Staatliche Einflüsse auf die Preisbildung im Detailhandel
Berechnungen zeigen, dass das Budget der Haushalte um Milliarden erleichtert würde, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland zu EU-Preisen einkaufen könnten. Vgl. Infras Hohe Preise in der Schweiz, Bern 2003; S. 19f. Welche Rolle spielen dabei die staatlichen Einflüsse auf die Preisbildung im Detailhandel? Im nachfolgenden Artikel werden die vom Staat ausgehenden preisbestimmenden Faktoren untersucht, gegliedert nach staatlichen Abgaben, technischen Handelshemmnissen, geistigen Schutzrechten und Einfluss der Wettbewerbspolitik. Es zeigt sich, dass erst das Zusammenwirken von Reformen in mehreren Rechtsgebieten eine weit gehende Preisangleichung zwischen der Schweiz und den Nachbarländern möglich machen wird. Der vorliegende Artikel beruht auf eingehenden Abklärungen zu den preisbestimmenden Faktoren bei 50 ausgewählten Produkten. Frau Valeria Galli, Praktikantin im Seco, und Sven Michal, Seco, unterstützten zusammen mit dem BFS diese Abklärungen.
Staatliche Abgaben
An sich ist das Wirken des Staates geeignet, in der Schweiz ein im internationalen Quervergleich tieferes Preisniveau herbeizuführen. Die Mehrwertsteuer ist in der Schweiz mit einem Normalsatz von 7,6% weit vom Durchschnittssatz in der EU entfernt, der bei rund 19% liegt. Von diesem Zehnten, den der Staat in der Schweiz nicht einfordert, sieht der Konsument allerdings oft wenig. Mit ein Grund sind die Zölle bei sehr vielen Agrarerzeugnissen, die einen ganz andern Stellenwert als bei Industriewaren haben. Bei Fleisch und Getreide sowie bei andern Ackerbauerzeugnissen ist der Schweizer Markt noch kaum in den europäischen und weltweiten Markt integriert. Die Zölle sind oftmals prohibitiv, soweit nicht auf Zolltarifkontingente zurückgegriffen werden kann. Zölle allein machen aber nicht die ganze Marktabschottung aus. Bei wichtigen Erzeugnissen wie Fleisch und Butter ist auch zu beachten, dass nur wenige Händler im Importgeschäft tätig sind. Teils dürften einzelne Importeure weiterhin Kontingentsrenten verdienen – trotz Versteigerung der Zollkontingente beim Fleisch. Teils scheint die oligopolistische Marktstruktur auf Stufe Import die Grundlage für umfangreiche Quersubventionen zu sein, in deren Rahmen Importe und verwandte Erzeugnisse aus einheimischer Produktion preislich einander angeglichen werden.
Technische Handelshemmnisse
Vorschriften des Technischen Rechts bestehen in zahlreichen Produktbereichen. Die hohen Kosten, die aufgrund der Einhaltung anspruchsvollerer gesetzlicher Vorgaben entstehen, verteuern die Produkte auf direkte Weise. Zusätzlich beinhalten Vorschriften des Technischen Rechts die Gefahr, sich handelshemmend auszuwirken und damit indirekt auf die Preise zu wirken. Neben vielen Lebensmitteln werden in der Schweiz Erzeugnisse der Bauchemie (wie Dichtungsprodukte), technische Geräte für das Haus (wie Feuerlöscher) oder gewisse Güter für den Haushalt (wie Gasflaschen) zu einem erheblich höheren Preis verkauft. Hier ist das schweizerische Technische Recht noch nicht oder erst kürzlich an die Vorgaben in der EU angeglichen worden, sodass ein Preisarbitragepotenzial erst ungenügend erschlossen werden konnte.
Deklarationsvorschriften
Unter allen technischen Handelshemmnissen nehmen divergierende Deklarationsvorschriften im Food- und Near-Food-Bereich einen besonders prominenten Platz ein, hält man sich an die Meldungen zu Importhindernissen, die 2005 von der Wettbewerbskommission (Weko) eingefordert. Die Auflagen hinsichtlich Etikettierung führen zu einer schmaleren Produktauswahl in der Schweiz, was den Nutzen eines ausgegebenen Frankens direkt beschränkt. Vor allem aber hat dies eine indirekte Wirkung, indem eine geringere Zahl konkurrierender Erzeugnisse den Zuschlag erhöht, mit dem der Handel den Verkaufspreis über den Einstandspreis anhebt. Die Ergebnisse von Befragungen im Handel bestätigen diesen Zusammenhang. Butare/Grin/Bürgenmeier, Facteurs determinant le niveau des prix en Suisse, Reihe Strukturberichterstattung des BFK, Bern 1992 S. 35ff.
