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Das neue Bundesgesetz über kollektive Kapitalanlagen

Das neue Bundesgesetz über kollektive Kapitalanlagen

Das Parlament hat am 23. Juni 2006 das neue Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG) verabschiedet. Botschaft zum Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen vom 23. September 2005, BBl 2005, S. 6395 ff. Internet: www.admin.ch/ch/d/ff/2005/6395 .pdf. Es soll das bisherige Anlagefondsgesetz (AFG) ablösen und 2007 in Kraft treten. Das neue KAG verfolgt drei Hauptziele: Eine umfassende Gesetzgebung über die kollektiven Kapitalanlagen zu schaffen, die Europakompatibilität des schweizerischen Fondsrechts wieder herzustellen sowie die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Fondsplatzes Schweiz zu steigern.

Weshalb eine Revision des Anlagefondsgesetzes?


Seit längerer Zeit sind in der Schweiz Auslagerungstendenzen in der Fondsproduktion und ein Re-Import von Fondsprodukten – v.a. aus Luxemburg – zu beobachten. Lediglich etwa ein Drittel der hierzulande öffentlich vertriebenen Fonds wird auch in der Schweiz produziert. Für die mangelnde Attraktivität des Fondsplatzes Schweiz gibt es eine Reihe von Gründen, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

Zu enger Geltungsbereich des AFG


Dem AFG sind nur Sondervermögen unterstellt, die aufgrund eines Kollektivanlagevertrags fremdverwaltet werden. Die in gesellschaftsrechtlicher Form verwalteten Vermögen unterstehen nicht dem AFG. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs bringt einen Standortnachteil für den Fondsplatz Schweiz mit sich. Negativ wirkt sich insbesondere aus, dass die im Ausland beliebte gesellschaftsrechtliche Form der kollektiven Kapitalanlagen, die so genannte Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (Société d’investissement à capitale variable, Sicav), in der Schweiz nicht gegründet werden kann. Ein anderer Nachteil wird darin gesehen, dass die in der Schweiz seit Jahrzehnten bekannten fondsähnlichen Investmentgesellschaften mit festem Kapital (Sociéte d’investissement à capital fixe, Sicaf) in der Rechtsform von Aktiengesellschaften nicht dem AFG und damit auch nicht der Aufsicht der Eidg. Bankenkommission (EBK) unterstehen. Das widerspricht dem aufsichtsrechtlichen Grundsatz «same business, same risks, same rules».

Keine geeigneten Rechtformen für Investitionen in Risikokapital


Die in der Schweiz zur Verfügung stehenden Rechtsformen für Investitionen in Risikokapital haben sich als zu wenig attraktiv erwiesen, um erfolgreich mit der angelsächsischen «Limited Partnership» konkurrieren zu können. Die der Limited Partnership entsprechende schweizerische Kommanditgesellschaft weist überdies Besonderheiten auf, welche sie als Vehikel für Investitionen in Risikokapital ungeeignet machen. Deshalb werden Anlagen in Risikokapital heute zu einem grossen Teil über Limited-Partnership-Konstruktionen in Offshore-Zentren abgewickelt.

Fehlende Erleichterungen für vermögende Privatkunden


Schliesslich sieht das AFG für vermögende Privatkunden nicht die gleichen Erleichterungsmöglichkeiten bezüglich der Anlegerschutzbestimmungen wie für institutionelle Anleger vor. Bei Anlagefonds für institutionelle Anleger mit professioneller Tresorerie können die Aufsichtsbehörden gewisse Schutzbestimmungen für nicht anwendbar erklären, weil davon auszugehen ist, dass die betreffenden Investoren in der Lage sind, die Risiken zu erkennen.

