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Zehn Jahre Regionale Arbeitsvermittlungszentren – eine Erfolgsgeschichte

Zehn Jahre Regionale Arbeitsvermittlungszentren - eine Erfolgsgeschichte

Mit der Anfang 1996 in Kraft getretenen Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (Avig) vom 23. Juni 1995 wurden die Kantone verpflichtet, bis 1997 Regionale Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu eröffnen sowie das Angebot an Beschäftigungsprogrammen, Qualifizierungskursen und andern arbeitsmarktlichen Massnahmen (AMM) auszubauen. Die Finanzierung der RAV und der AMM wurde vollständig der Arbeitslosenversicherung (ALV) übertragen. Nach zehn Jahren kann eine rundum erfreuliche Bilanz der Tätigkeit der RAV gezogen werden. In der vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) herausgegebenen Schrift «10 Jahre Regionale Arbeitsvermittlungszentren …und weiter auf Erfolgskurs» geht der Autor ausführlicher auf die Entstehung und die Entwicklung der RAV ein. Im Internet downloadbar unter: www.treffpunkt-arbeit.ch.

Während eines halben Jahrhunderts – bis 1990 – hatte die schweizerische Arbeitslosenquote nie mehr als 1,1% betragen. Dann aber setzte sie zu einem Höhenflug an; zwischen 1990 und 1997 stieg sie von 0,5% auf 5,2%. Die damals mögliche Arbeitsmarktpolitik war mit dieser Entwicklung völlig überfordert. Dies bewog den Nationalrat im Jahre 1994, das Heft in die Hand zu nehmen und eine grundlegende Neuausrichtung der ALV durchzusetzen.

Pionierjahr 1996


Im Jahre 1996 waren die Kantone mit Hochdruck daran, RAV zu errichten, das dazu erforderliche Personal zu rekrutieren und in die neue Aufgabe einzuführen. Die RAV übernahmen die bisher von rund 3000 Gemeindearbeitsämtern – meist mehr schlecht als recht – wahrgenommenen Aufgaben der Beratung, Kontrolle und Unterstützung Arbeitsloser bei der Stellensuche, der Kontaktpflege zu Arbeitgebern und der Beobachtung des regionalen Arbeitsmarktes. Bis Ende 1996 hatten bereits 125 RAV mit 805 Personalberatenden (Vollzeitstellen) den Betrieb aufgenommen; Anfang 1997 folgten weitere 25 RAV und der Personalbestand wurde um 800 Personalberatende erhöht. Parallel dazu wurden – teilweise durch neu gegründete Institutionen – die Angebote an AMM von rund 10000 Jahresplätzen (1995) auf rund 31500 (1997) ausgebaut. Im Jahre 2006 feiern daher nicht nur die RAV, sondern auch zahlreiche Anbieter arbeitsmarktlicher Massnahmen ihren 10. Geburtstag.

Einsparungen von 1 Mrd. Franken


In der Anfangszeit stiessen die neu geschaffenen RAV mit ihren rund 3000 meist noch unerfahrenen Mitarbeitenden vielerorts auf Skepsis. Man bezweifelte ihre Professionalität und Effizienz. Private Personaldienstleister fürchteten, durch die RAV konkurrenziert zu werden. Das Image der RAV hat sich dann aber bald verbessert. Die RAV sind auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt zu wichtigen Akteuren geworden, deren Dienstleistungen von Arbeitgebern und Stellensuchenden geschätzt und die von den privaten Personaldienstleistern als Partner empfunden werden. Dank systematischer Personalschulung Alle Personalberatenden müssen beispielsweise den eidgenössischen Fachausweis für Personalberatung erwerben. wird die Professionalität der RAV heute kaum mehr angezweifelt, sondern oft ausdrücklich gewürdigt. Die Effizienz der RAV ist anerkannt. Eine Studie von Prof. George Sheldon (Universität Basel) zeigt, dass die an den Eingliederungserfolgen gemessene Effizienz der RAV zwischen 1998 und 2003 um 22% zugenommen hat. Ohne diese Effizienzsteigerung wären die Taggeldzahlungen der ALV im Jahre 2003 um rund 1 Mrd. Franken höher gelegen – das sind dreimal mehr als die Gesamtkosten der RAV! In den letzten Jahren konnte die Effizienz der RAV gar noch weiter gesteigert werden, wie die Studien der zweiten Welle der Evaluation zeigen.

Zwei deutlich verschiedene Entwicklungsperioden


Die vergangenen 10 Jahre der RAV-Tätigkeit lassen sich in zwei Perioden aufteilen (siehe Tabelle 1).