Vorschriften zu Produkteigenschaften
Waschmittel sind wegen des Phosphatverbots eines der Beispiele, wo Vorschriften zu Produkteigenschaften (d.h. Zusammensetzung von Food- und Near-Food-Artikeln, Emissionswerte bei Geräten usw.) Handelshemmnisse hervorrufen. Anders als bei der Produktdeklaration sind Handelshemmnisse auf der Ebene der Produkteigenschaften aber seltener geworden. Dies ist das Verdienst des 1995 erlassenen Bundesgesetzes über technische Handelshemmnisse (THG), das vorsieht, dass Vorschriften des Technischen Rechts in der Schweiz auf die Bestimmungen unserer wichtigsten Handelspartner – konkret der EU und ihrer Mitgliedländer – ausgerichtet werden müssen. Es ist seit Erlass des Gesetzes in zahlreichen Produktbereichen umgesetzt worden, zuletzt 2005 bei den Chemikalien und den Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Am meisten Handelsbehinderungen durch Bestimmungen von Produkteigenschaften bestehen noch im Bereich der Lebensmittel. So kam bei unseren Erhebungen im Falle der Babynahrung zu Tage, dass in der Schweiz nur das Aroma Vanille zugelassen ist, während in der EU weitere Aromen im Angebot sind. Die schmalere Sortimentsbreite erklärt die Preisunterschiede nicht. Wesentlicher erscheinen Bestellmengen und das Konsumverhalten.
Konformitätsbewertungen und Zulassungsverfahren
Neben dem THG wirkt das Abkommen mit der EU über die wechselseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen der Abschottung des Schweizer Marktes entgegen. Fälle fehlender Anerkennung von Produktprüfungen, die im Ausland nach dortigem Recht erfolgten, dürften sich nur noch begrenzt auf die Sortimentsvielfalt und damit auf die Konkurrenz und die Preisgestaltung in der Schweiz auswirken. Nur ausnahmsweise durch Mutual Recognition Agreements (MRA) – wie das Konformitätsbewertungsabkommen mit der EU – werden die Produktzulassungen abgedeckt, die von staatlichen Stellen ausgesprochen werden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erhebt aber gegenwärtig in Zusammenhang mit der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips, ob eine vereinfachte Zulassung bei allen Bewilligungsverfahren des Bundes einzuführen ist, namentlich wenn das anzuwendende Recht im Herkunftsland mit dem schweizerischen gleichwertig ist.
Rechte des geistigen Eigentums sowie administrierte Preise
Internationale, regionale und nationale Erschöpfung
Importhemmnisse aufgrund der Erschöpfungsregeln bei den geistigen Schutzrechten (Marken-, Urheber-, Design-, Patent- und Sortenschutz) wurden in den letzten Jahren ebenso prominent diskutiert wie technische Handelshemmnisse. Im Vergleich zur EU kennt die Schweiz im Marken- und im Urheberrecht – und allenfalls auch im Designschutz – ein liberaleres Regime, gilt doch hier das Prinzip der internationalen Erschöpfung. Dieses Prinzip besagt, dass der Inhaber von Schutzrechten den grenzüberschreitenden Weiterverkauf der entsprechenden Waren nicht mehr unterbinden kann, wenn er sie irgendwo auf der Welt ein erstes Mal in Verkehr gebracht hat. In der EU erschöpfen sich die Marken- und Urheberrechte dagegen erst bei einem Inverkehrsetzen im europäischen Binnenmarkt (sog. regionale Erschöpfung). Das gilt voraussichtlich auch für den EWR, obwohl der Efta-Gerichtshof einmal beim Markenschutz zu Gunsten der internationalen Erschöpfung entschieden hatte. Während das Regime der regionalen Erschöpfung in der EU/Efta auch bei patent- und sortengeschützten Waren gilt, kennt die Schweiz bei diesen beiden Kategorien von Schutzrechten das restriktivere Regime der nationalen Erschöpfung. Dies heisst, dass der Inhaber von Patent- und Sortenrechten den Import der mit diesen Rechten geschützten Erzeugnisse gerichtlich unterbinden lassen kann, wenn die Einfuhr ohne seine Einwilligung zu Wiederverkaufszwecken geschieht. Bei patent- und sortengeschützten Erzeugnissen haben deren Inhaber deshalb weit bessere Möglichkeiten, nach Absatzländern differenzierte Preise durchzusetzen als bei Erzeugnissen mit Markenoder Urheberrechtsschutz.