Wichtigste Neuerungen des KAG

Erweiterung des Geltungsbereichs


Die wesentlichste Neuerung des KAG besteht in der Erweiterung des Geltungsbereichs auf sämtliche Formen der kollektiven Kapitalanlage. Neu sind alle kollektiven Kapitalanlagen unabhängig von der Rechtsform dem Gesetz unterstellt. Die Einführung der im Ausland bekannten Investmentgesellschaft mit variablem Kapital gilt als eigentlicher Paradigmawechsel des KAG. Der Gesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung der Sicav an der luxemburgischen Gesetzgebung orientiert und sie in Art. 36 Abs. 1 KAG wie folgt umschrieben:  Die Investmentgesellschaft mit variablem Kapital ist eine Gesellschaft: – deren Kapital und Anzahl Aktien nicht im Voraus bestimmt ist; – deren Kapital in Unternehmer- und Anlegeraktien aufgeteilt ist; – für deren Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen haftet; – deren ausschliesslicher Zweck die kollektive Kapitalanlage ist.  Der Zweck der Sicav ist ausschliesslich auf die Verwaltung des eigenen Vermögens beschränkt. Damit ist die Sicav immer nur ein einzelnes Fondsprodukt in Gesellschaftsform. Demgegenüber ist die Fondsleitung eines vertraglichen Anlagefonds ein Finanzdienstleistungsunternehmen, das nicht nur eigene und Drittfonds verwalten, sondern darüber hinaus auch noch zusätzliche Dienstleistungen erbringen darf. Solche Nebengeschäfte sind der Sicav verwehrt. Weil Investmentgesellschaften mit festem Kapital faktisch die gleiche oder eine ähnliche Anlagepolitik wie Fonds verfolgen, hat die Frage, ob sie dem AFG zu unterstellen sind, den Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden bereits seit längerer Zeit beschäftigt. In den letzten Jahren gab es verschiedene parlamentarische Vorstösse betreffend die Unterstellung von Investmentgesellschaften mit festem Kapital unter die Anlagefondsgesetzgebung. Der regulatorische Druck entstand angesichts gewisser negativer Begleiterscheinungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Entschädigungsmodelle, hoher Kursabschläge zum inneren Wert des Beteiligungsportefeuilles (Discount) sowie einer zum Teil dürftigen Transparenz. Während der Bundesrat die Investmentgesellschaften generell dem KAG unterstellen wollte, beabsichtigte der Nationalrat, sie vom Geltungsbereich auszuschliessen. Durchgesetzt hat sich schliesslich eine differenzierte Lösung, wonach lediglich diejenigen Sicaf dem KAG nicht unterstehen sollen, welche an einer Schweizer Börse kotiert sind oder deren Beteiligungen nur von qualifizierten Anlegern erworben werden können. Art. 110 KAG umschreibt die Sicaf wie folgt: Die Investmentgesellschaft mit festem Kapital ist eine Aktiengesellschaft im Sinne des Obligationenrechts (Art. 620 ff. OR): – deren ausschliesslicher Zweck die kollektive Kapitalanlage ist; – deren Aktionärinnen und Aktionäre nicht qualifiziert im Sinne von Artikel 10 Absatz 3 sein müssen;  – die nicht an einer Schweizer Börse kotiert ist.  Im Gegensatz zur Sicav verfügt die Sicaf über ein festes Grundkapital. Die Investmentgesellschaft ist damit prinzipiell nichts anderes als eine Aktiengesellschaft im Sinne von Art. 620 ff. OR.

Freiwillige Unterstellungsmöglichkeit für Vermögensverwalter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen


Zahlreiche Schweizer Banken und Vermögensverwaltungsunternehmen haben ihre Anlagefonds im EU-Raum – v. a. in Luxemburg – aufgelegt, um von den mit dem EU-Pass verbundenen Vertriebsvorteilen profitieren zu können. Die Fondsleitungen vor Ort delegieren dann oft die eigentliche Vermögensverwaltung wieder an das Schweizer Institut zurück, das in der Regel als Depotbank auftritt. Auf diese Weise bleiben Know-how und Arbeitsplätze in der Schweiz. Gemäss der EU-Management-Richtlinie Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (Ogaw) zwecks Festlegung von Bestimmungen für Verwaltungsgesellschaften und vereinfachte Prospekte. dürfen Fonds, die unter die EU-Regulierung fallen – so genannte «Organismen für Anlagen in Wertpapieren» (Ogaw) – die Verwaltung ihres Vermögens spätestens ab Februar 2007 nur noch an staatlich beaufsichtigte Finanzintermediäre delegieren. Neben den Bankinstituten können die Ogaw in der EU hierzu auf regulierte Vermögensverwalter zurückgreifen.  Diese neue EU-Bestimmung hat für das Asset Management in der Schweiz erhebliche Konsequenzen. Anders als Banken oder Effektenhändler werden die schweizerischen unabhängigen Vermögensverwalter nicht prudentiell überwacht. Deshalb wird ihnen die Verwaltung eines europäischen Anlagefonds verwehrt sein. Die Schweizer Institute wären somit ab Februar 2007 gezwungen, nicht nur die formelle Fondsleitung, sondern auch die Haupttätigkeit des Asset Managements an eine in der EU ansässige Tochtergesellschaft zu delegieren. Damit wäre in der Schweiz im Bereich des Asset Managements der Verlust von Marktanteilen und Arbeitsplätzen verbunden. Die schweizerischen Vermögensverwalter von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen können sich gemäss dem KAG freiwillig der Aufsicht durch die EBK unterstellen. Diese Möglichkeit ist aber auf jene Fälle beschränkt, bei welchen die ausländische Gesetzgebung eine Aufsicht verlangt und die ausländische kollektive Kapitalanlage einer Aufsicht unterliegt, die der schweizerischen gleichwertig ist. Somit steht den unabhängigen Vermögensverwaltern, die ausländische kollektive Kapitalanlagen verwalten, neu die Möglichkeit offen, ein «Gütesiegel» zu erlangen. Diese Möglichkeit ist eine wichtige Massnahme zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für schweizerische Vermögensverwalter.

