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Arbeitslosenversicherung im Jahre 2005 – ein Defizit von 1,87 Mrd. Franken

Arbeitslosenversicherung im Jahre 2005 - ein Defizit von 1,87 Mrd. Franken

Im Jahr 2005 stabilisierte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote sank gegenüber dem Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte auf 3,8%. Das Wachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 1,9% brachte zwar im Jahresverlauf 2005 eine Kehrtwende bei der Beschäftigungsentwicklung; allerdings reichte diese noch nicht aus, um die Beschäftigungsverluste des Vorjahres ganz wettzumachen. Die Wachstums- und Beschäftigungsaussichten für das Jahr 2006 sind jedoch gut. Damit verbunden ist auch die Erwartung, dass sich der deutliche Rückgang der Arbeitslosigkeit in der ersten Jahreshälfte 2006 auch im zweiten Halbjahr fortsetzen wird.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit


Im ersten Halbjahr 2005 war die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen von einer deutlichen Abnahme geprägt und verminderte sich von 162032 arbeitslos gemeldeten Personen im Januar auf 139902 Ende Juli. Zwischen August und Oktober erhöhten sich die Zahlen moderat auf 144066. Seit Oktober stiegen die Arbeitslosenzahlen aus saisonalen Gründen wieder stärker an. Dem Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 22000 Personen in der ersten Jahreshälfte steht im zweiten Halbjahr eine Zunahme um rund die Hälfte gegenüber. Zum zweiten Mal seit dem Jahr 2000 kommt damit der Jahresendwert wieder tiefer zu liegen, als der Stand zu Jahresbeginn betragen hatte. Die Arbeitslosenquote bildete sich zwischen Januar und Juli von 4,1% auf 3,5% zurück. Zwischen August und November konsolidierte sie sich bei Werten um 3,7%. Im Dezember blieb die Quote mit 3,8% schliesslich um 0,2 Prozentpunkte unter dem Wert des entsprechenden Vorjahresmonats. Erstmals seit dem Jahr 2001 vermochten die Jahresdurchschnitte bei der Arbeitslosenzahl und der Quote die Vorjahreswerte zu unterschreiten: Im Durchschnitt waren im Jahr 2005 148537 Personen als arbeitslos registriert. Verglichen mit dem Vorjahr entspricht dies einer Abnahme um 4554 Personen oder 3,0%. Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote beträgt damit 3,8% (-0,1 Prozentpunkte gegenüber 2004). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Gesamtzahl der Stellensuchenden (Summe von registrierten Arbeitslosen und registrierten nichtarbeitslosen Stellensuchenden). Einer Abnahme in der ersten Jahreshälfte folgte zwischen August und Oktober eine moderate Zunahme, die sich allerdings im November und Dezember saisonal bedingt noch verstärkte. Im Jahresdurchschnitt resultiert daraus eine Zahl von 217154 registrierten Stellensuchenden (-3354 Personen gegenüber dem Vorjahr). Die Zahl der Langzeitarbeitslosen – d.h. Arbeitslose mit einer Dauer der Arbeitslosigkeit von mehr als einem Jahr – nahm von durchschnittlich 29731 im Jahr 2004 leicht ab auf 29501 im Jahr 2005. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen gemessen am Total aller Arbeitslosen betrug Ende Dezember 2005 18,9%.

Rechtsetzung

Allgemeine Erhöhung der Höchstanzahl Taggelder in den Kantonen


Nach Ablauf der Frist für die allgemeine Erhöhung der Anzahl Taggelder in den Kantonen Genf, Waadt und Neuenburg (MS-Region 103), die von erhöhter Arbeitslosigkeit betroffen sind (Art. 41c AVIV), hat der Bundesrat zwei neue Erhöhungsgesuche gutgeheissen. Sie betreffen die Zeitperioden 1. Juni bis 31. Dezember 2005 und 1. Januar bis 30. Juni 2006. Diese Massnahme betrifft einzig Versicherte, die das 50. Altersjahr erreicht haben und in den betroffenen Kantonen Wohnsitz haben.