Marken- und urheberrechtsgeschützte Erzeugnisse
Wie in Kasten 2 Personenwagen sind das beste Beispiel, dass Preise unter dem europäischen Niveau auch im Hochpreisland Schweiz möglich sind. Diese Situation steht allerdings am Ende eines langen Prozesses, bei dem Reformen im Technischen Recht und schärfere Regelungen im Wettbewerbsrecht ineinander greifen. Liberale Bestimmungen zu geistigen Schutzrechten und tiefe Konsumsteuern besitzen gleichfalls Relevanz.Am Beginn des mehrstufigen Prozesses stand 1995, dass die höheren Abgas- und Lärmvorschriften, denen Fahrzeuge in der Schweiz zu genügen hatten, auf das in der Zwischenzeit angehobene EU-Niveau abgesenkt wurden. Ein nächster Schritt erfolgte 1998 im Bereich der Zulassungsverfahren. Bei den Personenwagen wurde – auf Druck der Wettbewerbskommission – erreicht, dass zumindest für Fahrzeuge, die parallel zur Schweiz in vergleichbarer Ausführung auch im EU/Efta-Raum zugelassen sind, Einzelpersonen und Parallelimporteure auf die bei der Zulassungsstelle hinterlegten Hersteller-Informationen Bezug nehmen können. Technische Vorschriften inkl. Zulassungsverfahren waren so als Importhemmnisse bei Personenwagen weit gehend entschärft. Als Nächstes folgten Massnahmen im Wettbewerbsrecht. Mit der Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung von vertikalen Absprachen im Automobilhandel vom 21.10.2002 hat die Wettbewerbskommission (Weko) weit gehende Auflagen zur Ausgestaltung vertikaler Abreden erlassen. Nach diesen Entwicklungen im Technischen Recht und im Wettbewerbsrecht muss heute dafür gesorgt werden, dass Rechte des geistigen Eigentums nicht erneut eine Marktabschottung bei Personenwagen herbeiführen. Probleme könnten entstehen, wenn a) im Designschutz auf nationale Erschöpfung erkannt würde, oder b) ganze Fahrzeuge unter das Regime der nationalen Erschöpfung fallen würden, nur weil einzelne Fahrzeugkomponenten patentiert sind. ausgeführt, liegen die Automobilpreise in der Schweiz nahe bei jenen der umliegenden Länder. Bei einem teureren Erzeugnis aus amerikanischer Produktion war der Schweizer Preis sogar der tiefste. Dies mag einerseits in der tieferen Abgabenbelastung liegen. Anderseits sind aber in der Schweiz Direktimporte aus den USA möglich, während diese Möglichkeit im EU-Raum aufgrund der regionalen Erschöpfung bei Markenrechten fehlt. Urheberrechte wirken sich besonders bei Produkten der Unterhaltsselektronik aus. Dass sich die liberale Regelung der internationalen Erschöpfung günstig für den Konsumenten auswirkt, zeigt in der kleinen Erhebung des Seco das Beispiel der Compact-Discs (CD). In keinem der Nachbarländer sind diese so günstig wie in der Schweiz. Ein verwandtes Produkt, nämlich Videos, beweist gleichzeitig, wie nachteilig sich restriktive Regelungen beim Import urheberrechtsgeschützter Erzeugnisse auszuwirken vermochten. Die erste Lösung, mit welcher der Gesetzgeber den Kinos den Primeur bei der Vermarktung neuer Filme sichern wollte, die möglicherweise in andern Ländern schon als Videos erhältlich waren, hatte auf die Angebotsbreite in Videotheken stark nachteilige Wirkungen.
