Unterstützung von Infrastrukturprojekten im Rahmen der Transitionshilfe hat seit 1990 zu direkten Lieferaufträgen an schweizerische Unternehmen im Umfang von 780 Mio. Franken geführt. Bereits heute können sich schweizerische Unternehmen gleichberechtigt mit EU-Unternehmen an den Ausschreibungen im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik beteiligen, und zwar in der ganzen EU. Allein die über die Strukturfonds und den Kohäsionsfonds der EU bereitgestellten Mittel belaufen sich ab 2007 auf jährlich 66 Mrd. Franken. Mit dem Erweiterungsbeitrag würde auch bei den Vergabestellen in der EU ein beträchtliches Mass an Goodwill für die Schweiz geschaffen. Die Möglichkeiten für schweizerische Unternehmen, neue Kontakte zu knüpfen und Aufträge aus Projekten zu erhalten, welche durch EU-Fonds finanziert werden, dürften sich vor allem in den neuen Mitgliedstaaten wesentlich verbessern (Türöffnungseffekt). Die Schweizer Wirtschaft profitiert generell vom Gedeihen der osteuropäischen Wachstumsmärkte. Die substanziellen Handelsbilanzüberschüsse mit den neuen EU-Mitgliedstaaten (2005: 1,4 Mrd. Fr.) und den Transitionsländern Die Zahlenangabe bezieht sich auf diejenigen Staaten, in denen die Schweiz Transitionshilfe leistet: Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kirgistan, Moldawien, Russische Föderation, Tadschikistan, Ukraine, Usbekistan (GUS-Staaten); Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Rumänien, Serbien & Montenegro (Südosteuropa). Quelle: Eidg. Zollverwaltung. (2005: 1,7 Mrd. Fr.) belegen, dass durch den wirtschaftlichen Austausch mit diesen Staaten in der Schweiz zusätzliche Arbeitsplätze und Einkommen geschaffen werden. Die Schweiz hat deshalb auch wirtschaftlich ein grosses Interesse, dass dieser Prozess weitergeht. Die rasche Zunahme der Kaufkraft und der grosse Nachholbedarf – v.a. in den Bereichen Energie, Verkehr, Gesundheit und Umweltschutz – dürften die Nachfrage dieser Länder nach Gütern, bei denen Schweizer Unternehmen traditionell komparative Vorteile besitzen, weiter ansteigen lassen. Dank der Unterstützung beim Aufbau von stabilen Institutionen und einer leistungsfähigen Infrastruktur werden diese Länder zunehmend verlässlichere und interessantere Wirtschaftspartner. Aufgrund der Ausdehnung des Freihandelsabkommens von 1972 und der bilateralen Verträge auf die neuen EU-Mitgliedstaaten hat die Schweiz zu diesen neuen Märkten einen diskriminierungsfreien Zugang mit viel versprechenden Zukunftschancen.

Sicherheit, Stabilität, Verminderung der unerwünschten Migration


Armut, hohe Einkommensunterschiede und schwache staatliche Institutionen bilden in einigen Teilen Osteuropas erhebliche Sicherheitsrisiken. In schwachen Staaten kann sich das organisierte Verbrechen – auch grenzüberschreitend – leichter entfalten. In verschiedenen Regionen (v.a. Balkan, Südkaukasus) müssen weitere wirtschaftliche Fortschritte erzielt und der Rechtsstaat gefestigt werden, um das Risiko eines Wiederaufflammens von bewaffneten Konflikten zu minimieren. Vor Ort fördert die Schweiz die Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Stärkung des Demokratisierungsprozesses. Weniger Menschen sehen sich deshalb gezwungen, aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von Sicherheitsrisiken ihr Land in Richtung Westeuropa zu verlassen.

