Mehrwert für Mensch, Tier und Natur: Im Bioland Schweiz gibt es nur Sieger
Die Schweizer Landwirtschaft braucht neue Perspektiven. Mehr Wettbewerb, der sich über tiefe Preise und Massenproduktion definiert, kann und darf nicht die Lösung sein. Wettbewerbsfähig bleiben die Schweizer Bauern nur, wenn sie die Lebensmittel ökologisch und tiergerecht produzieren. Klar, dass solche qualitativ hoch stehenden Lebensmittel mehr kosten müssen. Aus Sicht von Bio Suisse bleibt deshalb die Vision ein «Bioland Schweiz» und somit auch eine gentechnikfreie Landwirtschaft.
Bäuerinnen und Bauern sowie Politiker und Verbandsmitglieder stehen unter einem grossen Druck und müssen mit verschiedenen Sachzwängen umgehen. Denn nicht sie alleine entscheiden, welche Politik verfolgt wird und wie die Landwirtschaft der Zukunft aussieht. Die Aussenhandelspolitik hat genauso ihren Einfluss wie innenpolitische Faktoren. Das macht aus der schweizerischen Agrarpolitik eine höchst komplexe Angelegenheit. Klar ist: Der Wandel ist in vollem Gange. Alle Beteiligten haben unterschiedliche Möglichkeiten, mit diesem Wandel umzugehen. Der Einfluss jedes einzelnen Bauern und jeder einzelnen Bäuerin ist nicht sehr gross. Er beschränkt sich auf den eigenen Betrieb. Bauern können auf einen politischen Entscheid ihre Betriebskonzepte nicht von heute auf morgen ändern. Ich weiss jedoch aus eigener Erfahrung, dass sich viele Bauernfamilien mit grosser Flexibiliät und einem enormen Innovationsgeist den Herausforderungen stellen. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) beugt sich stark dem aussenpolitischen Druck. Die AP 2002 des Bundes orientierte sich an den Zielen «mehr Markt und mehr Ökologie». Bio Suisse unterstützte diese Stossrichtung ohne Wenn und Aber. Die Ausrichtung der AP 2007 wurde dann in «mehr Markt mit gleich bleibender Ökologie» abgeschwächt. Und die AP 2011 begnügt sich mit der Forderung nach «mehr Wettbewerb». Nach wie vor entspricht die schweizerische Agrarpolitik dem Giesskannenprinzip ohne relevante Steuerungsmechanismen.
Vision Bioland Schweiz
Bio Suisse gibt sich damit nicht zufrie-den. Zu gross ist die Gefahr, diesen Wettbewerb über Massenproduktion und tiefe Preise auszutragen. Dabei sind Verlierer vorprogrammiert. Wettbewerbsfähig bleiben die Schweizer Bauern nur, wenn sie die Lebensmittel ökologisch und tiergerecht produzieren. Unsere Vision ist deshalb ein Bioland Schweiz, d.h. eine möglichst gesamtschweizerische biologische und gentechnikfreie Landwirtschaft: – Eine gesamtschweizerische Biolandwirtschaft reduziert die negativen Externalitäten (externen Kosten) und führt zu positiven ökonomischen Effekten. Die Kosten der Umweltbelastung aus landwirtschaftlicher Produktion sind aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht tragbar. – Geringere CO2-Emissionen reduzieren die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels. – Die biologische Landwirtschaft gewährleistet eine Vielfalt an einheimischer Flora, Fauna und Landschaftstypen. – Die biologische Landwirtschaft benötigt einen höheren Arbeitskräfteeinsatz und schafft somit Arbeitsplätze. – Viele Biobetriebe bieten heute die Möglichkeit geschützter Arbeitsplätze an. – Der Nutzen für den Tourismus ist unbestritten.
«Swissness» mit echtem Inhalt
Eine Umsetzung dieser Vision ist nur über den Markt und die Direktzahlungen möglich. Mit einer klaren Positionierung der Bioprodukte können wir einen respektablen Mehrwert erzielen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Institutes für Marketing und Handel der Universität St. Gallen zeigt, dass die Konsumenten in der Schweiz bereit sind, für Lebensmittel aus der Region und für natürlich produzierte Lebensmittel mehr zu bezahlen. Im Exportbereich sehe ich auch im Hochpreissegment eine Chance für die Landwirtschaft. Man weiss, dass die Marke «Swissness» einen um 10% höheren Produktepreis ermöglicht. Wohlgemerkt: «Swissness» ist für Bio Suisse nicht nur eine Verpackung, eine inhaltlose Vermarktung vom heilen Bergwelt-Image. Uns geht es um den wahrhaftigen Inhalt. Dem Anspruch «Schweiz = naturnah» werden wir nur gerecht, wenn wir nachweislich ökologisch sind. Dazu braucht es eine glaubwürdige biologische Landwirtschaft. Diese erzeugt also im Inland Mehrwert mit Regionalität, mit natürlicher, artgerechter und gentechnikfreier Produktion. Im Ausland führen die Stichworte biologisch, artgerecht, gentechnikfrei und «Swissness» zu einem Mehrwert. In einem Bioland Schweiz kann es deshalb nur Sieger geben – es ist ein Mehrwert für Mensch, Tier und Natur.
Zitiervorschlag: Fuhrer, Regina (2006). Mehrwert für Mensch, Tier und Natur: Im Bioland Schweiz gibt es nur Sieger. Die Volkswirtschaft, 01. September.