Staatliche Durchsetzung gewisser Patentrechte und administrierte Preise
In der Erhebung des Seco fehlen – bis auf das Beispiel eines Medikaments, wo der Patentschutz im Erhebungszeitpunkt auslief – Produkte mit Patentschutz; zumindest waren keine solchen offen deklariert. Dass die Preise von Pharmazeutika in der Erhebung weitgehend fehlten, lag daran, dass diese Gegenstand umfassender Untersuchungen sind, welche u.a. der Bundesrat veranlasst hat. Einzelne Fallbeispiele können gerade hier nur ein unzureichendes Bild vermitteln. Beachtenswert ist auch, dass bei vielen Pharmazeutika um Aufnahme in die Spezialitätenliste ersucht wird. Produkte der Spezialitätenliste müssen dem Patienten von den Krankenkassen zu einem festgelegten Preis erstattet werden. Mithin sind bei Pharmazeutika eher die Wirkungen administrierter Preise sichtbar als jene des Patentschutzes. Hervorzuheben ist indes, dass Parallelimporte bei bestimmten patentgeschützten Gütern gemäss dem Kodak-Urteil des Bundesgerichts unter gewissen Voraussetzungen möglich sind und Einfuhrbeschränkungen jedenfalls vom Patentinhaber durchgesetzt werden müssen. Bei patentgeschützten Pharmazeutika sind hingegen Parallelimporte nicht zulässig. Dies verhindert Art. 14 Abs. 3 des Heilmittelgesetzes, wonach ein Arzneimittel von einem andern Inverkehrbringer so lange nicht zugelassen werden darf, als das für den Erstanmelder zugelassene Arzneimittel (Originalpräparat) patentgeschützt ist.
Griffigkeit des Wettbewerbsrechts
Wo Markenschutz und Urheberrechte wichtig sind, haben selektive Vertriebssysteme – und damit auch vertikale Abreden – eine weite Verbreitung. Um eine Preisangleichung an das umliegende Ausland zu erreichen, ist eine liberale Regelung bei Markenrechten, wie sie die Schweiz mit dem Prinzip der internationalen Erschöpfung kennt, nur ein notwendiger, aber noch kein hinreichender Schritt zum Ziel. Dazu braucht es auch Schritte im Wettbewerbsrecht. Das schweizerische Wettbewerbsrecht verbietet Preisdiskriminierung zu Lasten des Kunden oder einzelner Kundengruppen nicht. Eine allgemeine volkswirtschaftliche Schädlichkeit von Preisdiskriminierungen ist nicht nachzuweisen; vielmehr gehören solche Praktiken zum freien Spiel des Wettbewerbs. Denn wer teuer verkauft, riskiert weitere Konkurrenten auf den Plan zu rufen. Zudem bedeutet die Existenz von nach Ländern differenzierten Abgabepreisen noch nicht, dass der Produzent grenzüberschreitende Querlieferungen in Händlernetzen unterbindet und damit gegen das Wettbewerbsrecht verstösst. Es braucht auch eine Detailhandelsstufe, die die Mühe nicht scheut und sich die alternativen Einkaufsmöglichkeiten erschliesst. Lange Zeit war es in selektiven Vertriebssystemen üblich, dass der Einzelhandel nur beim Gebietsvertreter beziehen kann. Mit dem verschärften Kartellgesetz (KG) werden nun gewisse Lockerungen erreicht, die allerdings den Interessen der Kunden mindestens ebenso entsprechen wie jenen des Händlers. Neu soll insbesondere das Gebot der territorialen Exklusivität nicht mehr gelten. Konkret heisst dies, dass dem Zwischen- und Einzelhandel vom Hersteller weiterhin gewisse geografische Gebiete oder Kundengruppen zur aktiven Marktbearbeitung zugewiesen werden können. Der Handel soll aber Bestellungen ausführen müssen, die von ausserhalb dieser Verkaufsgebiete passiv an ihn herangetragen werden. Man erwartet, dass so den Herstellern die Preisdiskriminierung nach Ländern und/oder Kundengruppen schwerer fallen wird. Die Produzenten und Händler müssen damit rechnen, dass sich Kunden, die in ihrer Region oder ihrem Segment einen höheren Preis bezahlen, an eine auswärtige Vertriebsorganisation wenden.
