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Die integrierte Finanzmarktaufsicht auf der Zielgeraden?

Der Bundesrat hat sich für eine neue integrierte Finanzmarktaufsicht (Finma) ausgesprochen und eine entsprechende Botschaft verabschiedet. Dabei sollen die Eidg. Bankenkommission (EBK), das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) und die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (Kst GwG) zusammengelegt werden. Ein solches Unterfangen muss von langer Hand vorbereitet werden. Das Eidg. Finanzdepartement (EFD) hat deshalb eine Projektorganisation eingesetzt, die sich mit der Umsetzung des neuen Gesetzes befasst. Im Folgenden wird diese Projektorganisation kurz vorgestellt.

Fusion von drei Amtsstellen


Am 1. Februar 2006 hat der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG) BBl 2006 2829.verabschiedet. Damit hat er die Grundlage zur Zusammenlegung der EBK, des BPV und der Kst GwG gelegt. Diese drei unterschiedlichen Einheiten sollen in einer selbstständigen, mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Anstalt mit Sitz in Bern zusammengefasst werden: der Finma.  Die Finma führt eine eigene Rechnung und organisiert sich selbst; sie verfügt somit über Organisations- und Budgetautonomie. Organe der Finma sind der Verwaltungsrat als strategisches Organ, die Geschäftsleitung mit operativen Aufgaben und die Eidg. Finanzkontrolle (EFK) als Revisionsstelle. Finanziert wird die Finma aus Gebühren und Aufsichtsabgaben der Beaufsichtigten. Sie wird wie bis anhin zur Aufgabe haben, die Aufsicht nach den Finanzmarktgesetzen auszuüben. Dafür enthält das FINMAG einige zum Teil neue, auf alle Aufsichtsbereiche anwendbare Instrumente, wie die Möglichkeit, Prüfgesellschaften zu beaufsichtigen, die Öffentlichkeit zu informieren, Berufsverbote auszusprechen, Verfügungen zu veröffentlichen sowie mit in- und ausländischen Behörden zusammenzuarbeiten. Der Bundesrat hat sich für eine integrierte und unabhängige Finanzmarktaufsicht entschieden. Dadurch sollen Synergieeffekte genutzt und die Effizienz gesteigert werden. Der Ball liegt nun beim Parlament. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) wird ihre Beratungen zum Gesetz erst nach der Durchführung von Hearings aufnehmen. Der Nationalrat wird somit das FINMAG frühestens in der Wintersession 2006 traktandieren können, so dass das Gesetz vom Parlament im besten Fall in der Frühlingssession 2007 verabschiedet werden kann.

Einsetzung einer Projektorganisation


Es besteht der klare Wille, das Gesetz nach Verabschiedung durch das Parlament zügig umzusetzen. Wunschvorstellung ist, dass die Finma auf den 1. Januar 2008 operativ tätig werden kann. Das EFD hat deshalb schon im März 2006 den Startschuss für den Beginn der Projektarbeiten zur Umsetzung des Gesetzes gegeben. Angesichts des sehr ehrgeizigen Zeitplans und der umfangreichen Vorbereitungsarbeiten kann nicht bis zur Verabschiedung des Gesetzes durch das Parlament gewartet werden. Zahlreiche rechtliche, organisatorische, personelle und kulturelle Fragen müssen rechtzeitig diskutiert und gelöst werden.  Fusionen im öffentlichen Bereich basieren auf gesetzlichen Grundlagen und müssen damit zwingend umgesetzt werden. Es gibt diesbezüglich keinen Spielraum und kein Zurück mehr. Eine öffentlich-rechtliche Fusion darf und kann nicht scheitern. Man ist schon fast versucht zu sagen: Sie ist zum Erfolg verdammt. Ein solches Unterfangen muss demzufolge gut durchdacht und von langer Hand vorbereitet werden.