Phase sinkender Arbeitslosigkeit (1997-2001)


Die erste Periode war von sinkender Arbeitslosigkeit geprägt. Die RAV passten sich dieser Entwicklung flexibel an und begannen kurz nach Beendigung der hektischen Aufbauphase damit, Personal und Kapazitäten wieder abzubauen. Dies war nicht einfach, da sich Kündigungen nicht vermeiden liessen. Für die Weiterentwicklung der RAV waren die sinkenden Arbeitslosenzahlen aber vorteilhaft. Sie ermöglichten es ihnen, sich ganz auf qualitative Verbesserungen – insbesondere auf die Betriebsabläufe, die Schulung der Mitarbeitenden und die Entwicklung wirksamer Instrumente zur Steuerung der RAV durch Bund und Kantone – zu konzentrieren. Was in der von quantitativen Vorgaben und Zeitdruck geprägten Aufbauphase vernachlässigt werden musste, konnte nun nachgeholt werden; erste praktische Erfahrungen liessen sich auswerten.  Anfang 2000 erfolgte eine Pioniertat auf dem Gebiete des New Public Managements: Die traditionelle inputorientierte Steuerung wurde durch eine wirkungsorientierte Steuerung ersetzt, die sich an den von den einzelnen RAV erzielten Eingliederungserfolgen orientiert. Kantone, die mit ihren RAV eine deutlich überdurchschnittliche Wirkung erzielten, erhielten zugunsten der RAV-Mitarbeitenden einen Motivationsbonus. Diese Bonuszahlungen wurden 2003 allerdings wieder eingestellt, weil es nicht gelang, die Wirkungen der RAV so überzeugend zu messen, dass ein echtes Bonus-Malus-System hätte eingeführt werden können. Die Wirkungsindikatoren werden aber weiterhin berechnet und sind nach wie vor wichtige Orientierungsgrössen. Die Zielsetzung, ein Bonus-Malus-System einzuführen, wurde nicht aufgegeben.

Phase steigender Arbeitslosigkeit (2001-2004)


Im Jahre 2001 begann die zweite Entwicklungsperiode. Die Arbeitslosenquote erreich-te mit 1,7% den Tiefststand und begann sofort wieder zu steigen. Der notwendige Wiederaufbau der Kapazitäten wurde zu strukturellen Verbesserungen sowie systematischen Qualitäts- und Effizienzsteigerungsmassnahmen genutzt. Um den Personalberatenden eine stärkere branchen- und berufsspezifische Spezialisierung zu ermöglichen, wurden die RAV im Vergleich zur Vorperiode im Durchschnitt grösser; zum Ausgleich wurde die Zahl der RAV reduziert. Der Personalbestand nahm zwischen 2001 und 2004 wesentlich weniger stark zu als die Zahl der Stellensuchenden. Es erstaunt daher nicht, dass der grösste Teil der Effizienzsteigerung nach 2001 realisiert wurde .

Kein Ausruhen auf Lorbeeren


Die Entwicklung der RAV in den vergangenen zehn Jahren ist eine eindrückliche Erfolgsgeschichte. Anlass, sich auf Lorbeeren auszuruhen, besteht aber nicht – im Gegenteil. Der Arbeitsmarkt verändert sich dauernd und stellt die RAV vor immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen. Die Chancen der Stellensuchenden auf dem Arbeitsmarkt hängen immer mehr auch von Merkmalen und Eigenschaften ab, welche die RAV mit ihren Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen nicht beeinflussen können. Um Stellensuchende erfolgreich in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können, müssen sie daher immer intensiver und systematischer mit andern Institutionen zusammenarbeiten, insbesondere mit jenen des Gesundheits-, Invaliden- und Sozialwesens. Die vor Jahren begonnene Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) muss weiterentwickelt und auf weitere Bereiche ausgedehnt werden.  Mit ihrer Beratungstätigkeit und den von ihnen initiierten AMM tragen die RAV zur Verbesserung der Arbeitsmarktfähigkeit der schweizerischen Erwerbsbevölkerung bei. Die wirksame Eingliederungsarbeit der RAV erleichtert es der Schweiz, eine sozialverträgliche und dennoch liberale, Marktmechanismen wenig einschränkende Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Sie erhöhen damit die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz und verbessern die Chancen, dass in unserem Land Arbeitsplätze geschaffen werden oder erhalten bleiben.

Tabelle 1 «Gesamtschweizerische Entwicklung der RAV, 1997-2005»

Zitiervorschlag: Hermann Engler (2006). Zehn Jahre Regionale Arbeitsvermittlungszentren – eine Erfolgsgeschichte. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.