Interdependenz der preisbestimmenden Faktoren
Die Preisdifferenzen sind bei nahezu allen untersuchten Produkten auf eine Reihe von Ursachen zurückzuführen, die kumulativ wirken und in ihrer Gesamtheit das höhere oder tiefere Preisniveau in der Schweiz ausmachen. Wie oben dargelegt, gibt es zwar einige Produkte, wo die Preisdifferenz durch eine Ursache – etwa die MWST – erklärt werden kann. Bei bestimmten Produktgruppen – z.B. Lebensmitteln, Büchern usw. – ist zumindest eine zentrale Ursache auszumachen (Agrarschutz oder Preisbindung der zweiten Hand). Produkte, bei denen die Preisdifferenzen durch mehrere Faktoren verursacht werden, sind jedoch deutlich in der Mehrzahl. Die Abschätzung des Anteils der einzelnen Ursachen an den Preisdifferenzen ist angesichts dieser Interdependenz der preisbestimmenden Faktoren ausserordentlich schwierig. Eine rudimentäre Auswertung der gemeldeten Angaben für die einzelnen preisverursachenden Faktoren führt immerhin zur Feststellung, dass mit zunehmender Bedeutung der technischen Handelshemmnisse die Preisdifferenzen zum umliegenden Ausland anwachsen. Gemäss der Schätzung der Korrelationen ist die Bedeutung der technischen Handelshemmnisse sogar als signifikant zu bezeichnen. Die Abschaffung der technischen Handelshemmnisse wird jedoch alleine die Preisdifferenzen zum umliegenden Ausland nicht beseitigen. Sie ist aber eine Massnahme, die in die richtige Richtung geht. Die liberale Haltung der Schweiz beim Erschöpfungsregime für gewisse geistige Schutzrechte und das verschärfte Kartellgesetz schaffen die Voraussetzungen, dass Anpassungen im Technischen Recht tatsächlich die gewünschten Auswirkungen zeitigen. Eine fundamentale Feststellung bleibt jedoch: Der Staat kann wohl die Möglichkeiten zur Preisarbitrage mit staatlichen Vorschriften unterbinden und mit grenzüberschreitender Öffnung sowie den Regeln des Wettbewerbsrechts günstige Bedingungen für Preiswettbewerb schaffen. Dass die privaten Akteure die Möglichkeit auch nutzen und so das Konsumentenpreisniveau in der Schweiz stärker an dasjenige der umliegenden Länder heranführen, kann er aber nicht verordnen.
Tabelle 1 «Vergleich Schweiz – EU-15: Preise für 14 konsumnahe Produktgruppen»
Kasten 1: Untersuchung des Seco zu Preisunterschieden bei 50 ausgewählten Produkten In dieser Erhebung wurden im Herbst 2005 die Preise von 50 exakt definierten Produkten in der Schweiz erhoben und mit den Preisen im grenznahen Ausland (Italien, Frankreich, Deutschland) verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Schweiz nicht überall eine Hochpreisinsel ist. Bei 14 untersuchten Produkten waren die Preise in der Schweiz am günstigsten. Bei 6 weiteren Produkten war die Preisdifferenz nicht signifikant (weniger als 5% Abweichung). Bei 30 Produkten lagen die Preise in der Schweiz zwischen 5% und 66% höher als in den Nachbarstaaten. Die Untersuchung kann keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben. Vielmehr ging es darum, gleiche Produkte an gleichen Verkaufsorten zur gleichen Zeit zu vergleichen, um beispielhaft die Preisunterschiede zu erfassen. Ein zentrales Ziel war es, anschliessend den jeweiligen Gründen für die festgestellten Preisunterschiede nachzugehen. In strukturierten Interviews wurden dazu die Einkaufschefs des Detailhandels nach möglichen Gründen für die Preisunterschiede befragt. Dabei wurde die These bestätigt, wonach eine Reihe von Faktoren kumuliert wirken und die Preise in der Schweiz erhöhen. Die Preisinsel kann nicht mit einem einzelnen Instrument oder einer einzelnen Massnahme zum Verschwinden gebracht werden. Vielmehr ist an mehreren Orten gleichzeitig der Hebel anzusetzen. In diesem Artikel werden diejenigen preiserhöhenden Faktoren behandelt, die in der Verantwortung der öffentlichen Hand liegen. Die privaten Faktoren haben die Autoren im Artikel «Gewandelte Wettbewerbsverhältnisse im Schweizer Detailhandel» in der Nr. 6/2006 des Magazins «Die Volkswirtschaft» dargelegt. Dieser und der vorliegende Artikel bilden zusammen eine Auslegeordnung über die preiserhöhenden Faktoren in der Schweiz. Die 50 konkreten Preisvergleiche und die jeweilige Erklärung (im illustrativen Sinne des «Lessons learnt») werden als ein Bestandteil des Berichtes «Preisinsel Schweiz» zur Beantwortung des Postulates David (05.3816) demnächst veröffentlicht.