Umwelt, Klimaschutz


Durch die Ostzusammenarbeit trägt die Schweiz dazu bei, den Energieverbrauch und die Schadstoffemissionen zu senken sowie die Wasserqualität zu verbessern und die Artenvielfalt in Europa zu erhalten. Dies kommt ihr selber direkt oder indirekt auch zugute. Mit der Modernisierung von thermischen Kraftwerken in Osteuropa lassen sich etwa Treibhausgase viel kostengünstiger verringern als mit Investitionen in schweizerische Kraftwerke, die technisch wesentlich ausgereifter sind. In den Erweiterungsbeitrag liesse sich aufgrund dieses Sachverhalts eine wirksame Klimaschutzkomponente einbauen.

Nächste Etappen/Ausblick


Im Falle einer Annahme des BG Ost durch das Volk wird der Bundesrat dem Parlament zwei separate Rahmenkredite beantragen – einen für die Fortsetzung der Transitionshilfe in Südosteuropa und Zentralasien sowie einen für den Erweiterungsbeitrag zugunsten der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten. Durch das BG Ost wird der Bundesrat ermächtigt, mit den einzelnen Partnerstaaten der Ostzusammenarbeit bilaterale Rahmenabkommen auszuhandeln, in welchen die Modalitäten der Kooperation im Rahmen der Transitionshilfe resp. des Erweiterungsbeitrages festgelegt werden. Nach dem Inkrafttreten dieser Rahmenabkommen kann mit der operationellen Umsetzung – d.h. mit der Identifizierung, Beurteilung und Genehmigung von Projekten – begonnen werden (vgl.

Kasten 2
– Die schweizerische Unterstützung soll in jedem der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten auf ein paar wenige thematische Prioritäten (z.B. Abwasserreinigung, Stärkung des Justizwesens) und in den grösseren Ländern auch geografisch (ausserhalb der Hauptstadtzonen) konzentriert werden. Kriterien für die Bestimmung der Prioritäten sind u.a. der ausgewiesene Nachholbedarf, die Vorgaben der nationalen Planung, die gemachten Erfahrungen der Schweiz in der Transitionsphase sowie das Vorhandensein eines konkurrenzfähigen Angebots von Gütern und Dienstleistungen in der Schweiz.- Die Verantwortung für die Projektidentifizierung und -vorbereitung entsprechend den vereinbarten Prioritäten liegt grundsätzlich beim Partnerstaat. Die zu finanzierenden Projekte werden gemeinsam ausgewählt; die Finanzierungsentscheide werden von der Schweiz getroffen.- In jedem Partnerland wird eine nationale Koordinationseinheit (National Coordination Unit) bestimmt, welche für die Entgegennahme und die erste Beurteilung von Projektvorschlägen zuständig ist.- Projekteingaben sind erst nach Abschluss des bilateralen Rahmenabkommens möglich. Sie erfolgen ausschliesslich in den Partnerländern. Deza/Seco treten nur auf Projektgesuche ein, welche sie von der nationalen Koordinationseinheit erhalten.- Die Vergabe von Lieferaufträgen und Mandaten erfolgt entsprechend den Richtlinien der EU und der Welthandelsorganisation (WTO) über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Projektträger sind gegenüber Deza/Seco dafür verantwortlich, dass die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden.- Deza/Seco stellen mit jedem Partnerland ein wirksames Controlling sicher. für den Erweiterungsbeitrag). Für jedes Projekt wird ein Projektabkommen abgeschlossen, in welchem die Durchführung und die Verantwortung der beteiligten Partner im Detail geregelt sind. Ein Nein des Volkes zum BG Ost hätte unter anderem zur Folge, dass die Fortsetzung der Transitionshilfe gefährdet wäre und die Schweiz die auch in ihrem eigenen Interesse liegende Integration der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten in die gesamteuropäischen Strukturen nicht unterstützen könnte. Die Rolle der Schweiz als mitverantwortlicher und solidarischer Partner bei den Bemühungen um ein friedliches und prosperierendes Europa würde dadurch ernsthaft in Frage gestellt. Die erfolgreiche Weiterführung des bilateralen Weges mit der EU wäre ausserdem erheblich gefährdet. Welche konkreten Auswirkungen dies im Einzelnen hätte, ist ungewiss. Es ist aber davon auszugehen, dass nicht nur die allfällige Verhandlung neuer Abkommen betroffen wäre; Schwierigkeiten könnten auch bei der Anwendung der bestehenden Verträge auftreten.

