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Agrarpolitik 2011 – die Käsereien sind für den EU-Markt bereit

Agrarpolitik 2011 - die Käsereien sind für den EU-Markt bereit

WTO-Agrarverhandlungen der Gruppe G10, Agrarfreihandel mit der EU, Weiterentwicklung der Agrarpolitik AP 2011 – die Schweizer Politik tut sich schwer mit der langfristigen Ausrichtung für den Primärsektor. Die autonome nationale Agrarpolitik stösst an ihre Grenzen und wird durch globale Entwicklungen bedrängt. Die internationale Abhängigkeit der Schweizer Wirtschaft spricht eher für eine Globalisierung; die Landwirtschaft selber fürchtet sich vor deren Folgen. Sektorspezifische Marktöffnungen – wie beispielsweise beim Käse – führen zu ungleich langen Spiessen zwischen den Marktakteuren. Die Käsereien sind für den EU-Markt bereit, verlangen aber eine ausgewogene Weiterentwicklung der Agrarpolitik, die in sich konsequent ist.

Der letzte wesentliche Schritt in der Agrarpolitik wurde im Jahr 1999 mit der AP 2002 eingeleitet. Seither steht zumindest die Milchwirtschaft mit einem Bein im Markt. Die fixen Preise und die Übernahmegarantie wurden aufgehoben, die parastaatlichen Organisationen Käseunion und Butyra liquidiert. Ab 2007 folgt nun das zweite Bein, zumindest beim Käse, der als erster Bereich gegenüber der EU vollständig liberalisiert wird.  Die Auswirkungen der AP 2002 waren vor allem bei den Käsereien deutlich zu spüren, sowohl negativ wie auch positiv: Die Anzahl der Betriebe reduzierte sich zwischen 1999 und 2005 um rund 50%. Das einheimische Käseangebot stieg um ein Vielfaches; die Produkte sind international an der Spitze, und die Marktanteile konnten gehalten und sogar leicht ausgebaut werden. Die gewerblichen Käsereien verarbeiten rund 40% der Milch, produzieren zwei Drittel der Käse und halten im Export einen Anteil von über 80%. Die ablehnende Haltung der Käser gegenüber der Marktöffnung ist in den letzten Jahren einem neuen Selbstvertrauen gewichen. Dabei war der Wandel von der Planzur Marktwirtschaft alles andere als einfach. Nichtsdestotrotz: Die Käsewirtschaft hat sich innert sieben Jahren vom «Prügelknaben» zum «Vorzeigeobjekt» entwickelt.

Ungleich lange Spiesse im Markt


Wenn sich heute die Unternehmer der Käsereien beklagen, dann ist es primär wegen der Inkonsequenz der Politik. Bisher ist nur der Käsemarkt vollständig liberalisiert. Die anderen Milchverwertungen profitieren nach wie vor vom Grenzschutz. Dies führt gezwungenermassen zu Verzerrungen zwischen den Milchverarbeitern im Wettbewerb um den Rohstoff. Ungleich lange Spiesse herrschen auch bei den Strukturverbesserungen: Während mehrheitlich in bäuerlichem Besitz stehende Betriebe zur Verarbeitung und Vermarktung gefördert werden, geht der private Unternehmer leer aus. Der Bundesrat erteilt die Allgemeinverbindlichkeit für den Einzug von privaten Marktstützungsmitteln der Milchproduzenten, die zur Preisstützung bei wertschöpfungsschwachen Verwertungen eingesetzt werden und damit den Wettbewerb unter den Verarbeitern beeinflussen. Mit der AP 2011 plant nun der Bundesrat, das Ungleichgewicht unter den Marktakteuren weiter zu verstärken. Den Empfehlungen der OECD folgend soll die Rohstoffverbilligung für verkäste Milch und silagefreie Fütterung zugunsten der Milchproduzenten zu den Direktzahlungen umgelagert werden. Damit werden Mittel, die bisher selektiv für die Vergünstigung des Rohstoffs im offenen Käsemarkt eingesetzt wurden, auch auf geschützte Milchbereiche umgelagert. Der Bundesrat argumentiert damit, dass Mehrwerte – zum Beispiel für Produkte aus silagefreier Fütterung – am Markt zu holen seien. Dieses Argument lässt sich aber auch auf andere Wirtschaftszweige übertragen: Heute wird z.B. das in der Schokolade enthaltene Milchpulver beim Export auf Weltmarktoder EU-Niveau verbilligt (Schoggigesetz). Dieser Mechanismus soll zumindest bis 2013 weitergeführt werden. Für die Käser ist schwer verständlich, warum man bei ihnen den Mehrwert vom Markt erwartet, während man bei der Lebensmittelindustrie davon ausgeht, dass sie nicht in der Lage ist, einen höheren Schweizer Rohstoffpreis zu bezahlen. Die einzige plausible Erklärung ist hier die «Macht» der grossen Unternehmen.

Ja zu einem Agrarfreihandelsabkommen Schweiz-EU


Daraus lässt sich folgern, dass der Berufsverband der Käsereien Fromarte ein Agrarfreihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU befürwortet. Denn damit liesse sich das immer noch komplexe System der landwirtschaftlichen Märkte massiv vereinfachen und gleich lange Spiesse schaffen. Die Käser sind aber nur ein Glied in der Wertschöpfungskette. Es stellt sich die Frage, ob die Landwirtschaft zu diesem Schritt bereit ist. Hier kann man durchaus Parallelen mit der Haltung der Käser vor 1999 ziehen: Solange der Grenzschutz bei wichtigen Produkten noch Wirkung zeigt, wird sich die Landwirtschaft nicht freiwillig in den EU-Freihandel stürzen, weil erhebliche Auswirkungen zu erwarten sind (Strukturwandel) und man sich den freien Markt auch nicht ganz zutraut.

Zitiervorschlag: Anton Schmutz (2006). Agrarpolitik 2011 – die Käsereien sind für den EU-Markt bereit. Die Volkswirtschaft, 01. September.