Kasten 2: Preisangleichung bei Personenwagen Personenwagen sind das beste Beispiel, dass Preise unter dem europäischen Niveau auch im Hochpreisland Schweiz möglich sind. Diese Situation steht allerdings am Ende eines langen Prozesses, bei dem Reformen im Technischen Recht und schärfere Regelungen im Wettbewerbsrecht ineinander greifen. Liberale Bestimmungen zu geistigen Schutzrechten und tiefe Konsumsteuern besitzen gleichfalls Relevanz.Am Beginn des mehrstufigen Prozesses stand 1995, dass die höheren Abgas- und Lärmvorschriften, denen Fahrzeuge in der Schweiz zu genügen hatten, auf das in der Zwischenzeit angehobene EU-Niveau abgesenkt wurden. Ein nächster Schritt erfolgte 1998 im Bereich der Zulassungsverfahren. Bei den Personenwagen wurde – auf Druck der Wettbewerbskommission – erreicht, dass zumindest für Fahrzeuge, die parallel zur Schweiz in vergleichbarer Ausführung auch im EU/Efta-Raum zugelassen sind, Einzelpersonen und Parallelimporteure auf die bei der Zulassungsstelle hinterlegten Hersteller-Informationen Bezug nehmen können. Technische Vorschriften inkl. Zulassungsverfahren waren so als Importhemmnisse bei Personenwagen weit gehend entschärft. Als Nächstes folgten Massnahmen im Wettbewerbsrecht. Mit der Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung von vertikalen Absprachen im Automobilhandel vom 21.10.2002 hat die Wettbewerbskommission (Weko) weit gehende Auflagen zur Ausgestaltung vertikaler Abreden erlassen. Nach diesen Entwicklungen im Technischen Recht und im Wettbewerbsrecht muss heute dafür gesorgt werden, dass Rechte des geistigen Eigentums nicht erneut eine Marktabschottung bei Personenwagen herbeiführen. Probleme könnten entstehen, wenn a) im Designschutz auf nationale Erschöpfung erkannt würde, oder b) ganze Fahrzeuge unter das Regime der nationalen Erschöpfung fallen würden, nur weil einzelne Fahrzeugkomponenten patentiert sind.
Kasten 3: Vertikale Absprachen und selektive Vertriebssysteme Über die Schädlichkeit vertikaler Abreden und selektiver Vertriebssysteme wurde längere Zeit eine wissenschaftliche Kontroverse geführt. Der Grund für die Kontroverse liegt in der Frage, ob Wettbewerb zwischen den Marken (Interbrand-Wettbewerb) genügt, oder ob mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts auch der Wettbewerb innerhalb der Vertriebsorganisation einer einzelnen Marke (Intrabrand-Wettbewerb) gefördert werden muss, namentlich beim Vorliegen selektiver Vertriebssysteme. Mit selektiven Vertriebssystemen sind Regelungen gemeint, mittels deren der Hersteller den Kreis der Wiederkäufer beschränkt, und zwar auf Firmen, die oft recht weit reichenden Vorgaben des Produzenten in Sachen Verkaufsräume, Werkstatteinrichtungen usw. genügen müssen. Die entsprechenden Verträge wurden und werden vom Einzelhandel weiterhin oftmals als eigentliche «Knebelverträge» empfunden.
Zitiervorschlag: Elias, Jiri; Balaster, Peter (2006). Staatliche Einflüsse auf die Preisbildung im Detailhandel. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.