Vier Projektbereiche


Alle drei Einheiten sind heute unterschiedlich organisiert und in der Bundesverwaltung eingebettet. Die EBK ist eine Behördenkommission, die lediglich administrativ dem EFD zugeordnet ist. Das BPV ist ein Bundesamt, das am 1. Juli 2003 vom EJPD ins EFD transferiert wurde, und die Kst GwG eine Abteilung der Eidg. Finanzverwaltung (EFV). Damit verbunden sind – neben der gemeinsamen Aufsichtsaufgabe im Finanzmarktbereich – unterschiedliche Strukturen, administrative Abläufe und nicht zuletzt auch Kulturen. Dies alles gilt es nun, unter ein Dach zu bringen.  Das Projekt ist in vier Teilbereiche aufgeteilt:  – Organisatorische Integration: Dabei geht es um Aufbauorganisation und Strategie der neuen Behörde. – Operationelle und technische Integration: Dieser Bereich umfasst die Informatik, die Prozesse und das Personal. Besonders heikel ist das Thema Personal, gilt es doch, ein neues Personalrecht vorzubereiten, das sowohl den Anforderungen der öffentlichen Hand als auch der Privatwirtschaft gerecht wird und dem Personal einen akzeptablen Übergang bietet. – Rechtliche Aspekte: Dazu gehört die Anpassung sämtlicher Verordnungen an die neuen Vorgaben des FINMAG, das heisst im Bereich der Banken-, Börsen-, Anlagefonds- und Versicherungsaufsicht sowie der Geldwäschereibekämpfung. Zudem muss eine neue Gebührenverordnung erlassen und das Prüfwesen neu geregelt werden. Ändert man den gesetzlichen Überbau, zieht das auch Anpassungen der Rundschreiben und Weisungen mit sich.  – Corporate Identity und Kommunikation: Hier geht es darum, für die Finma eine Identität zu kreieren und diese entsprechend zu kommunizieren.

Eine gewaltige Aufgabe – und Chance zugleich


Eine neue Behörde schafft auch neue Schnittstellen. Die Zusammenarbeit mit dem EFD – sowohl bei der Regulierung als auch im internationalen Bereich – muss neu definiert werden: Wie werden die Regulierungsprojekte organisiert? Wer vertritt die Schweiz in internationalen Gremien? Schliesslich bleibt die wohl schwierigste Aufgabe, an der schon so manche Fusion in der Privatwirtschaft gescheitert ist: Die Verschmelzung drei unterschiedlicher Kulturen, aus der die bestmögliche Lösung resultiert. Diese Aufgabe wird vor allem auch der Projektleitung obliegen. Die Mitarbeitenden der drei Einheiten und des EFD stehen angesichts der zahlreichen Revisionsvorhaben vor einer herkulischen Aufgabe. Diese Arbeiten bieten aber auch die Chance zu gegenseitigem Know-how-Transfer sowie zu einem Neuanfang, bei dem unnötiger Ballast abgeworfen werden kann.

Projektleitung und Wahl des Verwaltungsrates


Als Projektleiter eingesetzt wurde der neue Präsident der EBK, Eugen Haltiner, der ein überzeugter Verfechter der künftigen integrierten Finanzmarktaufsicht ist. Unterstützt wird er von einem Steuerungsausschuss, der aus einer Vertreterin und zwei Vertretern der betroffenen Behörden sowie einer Vertreterin des EFD zusammengesetzt ist. Hinzu kommt ein begleitendes Panel als Soundingboard, dem die interessierten Kreise und die Wissenschaft angehören. Dieses soll helfen, die Akzeptanz der neuen Behörde bei allen Betroffenen zu steigern und tragfähige Lösungen zu finden.  Nach Verabschiedung des Gesetzes durch das Parlament wird das EFD dem Bundesrat als Wahlgremium die Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Finma vorschlagen. Der Verwaltungsrat muss nach Ablauf der Referendumsfrist sofort tätig werden können, da er die technischen Vorschriften auf Stufe Finma sowie das Organisationsreglement erlassen und die Geschäftsleitung wählen muss. Erst im Anschluss daran kann das Gesetz vollständig in Kraft gesetzt und die Finma damit operativ tätig werden.

Unsicherheit über Ausgang der parlamentarischen Beratung


Die wichtigste Frage ist noch offen: Wird die Finma die politische Diskussion überleben? Und wenn ja, welche Anpassungen wird das Parlament am FINMAG vornehmen? Erste Reaktionen lassen auf ein eher positives Echo schliessen. Dennoch wird das Parlament voraussichtlich Anpassungen am Entwurf des Bundesrates vornehmen. Angesichts dieser Unsicherheit ist es wichtig, im Rahmen des Projekts keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Zurzeit werden deshalb vor allem diejenigen Themen angegangen, die auch ohne Finma von Nutzen sind, wie die Erarbeitung einer Strategie oder Überprüfung der Prozesse. Sollte das Parlament die Gesetzesberatungen nächsten Frühling tatsächlich abschliessen, könnte der Termin 1. Januar 2008 eingehalten werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der operative Start der Finma um voraussichtlich ein Jahr verschoben werden muss.  Auch wenn der Zeitpunkt noch offen ist, verfolgen alle Beteiligten dasselbe Ziel: Ihr Engagement gilt der Schaffung einer schlagkräftigen Finanzmarktaufsicht mit internationaler Ausstrahlung, die sowohl intern als auch extern kompetent, transparent und effizient im Dienste des Finanzplatzes und seiner Kundinnen und Kunden auftritt.

Zitiervorschlag: Barbara Schaerer (2006). Die integrierte Finanzmarktaufsicht auf der Zielgeraden. Die Volkswirtschaft, 01. November.