Neue Rechtsform für die Bereitstellung von Risikokapital


Um auch in der Schweiz über eine geeignete Rechtsform für die Bereitstellung von Risikokapital zu verfügen, wird mit dem KAG neu die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen eingeführt. Diese Rechtsform, die sich an der angelsächsischen Limited Partnership orientiert, soll es ermöglichen, ohne grosse rechtliche Hürden in Risikokapital zu investieren, wie dies in Luxemburg bereits der Fall ist. Der Finanzplatz Luxemburg stellt mit dem Gesetz vom 15. Juni 2004 über Investmentgesellschaften zur Anlage in Risikokapital hierfür die Société d’investissment en capital à risque (Sicar) zur Verfügung. Die Sicar richtet sich sowohl an institutionelle wie auch an qualifizierte Privatanleger. Mit diesem Gesetz stellt Luxemburg flexible und wettbewerbsfähige Rahmendbedingungen für die Gründung von Risikokapitalgesellschaften nach luxemburgischem Recht zur Verfügung, die im Venture Capital- und Private-Equity-Bereich tätig werden sollen. Für die Sicar gibt es keine zwingenden Bestimmungen betreffend die Risikostreuung und sie geniesst erhebliche steuerliche Vorteile. Als Instrument für Risikokapitalanlagen ist diese neue Gesellschaftsform ausschliesslich qualifizierten Anlegern vorbehalten. Der Komplementär muss eine Aktiengesellschaft sein, dies im Gegensatz zu den obligationenrechtlichen Bestimmungen über die Kommanditgesellschaft, wonach der unbeschränkt haftende Gesellschafter zwingend eine natürliche Person sein muss. Der Komplementär ist für die Geschäftsführung zuständig, die Kommanditäre sind davon ausgeschlossen. Sie können weder Entscheidungen zu bestimmten Anlagen treffen noch Anlageentscheide blockieren.

Nach Anlegerkategorien abgestufter Anlegerschutz


Bereits das Anlegerschutzverständnis des AFG geht vom «mündigen Anleger» aus. Es verfolgt dabei die Philosophie, dass die verschiedenen Anlegerkategorien jeweils massgeschneidert – d.h. nach Massgabe des konkreten Schutzbedürfnissen – zu schützen sind. Im Vergleich zum AFG wird dieses Konzept im KAG konkreter gefasst, indem institutionelle Anleger und neu auch vermögende Privatpersonen Investitionsmöglichkeiten wählen dürfen, die von gewissen Schutzvorschriften ausgenommen sind. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass diese im Bedarfsfall qualifizierte Berater beiziehen können. Damit folgt das KAG der internationalen Entwicklung, die dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis verschiedener Anlegergruppen Rechnung trägt.

Fazit


Mit dem KAG werden die wesentlichen Revisionsanliegen umgesetzt und die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Fondsplatz Schweiz auf Gesetzesstufe verbessert. Ob die Schweiz als Standort für die Auflegung von Fonds spürbar an Attraktivität gewinnen wird, hängt in hohem Masse davon ab, wie die Bestimmungen in der Ausführungsverordnung zum KAG ausfallen werden. Mit dem KAG wird jedoch ein erster wesentlicher Schritt in die richtige Richtung getan.

Zitiervorschlag: Adriano Daeppen (2006). Das neue Bundesgesetz über kollektive Kapitalanlagen. Die Volkswirtschaft, 01. November.