Parlamentarische Vorstösse und Geschäfte

Interinstitutionelle Zusammenarbeit


Im Rahmen der interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ) strebt die Subkommission Existenzsicherung – gestützt auf ein Rechtsgutachten – die Verstärkung der Kooperation zwischen den Organen der Invalidenversicherung (IV), Arbeitslosenversicherung (ALV) und der Sozialdienste an. Es wurde festgestellt, dass bei den Sozialdiensten die Bereitschaft zur Kooperation schwach ausgebildet sei. Da aber der Bund gegenüber diesen Stellen keine Legiferierungskompetenz hat, können diese nicht direkt per Gesetz zu einer verstärkten Kooperation verpflichtet werden. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, dass im Arbeitslosenversicherungsgesetz (Avig) Anreize – in erster Linie finanzieller Natur – geschaffen werden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) legte in verschiedenen Gutachten und an mehreren Kommissionssitzungen dar, dass das angestrebte Ziel durch die im Rechtsgutachten vorgeschlagenen Massnahmen nicht erreicht werden könne.

Entlastung der ALV Motion Hutter (04.3308).


40 Mitglieder des Parlaments wollen mittels massiver Erhöhung der Beitragszeit die Missbräuche und die missliche finanzielle Lage der ALV bekämpfen. Namentlich für einen Anspruch auf 400 Taggelder fordern sie eine Beitragszeit von 400 Monaten (mehr als 33 Jahre!). In der bundesrätlichen Antwort wird dargelegt, dass bereits andere wirksame Mittel zur Missbrauchsbekämpfung bestünden. Schliesslich sehe Art. 90c Avig Massnahmen im Falle einer Überschuldung des ALV-Fonds vor.

Verbesserung der Situation von Militärdienst leistenden Lehr- und Schulabgängern Motion Sicherheitspolitische Kommission (05.3233).


Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates findet es stossend, dass jungen Bürgern und Bürgerinnen mit abgeschlossener Ausbildung vor ihrem Eintritt in die Rekrutenschule der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (ALE) verneint werde. Das Seco hat die Zeitspanne, während deren die versicherte Person mindestens dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss, auf drei Monate festgesetzt. Damit wird die Benachteiligung der in dieser Motion betroffenen Personen beseitigt.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten Motion Leutenegger Oberholzer (04.3789).


Die Motion verlangt mittels Revision von Art. 15 Avig sicherzustellen, dass arbeitslose Versicherte mit betreuungspflichtigen Kindern in der ALV nicht diskriminiert werden. Der Bundesrat hielt in seiner Antwort fest, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für den Bundesrat eine Priorität habe. Dies dürfe jedoch nicht in Form eines Sonderstatus von bestimmten Personengruppen geschehen. Der Bezug von ALE stehe der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht im Wege. Die Bedingungen seien für arbeitende wie arbeitslose Personen gleich. Die bestehenden gesetzlichen Grundlagen – insbesondere die spezifischen Weisungen – seien ausreichend, damit der Bezug von ALE nicht zu Unrecht vom Nachweis eines Betreuungsplatzes abhängig gemacht werde. Der Aufsichtsbehörde sei jedoch bewusst, dass in der Praxis den Weisungen des Seco nicht immer im gleichen Masse nachgelebt werde. Zum gleichen Thema wurde die Anfrage «Gleiche Rechte für arbeitslose Mütter» Anfrage Fehr (04.1160). eingereicht.

Erhöhung der Anzahl Taggelder in Kantonen mit erhöhter Arbeitslosigkeit – keine Diskriminierung von jungen Arbeitslosen Interpellation John-Calame (05.3859) und Motion Zysiadis (05.3279).


Der am 1. Juni 2005 in Kraft getretene Art. 41c Abs. 1bis Aviv befugt den Bundesrat, die Höchstzahl der Taggelder zu erhöhen, und zwar generell oder altersabhängig. Diese Massnahme wurde in den Kantonen Genf, Neuenburg (MS-Region 103) und Waadt für Arbeitslose ab dem 50. Altersjahr beschlossen. Beide Urheber der parlamentarischen Vorstösse sehen darin eine Diskriminierung gegenüber jungen Arbeitslosen. Der Bundesrat hebt in seiner Antwort hervor, dass ältere Arbeitnehmende insgesamt weniger von Arbeitslosigkeit betroffen seien, dass sie aber länger arbeitslos blieben. Da sich ihre Situation von derjenigen der jungen Arbeitslosen unterscheide, liege keine Diskriminierung vor.