Grafik 1 «Geografische Aufteilung des Erweiterungsbeitrags (1 Mrd. Franken)»

Tabelle 1 «Investitionen in die Umwelt – Kosten der Anpassung an die EU-Umweltstandards»

Kasten 1: Finanzierung des Erweiterungsbeitrags
Entsprechend der Auszahlungsperiode von zehn Jahren wird der Bundeshaushalt durch den Erweiterungsbeitrag von 1 Mrd. Franken über diesen Zeitraum jährlich mit durchschnittlich 100 Mio. Franken belastet werden. Die Finanzierung erfolgt budgetneutral: 60% dieses Betrages werden gemäss dem Entscheid des Bundesrates vom 16. Juni 2006 durch Kürzungen bei der Transitionshilfe kompensiert; 40 % werden aus dem Haushalt refinanziert, und zwar durch Minderausgaben bzw. Mehreinnahmen. Die Mehreinnahmen des Bundes aufgrund des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU (Bilaterale II) – jährlich schätzungsweise 50 Mio. Franken – fliessen in den Bundeshaushalt. Die 40%-Refinanzierung ist darum ohne zusätzliche Belastung der Schweizer Steuerzahlenden möglich. Da die Kürzungen bei der Transitionshilfe zu einem grossen Teil bei Ländern vorgenommen werden, welche nicht zur Kategorie der Entwicklungsländer gehören (Bulgarien, Rumänien, Russland), kann die Reduktion der öffentlichen Entwicklungshilfe auf ein Minimum beschränkt werden. Bei einem Gesamtvolumen der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz von jährlich 2,2 Mrd. Franken (2005) wird die Reduktion voraussichtlich weniger als 1% ausmachen.

Kasten 2: Grundsätze für die operationelle Umsetzung des Erweiterungsbeitrags
– Die schweizerische Unterstützung soll in jedem der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten auf ein paar wenige thematische Prioritäten (z.B. Abwasserreinigung, Stärkung des Justizwesens) und in den grösseren Ländern auch geografisch (ausserhalb der Hauptstadtzonen) konzentriert werden. Kriterien für die Bestimmung der Prioritäten sind u.a. der ausgewiesene Nachholbedarf, die Vorgaben der nationalen Planung, die gemachten Erfahrungen der Schweiz in der Transitionsphase sowie das Vorhandensein eines konkurrenzfähigen Angebots von Gütern und Dienstleistungen in der Schweiz.- Die Verantwortung für die Projektidentifizierung und -vorbereitung entsprechend den vereinbarten Prioritäten liegt grundsätzlich beim Partnerstaat. Die zu finanzierenden Projekte werden gemeinsam ausgewählt; die Finanzierungsentscheide werden von der Schweiz getroffen.- In jedem Partnerland wird eine nationale Koordinationseinheit (National Coordination Unit) bestimmt, welche für die Entgegennahme und die erste Beurteilung von Projektvorschlägen zuständig ist.- Projekteingaben sind erst nach Abschluss des bilateralen Rahmenabkommens möglich. Sie erfolgen ausschliesslich in den Partnerländern. Deza/Seco treten nur auf Projektgesuche ein, welche sie von der nationalen Koordinationseinheit erhalten.- Die Vergabe von Lieferaufträgen und Mandaten erfolgt entsprechend den Richtlinien der EU und der Welthandelsorganisation (WTO) über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Projektträger sind gegenüber Deza/Seco dafür verantwortlich, dass die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden.- Deza/Seco stellen mit jedem Partnerland ein wirksames Controlling sicher.

Kasten 3: Nützlicher Link
Weitere Informationen sind im Internet unter www.bundesgesetzost.admin.ch zu finden.

Zitiervorschlag: Bruggmann, Hugo (2006). Weichenstellung bei der schweizerischen Ostzusammenarbeit. Die Volkswirtschaft, 01. September.