Aufsichtskommission ALV


Der Mitgliederbestand der Aufsichtskommission des Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung blieb 2005 konstant. Als Nachfolger der zurückgetretenen Herren Prof. Dr. Yves Flückiger, Thomas Brügger und Dr. Hans-Peter Burkhard wurden die Herren Prof. Dr. Claude Jeanrenaud als Vertreter der Wissenschaft, Michael Eggler als Vertreter der Eidg. Finanzverwaltung und Marc Genilloud, Präsident des Verbandes Schweizerischer Arbeitsämter, als Vertreter der Kantone gewählt.  Die Aufsichtskommission übernimmt im Bereich der Arbeitslosenversicherung Überwachungs-, Beratungs- und Entscheidfunktionen. Sie trat im Berichtsjahr zu insgesamt 3 Sitzungen (Vorjahr 4) zusammen. Die Kommission befasste sich unter anderem mit folgenden Themen:  – Neue Finanzierung der arbeitsmarktlichen Massnahmen (AMM);  – Massnahmen bezüglich Jugendarbeitslosigkeit;  – Entwicklung der Performance der öffentlichen Stellenvermittlung 1998-2003;  – Neukonzeption Avam;  – Auswirkungen der Sparmassnahmen des Bundes auf die ALV;  – Budgets 2006 (Ausgleichsstelle; AMM; ALV-Kassen; RAV/LAM/Kast) – Massnahmen zur Sicherstellung der längerfristigen Finanzierung der ALV.

Finanzen

Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber


Bei einem Beitragssatz von 2% beliefen sich die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber im Berichtsjahr auf 4361,9 Mio. Franken (2004: 4357,6 Mio.Fr.). Diese haben gegenüber dem Vorjahr um 4,3 Mio. Franken oder 0,1% zugenommen.

Arbeitslosenentschädigungen


Im Berichtsjahr wurden insgesamt 4352,5 Mio. Franken (2004: 4749,7 Mio. Fr.) Entschädigungen an Arbeitslose ausgerichtet. Dies sind 397,2 Mio. Franken oder 8,4% weniger als im Vorjahr. Es wurden somit durchschnittlich je Monat rund 363 Mio. Franken ausbezahlt. Die Anzahl der Arbeitslosen belief sich im Berichtsjahr auf 148537 Personen im Jahresdurchschnitt (2004: 153091). Dies entspricht einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 3,8% (2004: 3,9%).

Taggelder aus arbeitsmarktlichen Massnahmen


Im Berichtsjahr wurden insgesamt 273,2 Mio. Franken (2004: 281,3 Mio. Fr.) an Taggeldern für AMM aufgewendet.

Arbeitsmarktliche Massnahmen


An individuellen AMM sind im Berichtsjahr 270,6 Mio. Franken (2004: 275,2 Mio. Fr.) ausbezahlt worden. Das sind 1,7 % weniger als 2004. Die kollektiven AMM haben sich gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Mio. Franken oder 0,2% auf 409,1 Mio. Franken erhöht (2004: 408,3 Mio. Fr.).

Beitragsrückerstattungen an Nachbarstaaten für Grenzgänger


Hier handelt es sich um erhobene ALV-Beiträge von Grenzgängern, die in der Schweiz arbeiten, jedoch im Ausland wohnen. Die Schweiz als Beschäftigungsstaat überweist den Nachbarstaaten gemäss den einzelnen Abkommen diese Beiträge zur Abdeckung des Risikos der Ganzarbeitslosigkeit. Im Berichtsjahr betragen diese Überweisungen 198,4 Mio. Franken (2004: 196,7 Mio. Fr.).

Beitragsrückerstattungen Kurzaufenthalter


Mit der Einführung der bilateralen Verträge per 1. Juni 2002 mit den EU-Staaten sowie der Efta-Konvention wurde die Schweiz verpflichtet, die Retrozessionen der ALV-Lohnbeiträge der Kurzaufenthalter einzuführen, die zu wenig Beitragszeit für einen Bezug von ALE in der Schweiz aufweisen (ohne Liechtenstein). Im Berichtsjahr betrugen diese Beitragsrückerstattungen 21,3 Mio. Franken (2004: 21,7 Mio. Fr.).

Ergebnis


Die Rechnung schloss im Berichtsjahr mit einem Defizit von 1878,3 Mio. Franken ab (2004: Defizit von 2271,9 Mio. Fr.).

Grafik 1 «Auszahlungen der Arbeitslosenkassen, 1996-2005»

Tabelle 1 «Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung: Bilanz per 31. Dezember 2005»

Tabelle 2 «Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung: Rechnungsergebnis 1. Januar bis 31. Dezember 2005»

Tabelle 3 «Aufteilung individuelle arbeitsmarktliche Massnahmen»

Tabelle 4 «Aufteilung der Verwaltungskosten»

Zitiervorschlag: Dominique Babey (2006). Arbeitslosenversicherung im Jahre 2005 – ein Defizit von 1,87 Mrd. Franken. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.